суббота, 7 ноября 2020 г.

Mental Load in Familien: Wie Paare sich die Arbeit gleichberechtigt teilen können

[00:00:02] Patricia Camerata Da tritt in der Regel eigentlich so ein Effekt ein, dass beide Partner wirklich vor diesen Listen oder der Visualisierung sitzen und sagen: «Meine Güte, das ist aber echt richtig viel. Und ich hatte tatsächlich nicht auf dem Schirm, was du alles machst.»

[00:00:21] Lenne Kaffka Ideen für ein besseres Leben haben wir alle. Aber wie setzen wir sie im Alltag um? In diesem Podcast treffen wir jede Woche Menschen, die uns verraten, wie es klappen kann. Willkommen zu Smarter leben. Ich bin Lenne Kaffka und diesmal skype ich mit Patricia.

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[00:01:19] Patricia Cammarata Hallo, mein Name ist Patricia Cammarata und ich bin Autorin, Bloggerin und Podcasterin und habe aufgrund meiner persönlichen Erfahrung ein Buch zum Thema «Mental Load» geschrieben.

[00:01:31] Lenne Kaffka Haben wir schon ein Geburtstagsgeschenk für Oma? Braucht das Kind eine neue Winterjacke?Und wann kaufen wir eigentlich das Essen fürs Wochenende ein? Diese und zig andere alltägliche Aufgaben gibt es in jeder Familie. Nur, in den allermeisten Fällen sind es vor allem die Mütter, die sich darum kümmern und die immer alle To-dos auf dem Schirm haben. Und das kann auf die Dauer wirklich belasten. Auch Patricia kennt das und will nicht mehr den Großteil der Verantwortung tragen. Gerade hat sie ihr Buch «Raus aus der Mental Load-Falle» veröffentlicht. Ihre Beziehungsratgeber sind Bestseller und ihr Blog «Das Nuf» wurde mehrfach ausgezeichnet. Wie Paare die Arbeitsteilung im Alltag wirklich gleichberechtigt angehen können, erklärt Patricia in dieser Folge.

[00:02:09] Hallo Patricia, unser Thema heute ist Mental Load, ein Begriff, den auch du lang nicht gekannt hast und einige Hörerinnen und Hörer haben den vielleicht bis heute noch nie gehört. Ich würde das jetzt erst einmal übersetzen mit mentaler Last oder mentaler Belastung. Aber welche Problematik verbirgt sich denn genau hinter diesem Begriff?

[00:02:26] Patricia Cammarata Ja, die Problematik, die sich dahinter verbirgt, ist, dass diese mentale Last eben auftritt vor allem im Privaten, und dass sie unsichtbar ist. Das heißt, dass man selber erstmal vielleicht gar nicht weiß, woher so eine Belastung und vielleicht sogar eine Überbelastung kommt. Und dass sie sogar eben für den Partner, die Partnerin ja auch nicht so richtig greifbar ist und dass es deswegen auch sehr schwer ist, darüber zu sprechen am Anfang — jedenfalls so lange nicht, bis man eben diesen Begriff hat und versteht, um was es da eigentlich geht.

[00:02:58] Lenne Kaffka Ja, dann lass uns doch mal probieren, diese Probleme greifbarer zu machen. Was sind denn so typische Alltagssituationen in dem Mental Load Thema wird in Beziehungen?

[00:03:06] Patricia Cammarata Also tatsächlich in allen Alltagssituationen, wenn man aber ein ganz praktisches Beispiel möchte, was sich dahinter verbirgt, dann kann man vielleicht an Paare denken, die Kinder haben. Wenn so was einfaches erst einmal anfällt wie ein Kind wird zu einem Geburtstag bei einem anderen Kind eingeladen, dann wäre der sichtbare Teil, über den sich eigentlich dann beide klar sind, die Aufgabe man besorgt ein Geschenk für das andere Kind. Der unsichtbare Teil daran ist also diese ganze planerische und organisatorische Tätigkeit drumherum. Das sind eben all die Fragen wie, wie kommt das Kind da eigentlich hin? Wer gibt den Eltern Bescheid, dass das erscheinen wird? Was wünscht sich das andere Kind? Wer packt das Geschenk ein? Wer holt das Kind dann eigentlich ab? Also so ein ganzer Rattenschwanz an Dingen, über die man eigentlich nicht redet, aber der in der Regel eben von einem Elternteil und das sind eben meistens die Mütter einfach übernommen wird und das wird alles organisiert. Und wie man halt sieht, dieser Rattenschwanz bei einem kleinen Thema, kann man sich denken, dass das eben eine große Rolle spielt in allen möglichen Themen. Und das summiert sich eben im Alltag zu einer nicht ganz unerheblichen Zusatzlast.

[00:04:20] Lenne Kaffka Letztendlich ist es ja irgendwie ein neuer Begriff für ein vielleicht schon relativ altes Problem. Jetzt sagst du gerade auch, seit einem halben Jahr wird das mehr untersucht. Was glaubst du denn, warum das Thema seit Kurzem mehr in den Fokus rückt und vielleicht auch irgendwie stärker an Relevanz gewinnt?

[00:04:33] Patricia Cammarata Also ich glaube, das hat tatsächlich was auch mit der Corona-Zeit jetzt zu tun. Man sagt ja an vielen Stellen, das wirkt wie ein Brennglas und, ich glaube, auch hier hat das so zwei Effekte gehabt. Also wenn man einmal guckt auf den Lockdown, da hat man dann eben gesehen, wie Partnerschaften das dann wirklich auf die einzelnen Elternteile verteilt haben oder ob man sich so ein bisschen dazugekauft hat sozusagen. Und das andere ist, dass das auch wieder eher so diese Blase, die sich leisten konnten, im Homeoffice weiterhin ihre Berufstätigkeit nachzugehen, dass das für gehörig Transparenz auch gesorgt hat, was die jeweiligen Berufstätigkeiten eben der Väter und der Mütter angeht. Und dann ist man auch eher ein aktives Verhandeln gegangen, weil man dann gesagt hat: Moment mal, wir sitzen jetzt uns quasi beide gegenüber auf dem Schreibtisch, haben soundso viel Stunden irgendwie abzuleisten – wie machen wir das jetzt eigentlich? Weil im Hintergrund turnen unsere Kinder rum.

