Kurz bevor Hansi Flick das Stadion verließ, wurde er von einem Reporter gebeten, zu Robert Lewandowski doch bitte irgendetwas Neues zu erzählen. Lewandowski hatte beim 5:0 gegen Eintracht Frankfurt die ersten drei Tore geschossen und damit einmal mehr eindrucksvoll demonstriert, warum er derzeit als weltbester Stürmer gilt. Nur war schon in den vergangenen Monaten so viel gesprochen und geschrieben worden über seine Qualitäten, darum eben die fast flehentliche Bitte an Flick um eine Aussage mit Überraschungswert.
Und siehe da, Flick lieferte. Mehr noch, was er sagte, glich einer Weltsensation. «Robert hatte heute angemeldet, dass er ausgewechselt werden möchte», sagte der Bayern-Trainer, «vielleicht ist das ja eine Neuigkeit, die es so noch nicht gegeben hat.» War es in der Tat. Lewandowski, bis dato nach eigenem Anspruch ein Unauswechselbarer, der sonst bei einem taktischen Spielertausch noch in der Nachspielzeit sichtbar widerwillig vom Platz stapft, räumt freiwillig das Feld? Unfassbar, aber wahr.
Der Mittelstürmer erklärte schließlich selbst, wie wichtig ihm angesichts des straffen Spielplans solche Auszeiten seien. «Eine halbe Stunde weniger als normal spielen, das war für mich schon geplant», sagte Lewandowski in Andeutung auf das Auswärtsspiel 72 Stunden später, Dienstagabend in der Champions League bei Lokomotive Moskau – und ergänzte als Begründung, warum er gar so fröhlich vom Rasen tänzelte: «Wenn du siehst, wie es läuft und es 3:0 steht, dann kann man einfach lachen.»
Heiterer Nachmittag für die Bayern
Ja, es war eigentlich ein sehr heiterer Nachmittag für den FC Bayern. Die Befürchtung, nach der Gala gegen Atlético Madrid am Mittwoch nun eine holprige Rückkehr in den Bundesliga-Alltag zu erleben, war schnell dahin. Die Bayern spielten sich wieder einmal in einen Rausch, Lewandowski traf mit links, mit Kopf, mit rechts, zur Abrundung des Vergnügens durften sich dann auch noch zwei Ersatzspieler zu ihren Toren beglückwünschen lassen: Leroy Sané traf nach vier Wochen Verletzung und vier Minuten im Spiel zum 4:0, Jamal Musiala sorgte für den Endstand – womit es bei Abpfiff mal wieder neue Rekorde zu verkünden gab, die 22 Tore der Bayern sind nach fünf Spieltagen in der Bundesliga ebenso eine Bestmarke wie die zehn Tore von Robert Lewandowski.
Alles sehr lustig also. Wäre da nur nicht diese traurige erste Spielminute gewesen: Mit der schlimmen Verletzung von Alphonso Davies, der 19-Jährige war nach nur 50 Sekunden im Mittelfeld umgeknickt und liegen geblieben. Thomas Müller, als einer der Ersten am Unfallort, rief den heranstürmenden Klubärzten in einer Sofortdiagnose zu: «Der Knöchel.» Und so war es auch. Ein gerissenes Band im Sprunggelenk, dazu ein angerissenes, Hansi Flick sprach von einer sechs- bis achtwöchigen Pause. Heißt, die Vorrunde dürfte vermutlich gelaufen sein.
Unter Tränen humpelte Davies, gestützt von den Medizinern vom Platz, sichtlich gezeichnet wirkten auch die Betreuer am Spielfeldrand, allen voran der entsetzte Sportvorstand Hasan Salihamidzic, der sich mit den Händen immer wieder übers Gesicht fuhr. Ein Schock für den FC Bayern, vor allem aber ein ganz bitterer Rückschlag für Davies selbst. Vor genau einem Jahr, noch in den letzten beiden Spielen unter Niko Kovac, hatte er erstmals als Linksverteidiger gespielt. Unter Hansi Flick startete er dort richtig durch, wurde zum Stammspieler und krönte in Lissabon seine überragende Saison mit seinem epischen Sololauf im Viertelfinale gegen den FC Barcelona und mit dem Champions-League-Triumph gegen Paris St. Germain – vor gerade einmal zwei Monaten.
Davies zuletzt mit einem Tief
In dieser Spielzeit aber kam Davies nicht in Tritt, auch im Training vermochte er nicht zu überzeugen. Schnell verlor er seinen Stammplatz an Lucas Hernández. «Er hatte zuletzt ein Tief», sagte Hansi Flick erst vor wenigen Tagen über den 19-Jährigen, «es ist wichtig, dass er wieder in die Spur kommt.» Gegen Frankfurt hätte er dazu die Gelegenheit gehabt, sich zu zeigen, doch nach nicht einmal einer Minute war es mit der ersten schweren Verletzung in seiner jungen Profikarriere schon wieder vorbei.
Auch den Bayern dürfte sein wochenlanger Ausfall weh tun, allerdings haben sie gerade auf der Linksverteidiger-Position auch Optionen. Lucas Hernández findet nach seinem ersten komplizierten Jahr in München zu seiner Stärke und lässt ganz langsam erahnen, warum der Klub im Sommer 2019 mit 80 Millionen Euro eine Rekordtransfersumme an Atlético Madrid überwies.
Außerdem haben sie noch David Alaba. Trainer Flick deutete bereits an, dass auch der derzeitige Abwehrchef mal wieder auf die linke Defensivseite rücken könnte. Im Zentrum gibt es mit Niklas Süle und Jerome Boateng auch ein ordentliches Innenverteidiger-Pärchen, vielleicht wäre das schon eine Variante für Dienstag in Moskau. Dann wollen sie es wieder lustig haben, am besten völlig ungetrübt.
Source: spiegel.de
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