суббота, 27 июня 2020 г.

Minderheiten in Indien: Wo Diffamierung und Gewalt Alltag sind

Ninjibhai und seine Frau Meghabais wurden von Mitgliedern ihrer Dorfgemeinschaft brutal angegriffen. Die Männer schleiften Meghabais aus ihrem Haus, bedrohten sie und belästigten sie sexuell. Ihr Mann wurde währenddessen mit Eisenrohren zu Tode geprügelt — weil er es gewagt hatte, als Vorsteher seiner Dorfgemeinschaft zu kandidieren. Der 17-jährige Nitin wurde zusammengeschlagen, gefoltert und an einem Baum erhängt. Sein Vater fand die verstümmelte Leiche. Nitin musste sterben, weil er mit einem Mädchen aus einer höheren Kaste gesprochen hatte.

Bant Singh wurde von einer Gruppe von Männern angegriffen, die mit Eisenstangen, Äxten und Stöcken auf ihn einschlugen. Drei seiner Gliedmaßen mussten amputiert werden. Singh wurde attackiert, weil er Gerechtigkeit für die Vergewaltigung seiner Tochter einforderte. Die Täter stammen aus demselben Dorf wie er.

So erzählen es die Überlebenden und Hinterbliebenen den Fotografen Helena Schätzle und Sudharak Olwe. Und die Liste mit den Geschichten und Namen der Opfer ist noch weitaus länger.

Die Gewalt nimmt zu — auch weil sich die Dalits mittlerweile wehren

Ninjibhai, Meghabais, Nitin und Bant Singh wurden angegriffen, weil sie Dalits sind — Menschen, die im hinduistischen Kastensystem Indiens am untersten gesellschaftlichen Ende stehen.

Seit jeher übten die Dalits Berufe aus, die niemand aus den oberen Kasten übernehmen will. Sie häuteten Tierkadaver, gerbten Leder und stellten Schuhe her. Sie reinigten die Kloaken und beseitigten menschliche Abfälle oder kümmerten sich um die Beisetzung der Verstorbenen. Viele Dalits wurden zudem als Bedienstete von Angehörigen der oberen Kasten angestellt. All diese Berufe und Arbeiten definieren auch heute noch ihren sozialen Status in der indischen Gesellschaft.

Mehr als 240 Millionen Menschen und damit rund ein Fünftel der 1,3 Milliarden Inder gehören der Kaste der Dalits an. Die Mehrheit von ihnen lebt in Armut, sozialer Diskriminierung und wirtschaftlicher Ausbeutung. Obwohl die Rechte der Dalits durch die Verfassung von 1950 enorm gestärkt wurden — Diskriminierung wurde verboten und das Kastensystem offiziell abgeschafft — gehören Diffamierungen, Gewalt und das Ausleben der Kastenzugehörigkeit immer noch zu ihrem Alltag.

Abwertend werden Dalits als die «Unberührbaren» bezeichnet, von denen sich die Angehörigen der oberen Kasten fernhalten, um nicht selbst unrein zu werden. In einer Studie von 2014 gab mehr als ein Viertel der Inder an, dass sie die Diffamierung der «Unberührbarkeit» in irgendeiner Form praktizieren. Die Umfrage wurde landesweit in 42.000 Haushalten durchgeführt. In den vergangenen Jahren ist die Gewalt gegen die Dalits eskaliert. Zwischen 2011 und 2016 zählte das National Crime Records Bureau (NCRB) rund 193.000 Verbrechen gegen sie. Ein sechs- bis achtfacher Anstieg im Vergleich zu den Jahren davor. Die Dunkelziffer ist vermutlich noch höher.

Eine Erklärung für die vermehrte Gewalt: Viele Dalits stehen inzwischen für ihre Rechte ein, verlangen eine gleiche und gerechte Behandlung. Auch wurde eine Quote eingeführt, die den Dalits ungehinderten Zugang zu Bildung und Universitäten ermöglicht. Jedoch führte die Quote landesweit zunächst vermehrt zu Hass, Neid und weiterer Gewalt von anderen Indern, die sich nun wiederum benachteiligt fühlten.

Die Fotografen Helena Schätzle und Sudharak Olwe würdigen mit ihren Bildern die Opfer und Hinterbliebenen der Gewalt und Diffamierung. Die Dalits haben mit der Einführung der Quote oder der Wahl einer der ihren zum Staatspräsidenten Indiens einige Meilensteine erreicht. Doch gerade in ländlichen Gegenden werde die diskriminierende Form der «Unberührbarkeit» noch häufig praktiziert und münde oft in brutaler Gewalt, schreibt Olwe.

Schätzle sieht einige positive Wandlungen und glaubt, dass sich das Bewusstsein ändere und sich die Dalits langsam ihrer Rechte bewusst würden. Doch sei der Hass struktureller Natur und tief in der Gesellschaft und den Menschen verwurzelt.

Laut Olwe komme nun durch die Corona-Pandemie eine weitere Herausforderung auf die Dalits zu: Die Krise könne die Menschen noch verwundbarer machen und ihren sozialen und ökonomischen Status in der indischen Gesellschaft weiter negativ beeinflussen.

Sehen Sie in der Fotostrecke die Geschichten von Angehörigen der Dalits:

Icon: Der Spiegel

Source: spiegel.de

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