[00:05:30] Lenne Kaffka Du selbst bist ja nicht durch Corona auf dieses Thema gestoßen. Du bist vor dreieinhalb Jahren durch einen bekannten Comic auf den Begriff gestoßen. War dir eigentlich vorher schon bewusst, wie fair oder unfair bei euch zu Hause die Aufgaben verteilt waren?

[00:05:42] Patricia Cammarata Nein, überhaupt nicht. Ich habe eigentlich immer auch das Gefühl gehabt, ich habe super gute Bedingungen – einfach ein Mann, der auch abends irgendwie den Kindern vorliest, er die ins Bett bringt, zur großen Freude meiner Mutter, der seine eigenen Hemden bügelt und dann auch einen tollen Arbeitgeber, der mir eben Vereinbarkeit wirklich auch ermöglicht hat durch flexible Arbeitszeiten et cetera. Und noch on top eine tolle Kinderbetreuung, also der allerschönste Kindergarten, den man sich irgendwie vorstellen kann, wo die Kinder auch gerne hingegangen sind. Und als ich dann in so eine Überlastungen reingerutscht bin, bin ich erstmal davon ausgegangen: Oh, das ist irgendwie ein persönliches Problem. Also, ich bin irgendwie nicht leistungsfähig genug anscheinend. Und ich konnte ganz lange diesen Finger nicht drauflegen, was da eigentlich irgendwie schiefläuft. Und da hat mir dieser Comic tatsächlich die Augen geöffnet, weil da wird so prototypischen Situationen beschrieben, wo ich dachte: Moment mal, ich kenne diese Illustratorin überhaupt gar nicht. Warum beschreibt die eigentlich eins zu eins mein Leben? Und dann wird einfach, glaub ich, vielen Frauen klar, wenn man darüber spricht: Mensch, ja, mir geht’s ganz genauso. Dir auch, dir auch. Und wir haben alle unterschiedliche Lebenssituationen, wo wir auch dachten, da haben wir uns ja aktiv für entschieden und stellen doch fest, dass wir alle an den gleichen Problemen knabbern. Vielleicht ist es ja doch ein systemischer Rahmen, der das zumindest begünstigt.

[00:07:04] Lenne Kaffka Warst du vor dreieinhalb Jahren noch mit deinem Ex-Mann zusammen?

[00:07:07] Patricia Cammarata Da war ich nicht mehr mit ihm zusammen.

[00:07:10] Lenne Kaffka In dem Buch schreibst du nämlich ziemlich viel über ihn. Was glaubst du denn, welchen Anteil die ungleiche Aufgabenverteilung daran hatte, dass eure Beziehung auseinandergegangen ist?

[00:07:18] Patricia Cammarata Also das hat ganz bestimmt eine Rolle gespielt, weil wir auch tatsächlich nicht so richtig beide festmachen konnten, was ist denn jetzt dieser Punkt? Wo ist denn eine Belastung? Was können wir irgendwie anders machen? Das hat ganz viel damit zu tun, dass diese Belastung so unsichtbar ist und dass man so ganz langsam reinrutscht. Das kommt ja auch nicht von heut auf morgen. Es gibt eben so ein Ungleichgewicht auch dann in der Perspektive, nämlich quasi ich damals in der Überlastung habe mir natürlich schon ganz viele Gedanken gemacht, wie ich mir selbst irgendwie helfen kann und habe schon lange das Gefühl gehabt, ich gehe so ein bisschen auf dem Zahnfleisch und habe dann, glaub ich, meinen Mann auch ein bisschen überrascht an dem Zeitpunkt, wo ich dann in der Überforderung war, weil da hab ich dann auch wahrscheinlich nicht besonders konstruktiv mit ihm geredet und neu verhandelt, sondern dann hatte das eben schon auch so eine gewisse Spannung, aus der heraus das, glaub ich, ganz schön schwer ist, eben in so einen konstruktiven Austausch auch zu kommen und dann eben auch gemeinsam Lösungen zu finden.

[00:08:22] Lenne Kaffka Okay, du hast vor dreieinhalb Jahren realisiert, deine Probleme hängen gar nicht nur mit dir selbst zusammen. Du warst überlastet. Wie bist du dann weiter vorgegangen? Hast du durch diese Erkenntnis auch erst einmal irgendwie deine Situation verbessern können und wie so eine Art schnelle Nothilfen parat, die dir geholfen haben?

[00:08:37] Patricia Cammarata Also, die hatte ich tatsächlich parat, weil ich mir erst mal gesagt habe: Gut, Überlastungen, das hat ja ganz banal erst mal was mit Quantität zu tun, also zu vielen Themen und Aufgaben. Und dann habe ich einfach meine To-do-Listen ausgemistet, also den sichtbaren Teil und habe priorisiert und bin dann so auf der einen oder anderen Stelle so draufgekommen, ach Mensch, wir leben alle in so einer Optimierungsgesellschaft, wo es ganz viel um Effizienz irgendwie geht. Und wir fragen uns bei jeder Aufgabe, die kommt nämlich, wie kann ich das jetzt erledigen, wie kriege ich das noch quasi in mein Hamsterrad irgendwie untergebracht. Aber man macht nie diesen Schritt zurück, sich zu fragen, warum mache ich das jetzt eigentlich? Also warum ziehe ich mir den Schuh auch noch an und muss das jetzt wirklich sein? Und da bin ich relativ radikal vorgegangen und habe gesagt, also jetzt mal alle gesellschaftlichen Ansprüche irgendwie beiseite. Bei jedem Punkt frage ich mich – muss das sein?

