Zu den ersten Erkenntnissen, die Forscher über das neue Coronavirus sammelten, zählt das besondere Risiko für ältere Menschen. Infizieren sie sich mit Sars-CoV-2 haben sie schwerere Verläufe zu erwarten als Jüngere und die Wahrscheinlichkeit, dass sie mit der Krankheit sterben, ist höher — 85 Prozent aller bisherigen Todesfälle in Deutschland betrafen Menschen über 70 Jahre. Bereits ab einem Alter von 60 steigt das Risiko für tödliche Verläufe deutlich.
Eine kleine Auswertung von Arne Sattler von der Arbeitsgruppe Translationale Immunologie der Charité in Berlin liefert nun weitere Hinweise auf die Gründe für diesen Unterschied. Die neue Untersuchung zeigt, dass ältere Menschen und Personen mit Vorerkrankungen zwar eine höhere Anzahl für die Bekämpfung des Virus wichtiger weißer Blutkörperchen besitzen, diese aber oft nicht mehr richtig funktionieren. Die Studie wurde im «Journal of Clinical Investigation» veröffentlicht.
Konkret geht es um sogenannte T-Helferzellen. Sie steuern die Reaktion unseres Immunsystems auf schädliche Erreger, indem sie von einem Virus befallene Zellen erkennen und andere Teile des Immunsystems anregen, etwa B-Zellen zur Produktion von Antikörpern.
Viele Zellen, kaputte Zellen
Sattler und Kollegen haben die Immunzellen aus dem Blut von 39 Sars-CoV-2-Infizierten isoliert, die in der Charité behandelt worden waren. Anschließend ermittelte das Team zunächst, wie viele der Zellen das neue Coronavirus Sars-CoV-2 erkennen konnten. Dazu ließ es die T-Helferzellen auf typische Proteine der Coronaviren los und beobachteten die Reaktion.
Demnach nahm die Zahl der T-Helferzellen, die das neue Coronavirus erkennen konnten, mit dem Alter und der Ausprägung entscheidender Vorerkrankungen überraschenderweise sogar zu. Ausgerechnet Risikopatienten hatten mehr virusspezifische T-Helferzellen im Blut. Daraus ließe sich leicht schließen, dass T-Helferzellen nichts mit der Schwere der Erkrankung zu tun haben, doch es gibt einen Haken.
Mit fortschreitendem Alter und schwereren Vorerkrankungen produzierten die T-Helferzellen geringere Mengen des Botenstoffs Interferon gamma. Der Botenstoff dient den Immunzellen normalerweise dazu, weitere Teile des Immunsystems gegen den Erreger zu richten, nachdem sie ihn erkannt haben. Ist diese Funktion gestört, wird eine schlagkräftige Immunantwort schwieriger.
«Nicht mehr richtig funktionstüchtig»
«Die übermäßig vielen gegen das neue Coronavirus gerichteten T-Helferzellen, die wir im Blut von Covid-19-Betroffenen mit Risikofaktoren gefunden haben, sind teilweise nicht mehr richtig funktionstüchtig», sagt Sattler. «Die T-Helferzellen werden bei Menschen mit Risikofaktoren gewissermaßen ausgebremst.»
Verantwortlich dafür machen die Forscher ein Protein namens PD-1. Es verhindert eigentlich, dass das Immunsystem überreagiert und sich beispielsweise gegen den eigenen Körper richtet. Die gegen das Virus gerichteten T-Helferzellen von stark erkrankten Covid-19-Patienten bildeten laut Studie allerdings deutlich mehr des Bremsproteins, als es bei Betroffenem mit mildem Verlauf der Fall war.
Das könnte die Bremsfunktion so sehr verstärken, dass die T-Helferzellen ihre Funktion nicht mehr ausreichend erfüllen. Abschließend geklärt ist der Zusammenhang aber noch nicht.
Sattler und Kollegen hoffen dennoch, dass ihre Erkenntnisse helfen, Medikamente gegen Covid-19 zu entwickeln. «Möglicherweise könnten Patienten von Therapien profitieren, die darauf abzielen, die Immunbremse wieder zu lösen.»
Source: spiegel.de
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