Man sieht Partygäste ausgelassen tanzen, auf Tischen, ohne Abstandsregeln einzuhalten. Hip-Hop-Beats wummern durch den Anjuna Beach Club. Die Kamera schwenkt nach draußen auf das Mittelmeer. Nur wenige hätten von dieser Feier am Sonntag in Èze, an der Côte d’Azur zwischen Nizza und Monaco gelegen, etwas mitbekommen. Doch auf einer Instagram-Story des Modedesigners Philipp Plein war ein Partygast zu sehen, der dort eigentlich nicht hätte sein sollen: Alexander Zverev.
Der deutsche Tennisstar ist auf einem kurzen Videoschnipsel klar zu erkennen, doch Plein löschte diese Sequenz wenig später. Zuerst hatte der amerikanische Journalist und Tennis-Experte Ben Rothenberg über Zverevs Verfehlung berichtet. Zunächst war nicht sicher, ob das Video tatsächlich am Sonntag aufgenommen wurde.
Recherchen des SPIEGEL belegen allerdings, dass die Party zu diesem Zeitpunkt in Èze stattfand und dass andere Gäste, die mit Zverev im Video zu sehen sind, in identischer Kleidung auch auf anderen Fotos oder Videos von jener Feier zu erkennen sind. Eine SPIEGEL-Anfrage an das Management des 23-Jährigen blieb bisher unbeantwortet, er selbst hat sich auch nicht geäußert. Aber Zverev wird sich wohl kaum herausreden können.
Einer solchen Party in Zeiten der Corona-Pandemie beizuwohnen, erscheint moralisch zweifelhaft. Zusätzlich brisant ist der Zeitpunkt. Vor etwas mehr als einer Woche war die mittlerweile berüchtigte Adria Tour zu Ende gegangen. Bei diesem Showturnier in Serbien und Kroatien waren Zuschauer zugelassen worden, die Hauptdarsteller um Zverev und Mitorganisator Novak Djokovic mischten sich ohne Social Distancing unter das Volk — und feierten gemeinsam ein rauschendes Fest, als gäbe es keine Pandemie.
Es folgten diverse positive Testergebnisse, darunter die Tennisspieler Djokovic, Grigor Dimitrov und Viktor Troicki, aber auch NBA-Profi Nikola Jokic oder der minderjährige Sohn eines Restaurantbesitzers. Zverev selbst machte im Anschluss einen negativen Corona-Test publik — und entschuldigte sich. «Ich werde die Richtlinien zur Selbstisolation befolgen», schrieb er in einer Mitteilung. Dabei erwähnte er keine Zeitspanne, 14 Tage sind aber nach Kontakt mit Infizierten obligatorisch. Sechs Tage später fand nun die Party von Èze statt.
Rittner über Zverev: «Das ist unverantwortlich»
Dabei steht für Zverev eine Menge auf dem Spiel. Er ist einer der Anführer der sogenannten «Next Generation», die zwar immer noch im Schatten von Djokovic, Roger Federer und Rafael Nadal steht, aber spätestens nach deren Rücktritten die Tenniswelt dominieren möchte. In Deutschland, wo jeder aufstrebende Tennisspieler Vergleiche mit Boris Becker ertragen muss, bekam Zverev in der Vergangenheit — gemessen an seinen Erfolgen — zu wenig Anerkennung. Mal wird ihm Arroganz vorgeworfen, mal die noch fehlenden Grand-Slam-Titel. Sein früheres Management hatte das billigend in Kauf genommen, denn international ist die Wahrnehmung Zverevs deutlich positiver.
Mit dem Wechsel zu Federers Agentur Team8 im vergangenen September sollte sich die Ausrichtung ändern, mehr in Richtung Deutschland gedacht werden. Als der Rechtshänder im Januar bei den Australian Open erstmals das Halbfinale erreichte, bekam Zverev auch in Deutschland mehr Anerkennung. Dann kam das Coronavirus und der globale Tennis-Zirkus stand still. Frühestens im August soll wieder um Weltranglistenpunkte gespielt werden. Bis dahin gibt es nur Show- oder Einladungsturniere wie das von Djokovic in Belgrad oder vom 13. bis 19. Juli in Berlin.
Die dortige Turnierdirektorin Barbara Rittner hat eine klare Haltung zum Geschehen um Zverev: «Ich sehe das Verhalten von Alexander Zverev sehr kritisch», sagt Rittner dem SPIEGEL. «Das ist unverantwortlich, respektlos, ignorant, arrogant und er lässt seinen Worten nach der Adria Tour keine Taten folgen.»
Während Federer seine Saison wegen einer Knie-OP bereits beendet hat und Nadal derzeit ebenfalls nicht als Tennisspieler in Erscheinung tritt, leistet sich Zverev innerhalb weniger Tage einen Image-Doppelfehler. Djokovic ist seit der Adria Tour abgetaucht.
Kyrgios ist «angepisst» von der Tenniswelt
Derzeit ist noch nicht klar, ob er in Berlin teilnehmen wird, wie das ursprünglich geplant war. «Wir bei den Bett1 Aces besprechen das und werden uns sicher mit seinem Management darüber austauschen», sagt Rittner, die als Head of Women's Tennis in Deutschland Zverevs Verhalten auch aus der Perspektive des Deutschen Tennis Bundes betrachtet, ohne in dieser Funktion gesprochen zu haben: «Sascha hat eine Vorbildfunktion, über die er sich bewusst werden muss. Wir sprechen da von einem klaren Regelverstoß. Ich bin nicht diejenige, die ihn darauf hinweisen muss. Das ist sein Umfeld und sein Management», sagt Rittner.
Deutlich kritisiert wird Zverev auch von Nick Kyrgios. Der Australier hatte sich schon nach der Adria Tour als einer der wenigen Profikollegen klar positioniert — und legte nun nach. Bei Instagram warf der 25-Jährige, der sich in den vergangenen Jahren auf den Courts dieser Welt den Ruf eines Rüpels erworben hat, Zverev Egoismus vor: «Ich bin angepisst von dieser Tenniswelt», sagt Kyrgios in einem Video.
Doch handelt es sich wirklich um ein Tennis-Problem? Es wäre verfrüht, eine ganze Sportart wegen der Verfehlungen Einzelner an den Pranger zu stellen. Die Adria Tour von Djokovic, der im Tennis bereits alles erreicht hat, oder Zverevs Partyverhalten werden auch keinen Einfluss auf die Rückkehr des Sports haben. Das ohnehin strenge Hygienekonzept der US Open Ende August soll laut Veranstalter womöglich noch mal angepasst werden.
Mehr als für das Tennis steht gerade viel für Alexander Zverev auf dem Spiel.
Source: spiegel.de
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