[00:09:33] Lenne Kaffka Was waren so ganz konkrete Dinge, die du dann weggelassen hast, erst mal?

[00:09:38] Patricia Cammarata Also tatsächlich erst mal so zusätzliche Ämter wie Elternsprecherin et cetera, weil da war klar, das beansprucht meine Ressourcen und dann aber auch so Themen wie Bastelnachmittage. Wenn man wirklich noch Kleinkinder hat, muss ich da hin oder kriegen die das vielleicht gar nicht mit? Weil im Grunde sind bei Kleinkindern Bastelnachmittage, dass ich bastele und die Kinder laufen da irgendwie rum. Muss man so was machen? Oder wenn irgendwie eine Feier in der Schule ist, bin ich verpflichtet irgendwie die tollste Torte von allen irgendwie zu backen. Oder kann ich auch mal sagen, ich bin diejenige, die irgendwie die sechs Tüten Orangensaft irgendwie mitbringt. Und da findet man relativ viel im Alltag, was man so eben weglassen kann oder auch Sauberkeitsstandards. Also, da kann man sich ja fragen, wer verlangt das eigentlich von mir? Und wenn man da auch aktiv das Gespräch sucht mit dem eigenen Partner, dann stellt man eben vielleicht auch oft fest, dass man bestimmte Dinge von sich selbst erwartet, die eigentlich, im direkten Umfeld, keine andere Person von einem erwartet. Also, es war ganz klar, mein Mann hätte mich niemals angemeckert, weil irgendwie unsere Wohnung nicht aufgeräumt oder sauber genug war. Aber ich habe eben gelernt, dass es meine Aufgabe als Frau, dass das alles picobello ist und zwar auch wenn ich irgendwie drei Kinder habe und berufstätig bin.

[00:10:56] Lenne Kaffka Ich wollte gerade fragen, was glaubst du, warum du dir diese vielleicht unnötigen Dinge aufgehalst hast? Ist es dann, weil das so irgendwie erlernte Rollenbilder sind, die du erfüllen wolltest, oder?

[00:11:05] Patricia Cammarata Genau, das hat ganz, ganz viel mit der Sozialisierung zu tun und auch mit gesellschaftlichen Erwartungen. Und da gibt’s ja auch so Glaubenssätze, was Frauen gut können oder gerne machen; dass einem Kümmern sowieso im Blut liegt, dass man das also dann auch erwarten kann, dass Frauen auch das gerne machen; dass es schön ist in der Wohnung, dass sich andere wohlfühlen. Es gibt so Glaubenssätze wie: «Die Kinder gehören zur Mama». Also mittlerweile ist man dann schon so aufgeschlossen, das man dann sagt, der Papa kann auch eine Rolle spielen. Aber es ist so ganz tief verwurzelt, dass das irgendwie eine andere Qualität hat und das eigentlich, so im Kern, vor allem je jünger die Kinder sind, doch die Mutter eher zuständig ist. Und das alles hinterfragt man eigentlich ganz, ganz wenig. So ging es mir und wir haben da auch nie so konkret drüber gesprochen, auch nicht über wie teilen wir jetzt genau die Elternzeit auf? Da war einfach klar: Ich übernehme die 12 Monate und weil wir eben modern eingestellt sind, macht mein Partner auch noch zwei Monate.

[00:12:05] Lenne Kaffka Ja schön, dass du das ansprichst. Ich habe vor der Aufzeichnung auch meine Frau gefragt, wie gleichberechtigt sie unsere Beziehung findet. Wir waren uns eigentlich ziemlich einig, dass wir uns bis letztes Jahr sehr gleichberechtigt gefühlt haben, aber dann haben wir ein Kind bekommen und gerade wissen wir, dass beide nicht so richtig, weil es uns auch irgendwie schwerfällt, unsere Rollenverteilung, wie sie aktuell ist, zu vergleichen. Aber wenn ich jetzt auf die reine Elternzeit-Verteilung schaue, ist es auf keinen Fall gleichberechtigt, was die Kinderbetreuung angeht. Meine Frau hat 12 Monate Elternzeit, ich bleibe nur vier Monate zu Hause. Bald übernehme ich wieder und ich merke jetzt schon, dass ich mich dann in manche Verantwortungsbereiche neu reindenken muss, intensiver reindenken muss. Ist die Geburt von einem Kind so ein typischer Zeitpunkt, an dem der Mental Load in Beziehung in Schieflage gerät?

[00:12:46] Patricia Cammarata Ja, das ist tatsächlich so ein Punkt, wo so eine Retraditionalisierung auch ganz stark einsetzt. Ganz interessant ist, dass man sogar bei homosexuellen Paaren sehen kann, dass die auch eigentlich eher gleichberechtigt vor der Geburt oder wenn ein Kind dazukommt leben und dann tritt so was eben ein wie so eine Aufgabenspezialisierung. Das scheint ganz stark in den Köpfen zu sein, dass man sagt, wir müssen jetzt unsere Ressourcen irgendwie verdoppeln, um möglichst effizient zu arbeiten. Und da ist es sinnvoll, dass einer eben hauptsächlich die Kümmerarbeit übernimmt und der andere eben die finanzielle Versorgung und dann trennt man das immer stärker, baut natürlich – du hast es selbst gerade auch gesagt – ja Kompetenzen in seinem Gebiet auf und wird darin eben immer besser, aber fragt sich dann gar nicht mehr so richtig, wollen wir das jetzt langfristig? Was hat das auch für Folgen für in drei Jahren, in fünf Jahren? Sind damit spezielle Risiken irgendwie verbunden, die wir jetzt irgendwie gar nicht bewusst auch eingehen, sondern einfach nur so in Kauf nehmen und hoffen, dass das dann eben nicht stattfindet? Beispielsweise, dass eben der finanzielle Versorger aufgrund von Krankheit irgendwie ausfällt, das ist ja dann auch eine ganz schwierige Situation. Also, die Geburt eines Kindes hat eben genau diesen Effekt. Man spezialisiert sich auf verschiedene Aufgaben. Und da hat man sich dann schön die Pfade getreten und die geht man dann einfach weiter in der Regel.

