Vor dem Südeingang der Messe Berlin zeigt sich die Ifa am Donnerstagmorgen fast schon selbstironisch. Ein Jazz-Duo steht im Sonnenschein neben dem großen Messe-Logo und spielt entspannt vor sich hin. Es wird gemütlich zugehen dieses Jahr, das scheint die Botschaft zu sein.
Im Coronajahr 2020 ist die Elektronikmesse die einzige ihrer Art, wenn auch nur im Kleinformat. In vier Messehallen und im angrenzenden City Cube gibt es Pressekonferenzen, Vorträge und Messestände. 150 Aussteller sind es geworden, weitere 1400 sind virtuell dabei. Im Vorjahr waren es knapp 2000, die nach Berlin kamen.
Viele große Namen haben beschlossen, nicht zu erscheinen, darunter Samsung, Sony und die Deutsche Telekom. Unter denen, die da sind, sagen manche hinter vorgehaltener Hand, sie verstünden nicht, warum die Messe stattfindet.
Die Frage, die über allem schwebt: Kann das gutgehen? Funktioniert das Hygienekonzept, das Masken nur empfiehlt, aber nicht vorschreibt, und das bis zu 750 Menschen gleichzeitig in den Hallen zulässt?
Ifa-Direktor Jens Heithecker sagt im Gespräch mit dem SPIEGEL: «Natürlich wollen wir, dass sich alle Teilnehmer sicher fühlen und genauso sicher heimfahren.» Dann schaut er sich in der «Media Lounge» um, die zwar groß ist wie ein Hangar, aber weitgehend menschenleer, und ergänzt lachend: «Ich glaube, das Gefühl, dass man hier Platz hat, haben wir schon vermitteln können.» Schnell wird er wieder ernst: «Mit Sicherheit würde es den Erfolg einschränken, wenn wir irgendwelche Vorfälle hätten, gar keine Frage. Wir glauben, dass wir alles getan haben, was man tun kann, insoweit sind wir da optimistisch.» Er sehe das Ganze nicht als Experiment an.
Für eine gewisse Erleichterung sorge bei ihm allerdings auch der derzeitige Verlauf der Pandemie: «Wir haben in den Berliner Krankenhäusern die wenigsten Covid-19-Intensivpatienten, seit ich das verfolge. Und man stirbt offenbar nicht mehr daran, das ist die absolute Ausnahme. Das gibt natürlich mehr Sicherheit. Ja, man kann erkranken, aber das kann man immer.»
Nicht alle hier tragen Masken
Woran misst er den Erfolg der diesjährigen Ifa? Man wolle, sagt Heithecker, die Botschaft aussenden, dass man auch unter Corona-Bedingungen Messen veranstalten kann. «Wir wollen zeigen, dass Messen keine Konzerte oder Partys sind, wo Menschen unkontrolliert zusammenkommen, sondern dass wir das sehr kontrolliert gestalten können», sagt er. Wenn das erst einmal bewiesen sei — vielleicht sogar, dass man an manchen Stellen gar zu vorsichtig war — sei das «ein ganz wichtiges Zeichen, das wir nach draußen senden».
Draußen, damit meint er die Öffentlichkeit, der man «wieder ein gewisses Vertrauen in Formate wie Messen mitgeben» wolle. Er meint die Stadt Berlin und die Region, in der viele Arbeitsplätze an der Messe hängen, auch in Hotels und Taxiunternehmen. Und er meint die eigenen Mitarbeiter, die unter ungewissen Rahmenbedingungen versuchten, die kommenden Messen vorzubereiten, und von denen «der eine oder andere vielleicht auch persönliche Ängste hat».
Auf der Bühne sagt Heithecker am Morgen zur Begrüßung des Publikums: «Die Tatsache, dass wir uns hier heute treffen, gibt uns wenigstens ein Stück Normalität zurück.» Gut 600 Stühle stehen vor ihm, im Abstand von 1,5 Metern, etwa zwei Drittel sind besetzt. Nicht alle hier tragen Masken.
Doch schon die anschließende Keynote von Qualcomm-Präsident Cristiano Amon zeigt, wie weit die alte Normalität entfernt ist. Amons Vortrag über 5G, neue Prozessoren und die zunehmende Vernetzung der Welt wird nur als Aufzeichnung auf den Leinwänden gezeigt. Gegen Ende der Rede ist die Halle fast leer. Die Überdimensionierung führt einerseits zu traurigen Anblicken auf dem Messegelände, andererseits fällt die Einhaltung des Abstandsgebots dadurch tatsächlich leicht.
Auch an den Ständen ist wenig los. Huaweis Präsenz ist noch vergleichsweise stattlich, sieht aber ohne das gewohnte Publikum aus wie ein leergefegtes Smartphone-Geschäft. Gegenüber bei Satisfyer herrscht hingegen ein gewisser Betrieb. Es ist das erste Mal, dass der Sexspielzeug-Hersteller auf der Ifa präsent ist, und vor allem TV-Teams kommen gern vorbei. Annika Traumann, die den Satisfyer-Verkauf in Westeuropa leitet, wirkt nicht unzufrieden: «Ich glaube, es lohnt sich schon, auch für die anderen Marken hier. Der Hunger nach Neuheiten wächst, weil aktuell so wenig los ist in der Wirtschaft. Warum soll man aufhören, sich zu präsentieren, nur weil es ein bisschen kleiner ausfällt?»
Im CityCube suchen derweil kleine Firmen nach Aufmerksamkeit und Geschäftspartnern. Future Candy versucht es mit einem 3D-Drucker, der echte Schokolade zu beliebigen Schriftzügen verarbeitet und noch in diesem Jahr an Konditoren oder Hotels verkauft werden soll. The Little Cat aus Südkorea wiederum hat ein Laufrad entwickelt, auf dem übergewichtige Hauskatzen abnehmen sollen, Fitnessdatenauswertung per App inklusive. «Es sind nur wenige Menschen da», sagt Sooahn Kim von The Little Cat, «aber morgen und Samstag wird es bestimmt besser».
Source: spiegel.de
Комментариев нет:
Отправить комментарий