Spätestens im Januar dürfte Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas klar geworden sein, dass er, der 84-Jährige, seinen Traum von einem eigenen, souveränen Staat nicht mehr erleben wird. US-Präsident Donald Trump präsentierte der Welt damals seinen lange versprochenen Plan für einen Frieden zwischen Israelis und Palästinensern, seinen «Deal des Jahrhunderts».
Trommelwirbel, Fanfaren — die Militärband spielte «Hail to the Chief», den offiziellen Präsidentensalut, als Trump, rote Krawatte, weißes Hemd, den East Room des Weißen Hauses betrat, begleitet von Israels Premier Benjamin Netanyahu, blaue Krawatte, weißes Hemd. Die Gäste klatschen, darunter Sheldon Adelson, ein ultrakonservativer jüdischer Casino-Mogul und Trump-Großspender sowie die Botschafter aus der Golfmonarchie Bahrain, dem Sultanat Oman und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Palästinenser waren keine da, als ihre Zukunft verkündet wurde.
«Wir sagen tausendmal: nein, nein, nein.»
180 Seiten umfasst das offizielle Exposé der Trump-Regierung, auch eine Karte gehört dazu. Das Westjordanland ist darauf aufgeteilt in drei Kantone, umgeben von israelischen Siedlungen, verbunden nur durch Straßen, Brücken, Tunnel — einer davon soll das Westjordanland mit dem Gazastreifen verbinden.
Im israelisch-ägyptischen Grenzgebiet sollen zusätzlich zwei Wüstenenklaven entstehen, ein Industriegebiet und eine riesige Bonanza, für palästinensische Farmer und ihren Familien. Jerusalem als Hauptstadt der Palästinenser sieht der Plan nicht vor. Sie sollen ihren Traum von einer eigenen Kapitale lediglich im Ostteil verwirklichen dürfen, wo genau dort, das sagte Trump, das sagt auch der Plan nicht.
Die Antwort von Mahmoud Abbas war deutlich. «Wir sagen tausendmal: nein, nein, nein.» Interessiert hat sie diejenigen, die entscheiden, nicht wirklich.
Die Entscheider, das sind neben Donald Trump und Israels Premier Netanyahu auch die gegenwärtig Mächtigen in der arabischen Welt — dazu zählen vor allem Mohammed bin Salman, der saudische Kronprinz, und sein Mentor, Mohammed bin Zayed, Kronprinz von Abu Dhabi und Schattenherrscher der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE).
Dass Mohammed bin Zayed nun seinen Frieden schließt mit Israel, hat vor allem geostrategische Gründe. Der Nahe Osten sortiert sich neu, Sunniten kämpfen gegen Schiiten, der Großkonflikt zwischen Saudi-Arabien und Iran überlagert alles. Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas wirkt da mit seinem Traum vom Nationalstaat wie der Mann, der er ist: ein Autokrat aus dem 20. Jahrhundert, der im Abseits steht.
Abbas ist der politische Erbe von Jassir Arafat, der 2004 verstorbenen palästinensischen Jahrhundertgestalt. Wie Arafat ist auch Abbas kein Demokrat. Seine letzte Amtszeit ist 2009 abgelaufen. Der Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde und Vorsitzende der Fatah-Bewegung fürchtet den Willen des Volkes.
Dass es für die Palästinenser politisch in den vergangenen Jahren nicht vorwärtsging, lag aber nicht allein an Abbas, seinen Streitigkeiten mit der im Gazastreifen herrschenden Terrororganisation Hamas oder israelischem Widerstand, sondern auch an der Lage in der Region: Der Aufstieg der Terrormiliz «Islamischer Staat», die Bürgerkriege in Syrien und in Libyen, der länderübergreifende Machtkampf zwischen Iran und Saudi-Arabien — all diese Krisen und Konflikte waren in den vergangenen Jahren dramatischer.
Das weiß auch Benjamin Netanyahu. Der israelische Premier ist ein guter Geostratege. Er muss das Westjordanland gar nicht annektieren, wie er immer wieder in den zuletzt zahlreichen Wahlkämpfen angekündigt hat, um Abbas den Weg hin zu einem eigenen Staat zu versperren. Das ist de facto bereits längst der Fall:
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Palästina ist zweigeteilt: in den Gazastreifen und das Westjordanland.
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Das Westjordanland wiederum ist zwischen Israelis und Palästinensern in drei Gebiete aufgeteilt : A, B und C.
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Zum A-Gebiet gehören fast alle palästinensischen Städte. Deshalb wohnt dort auch rund die Hälfte aller Palästinenser, obwohl das Gebiet nur etwa ein Fünftel des Westjordanlands umfasst. Hier hat die Palästinensische Autonomiebehörde das Sagen.
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Anders sieht es im gleich großen, aber eher ländlich geprägten B-Gebiet aus. Die Palästinenser müssen sich hier in Sicherheitsfragen mit der israelischen Armee abstimmen.
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Im C-Gebiet, wo die wenigsten Palästinenser leben, ist am meisten Platz. Die Zone umfasst rund 60 Prozent des Westjordanlands. Die Palästinenser haben dort nichts zu sagen. Israel kontrolliert alles und jeden, ist zivile und militärische Ordnungsmacht. Der Grund: Hier liegen die meisten israelischen Siedlungen.
Palästina ist somit ein Staat, der nur in Atlanten und in Kommuniqués existiert. Mahmoud Abbas steht auf verlorenem Posten.
Er hat nun ebenso reagiert wie im Januar: mit einer Dringlichkeitssitzung und öffentlicher Ablehnung. Allein, er dringt nicht durch. Das Ringen der Groß- und Mittelmächte im Nahen Osten überlagert momentan alles. Und dass die Palästinenser bald wieder im Scheinwerferlicht der Weltöffentlichkeit stehen werden, ist mindestens fraglich.
Oman hat den Wandel durch Annäherung zwischen Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten am Freitag offiziell begrüßt und als «historisch» bezeichnet. Es ist nicht auszuschließen, dass in den kommenden Wochen und Monaten ein weiterer Golfstaat einen ähnlichen Schritt wagt.
Der heißeste Kandidat: das Königreich Bahrain, in dem eine sunnitische Herrscherfamilie über eine schiitische Bevölkerungsmehrheit regiert. Der Monarch ist ein treuer Vasall Saudi-Arabiens — und ein Gegner Irans. Der Streit darüber, wo Israelis und Palästinenser zwischen Nablus, Jericho und Hebron leben, Auto fahren und arbeiten dürfen, wird da zur Nebensache.
Source: spiegel.de
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