[00:14:12] Lenne Kaffka In meinem Umfeld ist auch so, zumindest ein beliebtes Argument und das ist ja dann wieder ein strukturelles Problem, dass viele Männer sagen, na ja, sie verdienen halt mehr. Es wäre jetzt wie dumm, wenn sie zu Hause bleiben und die Mutter arbeiten geht. Das verfestigt ja dann diese Rollenklischees auch wieder.

[00:14:27] Patricia Cammarata Genau, weil das ja auch langfristig dafür sorgt, dass es nie anders sein wird. Also, es wird ja nie vorkommen – wenn man irgendwie, weiß ich nicht, drei Jahre aus dem Job war und dann sagt, ich kann eben aufgrund was wir an Aufgaben irgendwie auf dem Zettel stehen haben, auch gar nicht Vollzeit mehr arbeiten – das wird ja nie dazu führen, dass eine Frau eben auch im Gehalt ebenso aufholen kann. Ich finde es sehr erstrebenswert, genau daran zu arbeiten, dass eben beide gleich viel Geld verdienen können, weil das ja auch eine Ausfallsicherheit ist und weil das ja auch Vätern – und da gibt’s ja auch Studien – den wird es ja oft auch in Sachen Familienfreundlichkeit nicht so leicht gemacht. Bei Frauen, die haben sich das über die Jahre erkämpft, dass man das also zähneknirschend bei einem Arbeitgeber wahrscheinlich auch eher akzeptiert, dass die in Elternzeit gehen oder mal irgendwie einen Nachmittag ausfallen oder eine Dienstreise nicht machen können. Bei Männern ist es im Moment auch noch hart zu erkämpfen. Und wenn man dann bei einem Arbeitgeber ist, der sich da querstellt und man ist der Alleinverdiener, dann hat man gar keine Flexibilität. Wenn aber die Frau quasi eigentlich das gleiche Geld verdient, hat man dann natürlich auch eine ganz andere Verhandlungsbasis, dass man sagen kann Moment mal, ich bin qualifiziert und sicherlich finde ich vielleicht nicht morgen, aber doch relativ bald einen anderen Arbeitgeber. Und wenn der familienunfreundlich ist, dann suche ich mir eben einen familienfreundlicheren.

[00:15:47] Lenne Kaffka Wenn Kinder in die Beziehung kommen, dann sollten wir auf jeden Fall mal die Verteilung des Mental Loads genauer anschauen. Gibt es da noch so weitere Phasen im Leben, in denen die Verteilung der Last in der Regel unfairer wird?

[00:15:57] Patricia Cammarata Also, es gibt nicht Phasen, in denen das unfairer wird, aber es gibt Phasen, in denen es sehr sinnvoll wäre, wenn wir eine Tradition entwickeln würden, eben aktiv zu kommunizieren. Also immer dann, wenn im Lebenslauf sozusagen so einen Bruch irgendwie bekommt oder quasi eine andere Entwicklung. Also wenn man zusammenzieht beispielsweise, oder wenn Paare ja sehr jung zusammen sind und vom Studium beispielsweise oder der Berufsausbildung dann eben in den Job kommen, wenn Kinder eingeschult werden. Also immer da, wo so neuralgische Punkte sind, wo man so sieht Mensch, da ändert sich jetzt doch relativ viel in den Rahmenbedingungen. Da wäre es extrem sinnvoll, darüber zu sprechen und eben konkret auch zu verhandeln und über Zukunft, also eben Folgen – was sind Risiken, was sind Sachen, die wir jetzt vielleicht gewinnen – konkret zu sprechen und das präventiv, dass man nie in diese Überlastungen dann auch reinrutscht, sondern dieses Thema immer auf dem Schirm hat.

[00:16:59] Lenne Kaffka Ehrlich gesagt, glaube ich ja, dass sich viele Paare für gleichberechtigter halten, als sie es sind. Ist Mental Load nicht auch ein super Aspekt, um sich das transparent zu machen?

[00:17:07] Patricia Cammarata Ja, ja, auf jeden Fall. Und auch dazu gibt es Studien. Wenn man also Paare befragt, die sich selbst einschätzen sollen, seid ihr gleichberechtigt, dann ist das mittlerweile schon so, dass da ganz viel die Antwort «ja» kommt und man irgendwie sagt, das ist grob fifty/fifty, vielleicht mal 40/60 oder so. Aber wenn man dann ganz konkret nachbohrt für all diese kleinen Alltagsaufgaben und das wirklich mal erhebt sozusagen, dann ergibt sich plötzlich doch ein ganz schönes Ungleichgewicht und dann zeigt sich auch, dass es nicht nur quantitativ ein Ungleichgewicht gibt, sondern auch die Art der Aufgaben, die traditionellerweise Männer oder Frauen übernehmen, so eine ganz andere Note haben. Also Männer übernehmen eher Dinge, die nicht so an Deadlines gebunden sind, sondern die übernehmen eher so Sachen wie im Urlaub, wenn man beim Auto fährt zu gucken und stimmte Reifendruck irgendwie ist das Auto vollgetankt oder eine Recherche für den Dachträger oder müssen die Batterien im Rauchmelder mal wieder ausgetauscht werden? Oder wie es eigentlich mit den Updates an unseren Betriebssystemen an den Rechnern, oder wenn ein Fernseher gekauft wird. Das sind aber alles Sachen, die eben nicht so häufig im Alltag auftreten und wo man auch so ein bisschen die Flexibilität hat zu sagen, ja gut, das mach ich halt übermorgen, weil dann passt es mir besser.

