Football-Spieler setzen bei ihrem Sport ihre Gesundheit aufs Spiel. Sie stürzen sich mit dem Kopf voran in muskelbepackte Wände aus Gegenspielern. Sie sehen über Schmerzen hinweg, solange ihnen nach einem Tackling ausreichend Leute zujubeln. Kein Spieltag vergeht ohne Gehirnerschütterungen, keine Saison ohne verletzungsbedingte Rücktritte.
Aber auch Football-Spieler kennen Grenzen. Während der Coronavirus-Pandemie erklären gerade Dutzende NFL-Profis, dass sie die kommende Saison aussetzen werden. Sie möchten aufgrund von Vorerkrankungen kein weiteres Risiko eingehen, sorgen sich um ihre Familien — oder wollen Menschen helfen wie etwa Duvernay Tardif von den Kansas City Chiefs, der lieber als Arzt arbeiten möchte.
Die sogenannte Opt-out-option ist Teil des neuen Tarifvertrags zwischen der Spielergewerkschaft NFLPA und der Liga. Sie erlaubt es Spielern, ihre Verträge in der Coronakrise ohne weitere Nennung von Gründen einzufrieren. 150.000 Dollar bekommen die Spieler statt ihres vertraglich festgelegten Gehalts, Profis mit Vorerkrankungen erhalten sogar 350.000 US-Dollar. Die Vereinbarung zwischen der NFLPA und der Liga trat am 28. Juli in Kraft. Eine Woche haben die Spieler Zeit zu entscheiden, ob sie temporär aussteigen wollen.
Unter anderen Umständen könnte man von einem bezahlten Sabbatical sprechen — ein Jahr Abstand vom Profisport. Meist stehen jedoch persönliche Schicksale hinter den Entscheidungen.
Family first
So erklärte der Wide Receiver Marquise Goodwin nur rund vier Monate nach seiner Vertragsunterzeichnung bei den Philadelphia Eagles seinen Verzicht auf die Saison. In einem YouTube-Video begründete er seine Entscheidung damit, dass seine Familie an erster Stelle stehe. «Ich werde nicht riskieren, aufgrund einer egoistischen Entscheidung einen weiteren Verlust zu erleiden», sagte Goodwin, dessen Tochter im Februar geboren wurde. 2017 war sein Sohn als Frühchen zur Welt gekommen und gestorben, ein Jahr später verlor seine Frau während der Schwangerschaft Zwillinge.
Auch Linebacker Dont’a Hightower von den New England Patriots wird kommende Saison nicht spielen. Er ist neben Runningback Damien Williams von den Kansas City Chiefs, der im Februar noch zwei Touchdowns im Super Bowl erzielt hatte, einer der prominentesten Aussteiger. Statt Transferticker, wie es sie sonst in der Sommerpause gibt, pflegen US-Medien derzeit Opt-out-Tracker, um alle Spieler aufzulisten, die auf die kommende Saison verzichten.
Besonders hart trifft es dabei die Patriots. Neben Hightower müssen sie ohne sechs weitere Spieler in die neue Saison gehen, darunter auch Star-Safety Patrick Chung. In der ersten Saison nach der Ära Tom Brady, der das Team in Richtung Tampa verlassen hatte, reißt die Opt-out-Option große Löcher in den Kader von Trainer Bill Belichick. US-Experten spekulieren jedoch, dass der 68-Jährige das sogar begrüßt. Belichick gilt als Mastermind der NFL, seit seinem Amtsantritt im Jahr 2000 holte er sechs Super-Bowl-Siege.
Durch die eingefrorenen Verträge verschiebt sich die finanzielle Belastung um ein Jahr nach hinten, sodass die Patriots 2021 mehr Gehaltsspielraum haben. Gleichzeitig soll durch die Folgen der Coronakrise die Gehaltsobergrenze in der NFL erstmals heruntergesetzt werden. Teams werden weniger Geld zur Verfügung haben, um Spieler zu verpflichten — die bereits abgeschlossenen, hoch dotierten Verträge laufen aber noch weiter. Belichicks Patriots könnten im Sommer 2021 einen großen Vorteil auf dem Transfermarkt haben und eine neue Ära einleiten.
Frauen bleiben mal wieder zurück
In der NFL ist es ein Novum, dass die Spieler ihre Gesundheit über die sportlichen Anforderungen stellen dürfen. Das Gleiche gilt auch für Profis in der NBA (Basketball) und der MLB (Baseball). Nur nicht für Frauen. Der Gender-Pay-Gap ist im US-Sport ein großes Thema. Erst im Januar verkündete die Frauen-Basketballliga WNBA stolz einen neuen Tarifvertrag, durch den die Gehälter fast verdoppelt werden, auch Dinge wie Mutterschutz wurden verbessert. Für Spielerinnen mit Vorerkrankungen reicht es während der Coronakrise offenbar nicht mehr.
Elena Delle Donne, die beste Spielerin beim Meister Washington Mystics, hatte ebenfalls einen Opt-out-Antrag gestellt. Seit mehr als zehn Jahren leidet sie unter einem geschwächten Immunsystem, hervorgerufen durch eine Lyme-Borreliose. Ihren Start bei der analog zum NBA-Turnier stattfindenden Saison in Florida hielten ihre Ärzte für unverantwortlich, wie sie in einem Interview mit ESPN sagte.
Eine unabhängige Ärztekommission der Liga lehnte ihr Gesuch dennoch ab. Wenn sie nicht spielen würde, bekäme sie auch kein Gehalt. Erst ein internationaler Aufschrei sorgte dafür, dass sich die Mystics dazu bereit erklärten, Delle Donne auch dann das Geld zu bezahlen, wenn sie nicht auf dem Parkett steht. NBA-Star Kyrie Irving spendete sogar 1,5 Millionen US-Dollar, um Spielerinnen zu unterstützen, die aus Sorge nicht spielen wollen und auf ihr Gehalt verzichten müssen.
Bei den Spielen in Florida steht Delle Donne nun formal im Kader, so will es die Liga. Angereist ist sie jedoch nicht. Mit den 350.000 US-Dollar, die sie in der NFL durch ihre Vorerkrankung als Kompensation bekäme, wäre sie in der WNBA Topverdienerin. Mit Abstand.
Source: spiegel.de
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