[00:18:27] Lenne Kaffka Wenn man als Paar daran arbeiten will, rätst du ja zu 3 Schritten: Erst mal eine Bestandsaufnahme zu machen, dann ein wöchentliches Meeting im Kalender fest einzuplanen und schließlich in regelmäßigen Abständen eine Art Retrospektiven zu machen, um zurückzublicken, wie es läuft und vielleicht auch, ob beide glücklich sind. Lass uns die einzelnen Schritte mal so ein bisschen angucken. Wie gehen Paare denn so eine Bestandsaufnahme am besten an?

[00:18:50] Patricia Cammarata Also am besten, indem man sich wirklich Zeit nimmt und einen Punkt irgendwie findet, wo man sagt, wir wollen das jetzt möglichst sachlich und ruhig irgendwie machen, ohne dass wir aufrechnen im Sinne von, wir machen uns da jetzt gegenseitig Vorwürfe, sondern sich vorzunehmen: Wir wissen jetzt, Mental Load ist etwas, das gibt’s, darunter leidet anscheinend ein Partner und wir wollen jetzt einfach mal das Unsichtbare sichtbar machen . Und da gibt’s verschiedene Möglichkeiten, so wie es dem Paar sozusagen liegt, dass man entweder wie so eine Mental Load-Map macht, also dass so ein bisschen visualisiert und sagt, wir gucken uns mal so an was, was so die großen Themen sind und was dann die ganzen kleinen Themen sind – so wie ich das eben in dem Beispiel Kindergeburtstag gesagt habe – und machen da so lauter kleine Bubbles darum und fragen uns, wer initiiert das eigentlich? Wer denkt daran? Weil das ist der unsichtbare Teil. Und gar nicht so sehr, wer setzt dann auch tatsächlich um.

[00:19:47] Lenne Kaffka Also wie so eine Mindmap, die man auch von Arbeit kennt, vielleicht.

[00:19:50] Patricia Cammarata Genau. Und dann sieht man ganz schnell – da kann man eigentlich wahrscheinlich seine Wohnzimmerwand mit voll malen. Und wer das eben grafisch nicht mag, – ich mag Excel-Tabellen total gerne – der macht sich dann einfach mal so eine lange Excel-Tabelle. Und da tritt in der Regel eigentlich so ein Effekt ein, dass so beide Partner wirklich vor diesen Listen oder in der Visualisierung sitzen und sagen: Meine Güte, das ist aber echt richtig viel. Und ich hatte tatsächlich nicht auf dem Schirm, was du alles machst. Und das geht auch in beide Richtungen. Das ist mir auch immer ganz wichtig. Es geht ja nicht um Schuld, sondern es geht einfach da um die Sichtbarkeit und den Willen irgendwie, wir wollen das anders gestalten. Und dafür muss man einfach erst mal gucken, was sind denn die Themen, die uns so beschäftigen. Und mit dieser Sichtbarmachung kommt eben auch die Wertschätzung, dass man dann sagt, das ist ja irre, was du hier täglich stemmst und kein Wunder, dass man abends manchmal auf dem Sofa sitzt und total erschöpft ist, aber sich eigentlich wegen diesen kleinen Kleinigkeiten fragt, was hab ich heute eigentlich den ganzen Tag gemacht?

[00:20:54] Lenne Kaffka Okay, das ist jetzt so ein bisschen quasi den Istzustand erst mal transparent machen. Und du hast ja schon gesagt, es geht nicht um Schuldzuweisungen, sondern Wertschätzung – sind ja super Aspekte. Aber letztendlich ist das Ziel ja, dass es fairer werden soll. Wie gelingt also eine gute Umverteilung? Ist es dann besser, alle Tätigkeiten in Kompetenzbereiche aufzuteilen? Soll man sich mit einem abwechseln? Wie jetzt weiter vorgehen, dass es fairer wird?

[00:21:15] Patricia Cammarata Also da gibt’s verschiedene Wege, über die die Partner dann auch drüber nachdenken müssen, wie wollen wir das eigentlich machen? Also, ich finde, das ist ein bisschen eine Falle zu sagen, jeder macht, was er gut kann, weil das verfestigt ja eben genau diese Aufgabengebiete, wenn die dann nicht zufällig von Natur aus schon fifty/fifty sind, dass man dann eben doch die Kümmererarbeiten, denn man kann, sie ja so gut, irgendwie eher die Frau übernimmt, sondern dass man bewusst auch sagt, wir gucken jetzt mal, wie wir das im Alltag irgendwie hinkriegen und wir nehmen uns das auch bewusst vor, Kompetenzen aufzubauen. Also zu sagen: Hey, wir haben jetzt vielleicht eben diese ungleich verteilte Elternzeit gehabt und da hast du dir einen riesigen Kompetenzvorsprung eben in diesen ganzen Themen Kita – woran denkt man da alles,  Wechselsachen et cetera,  bla, bla – oder Schule erarbeitet und das ist jetzt ein Thema, in das ich jetzt bewusst richtig reinwill. Und umgekehrt kann man dann auch sagen, die anderen Sachen, was weiß ich, den Großeinkauf, was ich jetzt alles so mache, das kannst du vielleicht mal übernehmen. Aber das man auf der anderen Seite eben auch nicht zu verkrampft ist, dass wenn man sagt: Hey, das liegt dir tatsächlich oder du machst es irgendwie super gern, dann ist vielleicht dieses eine Thema nicht das, wo man den anderen entlasten muss.

[00:22:32] Lenne Kaffka Das klingt jetzt aber dann ja schon so, als ob es durchaus auch sein kann, dass man manche Themen zusammen im Blick hat. Also, dass beide das auf dem Schirm haben.

[00:22:39] Patricia Cammarata Genau, das ist eine der großen Erkenntnisse, die ich auch in den Recherchen zu meinem Buch hatte, dass es eben gar nicht darum geht, Ressourcen zu verdoppeln und das dann getrennt zu machen, sondern dass man vielleicht bewusst auch darüber nachdenkt, wo sind denn Dinge, die wir gemeinsam machen können, um da den gleichen Kompetenzlevel zu haben? Und das dann eben auch diese Gewichtung, beispielsweise in der Bewertung, die Kinder den Eltern gegenüber haben, sich langsam auflöst. Dass man dann also nicht mehr Mama, Mama, Mama oder Papa, Papa, Papa, – je nachdem wie das war – sondern dass die Kinder einfach sehen, ich habe ja zwei Elternteile und wenn der eine jetzt gerade hier näher steht, dann kann ich ja den oder die fragen oder ich muss gar nicht warten, bis irgendwie Mama zurückkommt, weil Papa weiß ganz genauso wie man ein Wolkenheft organisiert, wenn die Lehrerin jetzt gerade gesagt hat, wir brauchen neue Wolkenhefte.

[00:23:33] Lenne Kaffka Aber wenn jetzt beide alles auf dem Schirm haben, würde man ja wahrscheinlich jetzt erstmal denken, dann wird der Mental Load nicht weniger, oder nicht?

[00:23:41] Patricia Cammarata Na doch, also der wird weniger im Sinne von, wir sprechen da von Verantwortung und Verantwortung auf mehrere Schultern zu verteilen, macht natürlich so eine Verantwortungslast viel geringer. Also es geht ja eben nicht um die To-dos, sondern darum, dass man Verantwortung miteinander teilt. Und ich finde, das zeigt sich vor allem dann, wenn Dinge beispielsweise schieflaufen oder wenn es einem auch schwerfällt, irgendwas zu entscheiden. Das wird ja auch gerne übersehen, wenn Frauen geraten wird: Mach dich doch mal locker, das muss man ja alles nicht so streng sehen. Aber es gibt gerade bezogen auf die Kinder viele Dinge, die eine große Zukunftsverantwortung auch haben. Also, man entscheidet sich ja beispielsweise nicht rein sachlich für irgendeinen Kinderbetreuungsplätze, damit das Kind dann irgendwie wegorganisiert ist, sondern man wünscht sich ja in der Recherche und wenn man sich dann den Platz anguckt und das pädagogische Konzept durchliest et cetera, dass das ein Platz ist, wo das Kind sich wohlfühlt und sich gut entwickeln kann. Und wenn man das doppelt, wenn man sich da also wirklich als Paar hinsetzt und sagt, wir gucken das beide an, wir gehen beide zum Tag der offenen Tür und dann entscheiden wir gemeinsam – dann hat man zwar keine Zeit gespart, aber man hat sich eben die Verantwortung geteilt und zusammen eine Entscheidung getroffen, wo beide sagen: Das haben wir nach besten Wissen und Gewissen gemacht und das nimmt ganz viel von dieser psychischen Belastung.

[00:25:04] Lenne Kaffka Bei der Umverteilung von Verantwortung geht’s ja in der Regel darum, dass sich jemand mehr einbringen sollte, aber jemand anderes auch loslassen muss. Und in Bezug auf Familien gibt es diesen Begriff des Maternal Gatekeepings, also letztendlich geht es um den Vorwurf, dass viele Mütter überhaupt nicht loslassen wollen und viele Aufgaben an sich reißen. Ich finde den Begriff durchaus schwierig, weil er macht’s mir, als Mann, natürlich leicht zu sagen, dass ich mich ja gar nicht mehr einbringen kann. Andererseits kenne ich auch Paare, bei der ich schon sagen würde, dass die Frauen ihren Männern kaum zugestehen, einen eigenen Umgang mit bestimmten Alltagsdingen zu finden oder auch vielleicht Fehler zu machen. Wie siehst du denn diesen Begriff?

[00:25:41] Patricia Cammarata Also, genauso gemischt wie du anscheinend. Also dieses Maternal Gatekeeping im Sinne von, dass man da gar nicht irgendwie durchkommt, also das betrifft wahrscheinlich die aller-, allerwenigsten Paare. Weil wenn man als Mann eben sinnvolle Vorschläge macht und sagt: Hier, ich kümmere mich jetzt zukünftig um die Brotdose, dann hat das ja auch eigentlich nicht so weitreichende Folgen, dass die Frau selbst bei völliger Unerfahrenheit nicht sagen kann, gut, das riskieren wir jetzt mal..

[00:26:09] Lenne Kaffka Naja, man muss halt aushalten können, dass er es vielleicht anders macht.

[00:26:12] Patricia Cammarata Genau, das kann man aber lernen. Das ist ja auch eine Vorsatzsache. Ich kenne das ganz gut, dass ich sage, ich habe eben sehr viel früher allein gemacht und habe dann natürlich auch so ein bisschen starrköpfig mir gedacht, jetzt habe ich da so lange dran rumgefrickelt, natürlich habe ich die optimale Lösung gefunden. Dann davon zurückzutreten und zu sagen: Na ja, optimale Lösung – es gibt wahrscheinlich fünf optimale Lösungen und die sind alle gleichwertig und ich gebe meinem Partner jetzt auch diesen Platz, diese Erfahrungen zu machen und traue ihm das auch mal zu – das ist am Anfang gar nicht so leicht. Aber auch da ist es ja, wenn man sich da einmal zusammenreißt und sagt, ich lasse das jetzt mal geschehen und wir reden aber dann auch darüber. Dass ich dann eben sage: Meine Ängste sind, dass du bei unserem Säugling irgendwie die Mütze vergisst und dann erkältet er sich und das ist unerfreulich, weil dann das Kind krank ist, und das schränkt uns ja dann auch wieder ein, weil einer sich dann permanent um das Kind kümmern muss, und so. Und der Mann dann sagen kann: Du, selbst wenn ich die Mütze vergesse – das kann ja mal passieren, das ist dir vielleicht auch schon mal passiert – dann schaffe ich es trotzdem dann mein Halstuch, um den Kopf von dem Baby zu wickeln, zurückzugehen, die Mütze zu holen, in einer Drogerie irgendwie eine günstige Ersatzmütze zu beschaffen. Und dann glaub ich, kann die Frau auch langsam Vertrauen fassen und irgendwann dann auch über sich selbst lachen und sagen: Ja, stimmt, also das sind jetzt wirklich nicht so Dinge, die man einem sonst auch wahrscheinlich beruflich erfolgreichen Mann nicht zutrauen kann.

[00:27:48] Lenne Kaffka Und wenn ich als Mann das Gefühl habe, dass ich einfach nicht gegen meine Frau ankomme, dass sie mich einfach nicht in Ruhe lässt, könnte ich sie einfach in einem wöchentlichen Meeting ansprechen – wobei wir beim zweiten Schritt wären. Hast du mit deinem Partner denn wirklich jede Woche so einen festen Termin, an dem ihr euch immer trefft und eure Aufgaben, euren Alltag bespricht?

[00:28:04] Patricia Cammarata Also wir haben auf jeden Fall einen im Kalender stehen. Das ist bei uns der Sonntagabend, weil wir keine Tatort-Guck-Tradition haben und da findet eben genau diese Kommunikation statt, was so an Themen irgendwie ansteht. Und da gibt’s ja ganz oft auch unterschiedliche Bewertungen, wann das jetzt eigentlich gemacht werden muss, also wo man eben genau über solche Konfliktfelder sprechen kann. Also ich habw im August nach den Ferien schon immer das Gefühl beispielsweise, ich muss jetzt unbedingt den nächsten Urlaub planen und mein Partner sagt so: Hey, ich bin gerade aus dem Urlaub zurückgekommen, jetzt würde ich gern erstmal wieder ankommen. Aber so eine Wochenbesprechung ist genau dann dieser Punkt, wo man diese Themen bespricht und sagen kann, wenn du dich damit so unwohl fühlst, was ist denn der späteste Zeitpunkt, bis wann wir das geregelt haben sollten? Und da lässt sich dann immer ein Kompromiss irgendwie finden. Und ansonsten geht’s halt wirklich so um ganz allgemeine, organisatorische Themen, wo man dann auch, oder wir wissen, wer ist denn da eigentlich verantwortlich für, bis wann ist es erledigt? Und wenn das am Anfang so ist, dass man sagt, wir machen das jetzt neu, da sprechen wir auch tatsächlich über so Zielzustände, also dass man sagt, ich habe das jetzt sehr lange gemacht und meine Erfahrung ist die und jene – wie würdest du das denn machen?

[00:29:22] Lenne Kaffka Habt ihr schon welche Regeln für diese Gespräche gesetzt, dass ihr nicht irgendwie in Vorwürfe, in ein gegenseitiges Aufrechnen kommt, sondern eher so produktiv bleibt, nach Lösungen sucht?

[00:29:31] Patricia Cammarata Also tatsächlich nur eben das, dass wir uns selber immer wieder auch zurückholen und sagen, wenn wir jetzt mal unterschiedliche Vorstellungen irgendwie haben, dass wir doch versuchen, das irgendwie sachlich zu begründen. Warum ist das so? Wo kommt dieses Gefühl irgendwie her? Ist es vielleicht irgendwie so ein bisschen was Tiefsitzenderes, wo man dann doch sagt, das fällt mir da halt besonders schwer, weil ich das schon seit zehn Jahren mache und mir das super wichtig ist. Aber dass man eben immer konstruktiv miteinander bleibt. Und ich glaube, ein bisschen abgefedert wird das halt auch, weil wir zu diesen organisatorischen Wochentreffen einmal im Monat uns hinsetzen gemeinsam und diese Retrospektive machen, wo der Platz eigentlich ist, genau über diese Meta-Ebene zu sprechen. Also all das, was vielleicht eben Emotionen dann auch verursacht, dass man dann eben sagt, welche Sachen sind gut gelaufen, welche Sachen sind schlecht gelaufen, warum war das so? Was ist eigentlich komplett anders gelaufen, als wir uns das vorgestellt haben? Was ist irgendwie die ganze Zeit dazugekommen und wir haben das noch gar nicht besprochen, dass ich das jetzt schon wieder die ganze Zeit irgendwie mache und so ein Ungerechtigkeitsgefühl aufkommt. Oder wo sind die Dinge, wo ich gar nicht gesehen habe, dass du was übernommen hast und du dich dann nicht wertgeschätzt fühlst. Also, ich glaube, das ist dann eben wie so ein Puffer, dass in diesen rein organisatorischen Wochenbesprechungen die Emotionen nicht so hoch gehen, weil wir auch einen anderen Ort haben, wo wir in Ruhe diese Themen irgendwie beleuchten können und die uns auch ermöglichen, dann im Alltag, wenn es heiß hergeht, irgendwie auch mal so ein Punkt zu machen und zu sagen: Bevor man sich jetzt zwischen Tür und Angel irgendwie angemeckert, nimmt man sich das mit als Punkt eben für dieses Gespräch. Und dann kann man darauf referenzieren und sagen: Hey, also da, wie das da gelaufen ist, das hat mir eigentlich überhaupt nicht gefallen. Das würde ich gerne nächstes Mal anders machen.

[00:31:22] Lenne Kaffka Und diese Retrospektiven sind ja Schritt drei, quasi. Wann ist denn so ein guter Zeitpunkt, um das erste Mal eine zu machen? Ich könnte mir vorstellen, dass wenn man Dinge ändern will, es ja auch gut ist, wenn man nicht zu früh anfängt, darüber zu sprechen und vielleicht gleich alles wieder rückgängig machen zu wollen, verändern zu wollen. Was würdest du Paaren empfehlen, wann man damit das erste Mal anfängt?

[00:31:43] Patricia Cammarata Tatsächlich würde ich diese vier Wochen Abstand empfehlen, weil man da genug Zeit hat, eben diese Erfahrung überhaupt erstmal zu sammeln und das auch so ein bisschen sacken zu lassen und dann sieht, ob Veränderungen überhaupt eintreten oder eben eher nicht.

[00:31:59] Lenne Kaffka Zusammengefasst kann man jetzt eigentlich sagen: Die Lösung beim Problem Mental Load ist reden, reden, reden?

[00:32:06] Patricia Cammarata Sehr gut, ja, so kann man das sagen. Es ist manchmal wirklich so banal, aber es gibt eben keine Kultur, diese Themen in Partnerschaften zu verhandeln tatsächlich. Da sind dann auch wieder so Ideale wie eben: «In der Liebe verhandelt man nicht, sondern man liest sich irgendwie gegenseitig die Wünsche von den Augen ab», und solche anderen verstrahlten Dinge, die stehen dem ganz stark entgegen, zu sagen: Wir können uns lieben und wir können trotzdem verhandeln, wie gerechte Arbeitsteilung in Familien oder in unserer Familie aussehen soll. Und das muss man ganz bewusst pflegen, weil Mental Load auch nichts ist, was man irgendwann fertig diskutiert hat, sondern das ist einfach ein Dauerthema, weil es ändern sich ja ständig die Rahmenbedingungen. Kinder werden älter, man wechselt vielleicht den Job, die kommen in die Schule et cetera. Und deswegen muss man auch immer im Gespräch bleiben. Und dann ist es ganz gut, wenn man solche Routinen auch entwickelt.

[00:33:00] Lenne Kaffka Patricia, es wirkt so, als ob du für dich mittlerweile einen besseren Umgang mit diesem Thema gefunden hast. Also sag mir zum Schluss gern nochmal, inwiefern sich dein Familienalltag einfach besser anfühlt, seit du weniger Mental Load trägst und damit transparenter umgehst in deiner Beziehung?

[00:33:14] Patricia Cammarata Also der Riesenvorteil ist diese Freiheit, die man dadurch gewinnt. Also ich fühle mich nicht mehr unersetzlich und das ist am aller stärksten tatsächlich, wenn ich krank bin. Also das klingt vielleicht wirklich verrückt, aber ich konnte früher auch nicht krank sein, weil ich das nicht ausgehalten habe, halt diese Sachen nicht alle doch irgendwie zu machen. Und dieses loslassen können und sagen: Es geht mir jetzt nicht gut und ich lege mich dann mal irgendwie ein oder zwei Tage ins Bett – das ist ne total große Erleichterung. Und das hat quasi auf der ganz anderen Seite, wenn man das immer weiterdenkt, mir zum Beispiel auch ermöglicht, dass ich jetzt allein in den Urlaub fahre und dass sich eine Woche alleine Urlaub für mich anfühlt wie quasi ich hätte einen Monat Sabbatical gemacht. Und ich gucke auf meine Kinder und sehe einfach, für die ist es auch extrem toll, dass sie eben nicht einen Wissensträger nur in der Familie haben, sondern eben mehrere AnsprechpartnerInnen, die gleichwertig eben einspringen können. Und dieses Gefühl, ich bin nicht unersetzlich, das ist total toll. Sondern es ist ganz, ganz stark, dieses Gefühl, wir sind jetzt ein Team und wir können uns umeinander kümmern. Und das ist viel, viel schöner als eben diese Dauerverantwortung zu übernehmen.

[00:34:32] Lenne Kaffka Mehr Infos und Tipps zum heutigen Thema gibt’s in Patricia Cammaratas Buch «Raus aus der Mental Load-Falle – wie gerechte Arbeitsteilung in der Familie gelingt». Der Link steht wie immer in den Shownotes zu dieser Episode. Und noch ein Hinweis in eigener Sache: Viele von Ihnen schreiben uns, dass Ihnen dieser Podcast gefällt. Und wenn Sie unsere Art Journalismus zu machen überzeugt, laden wir Sie ein unser Angebot SPIEGEL Plus zu testen. Mit SPIEGEL Plus erhalten Sie Zugang zu allen Artikeln auf spiegel.de und bekommen außerdem die digitale Ausgabe des gedruckten SPIEGEL jeden Freitag schon ab 13 Uhr, bevor das Heft am Samstag am Kiosk liegt. Weitere Informationen zu SPIEGEL Plus finden Sie unter www.spiegel.de/abo. Die nächste Folge von Smarter leben erscheint am kommenden Samstag – wie immer überall, wo es Podcasts gibt. Über Feedback oder Themenvorschläge freue ich mich jederzeit – einfach eine Mail schreiben an smarterleben@spiegel.de. Und das war’s für heute von mir, tschüss und bis zum nächsten Mal!

Source: spiegel.de

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