Moderne Fernseher können weit mehr als nur TV-Sendungen anzeigen: Sogenannte Smart-TVs sind leistungsfähige Multimedia-Maschinen mit eigenen Betriebssystemen, App-Stores und Sprachassistenten. Der Markt mit diesen Internetfernsehern boomt.
4,1 Millionen Smart-TVs sind hierzulande allein in diesem Jahr verkauft worden. Laut dem Branchenverband Deutsche TV-Plattform liegt der Marktanteil vernetzter Fernseher mittlerweile bei 88 Prozent und somit fünf Prozent höher als im vergangenen Jahr. Laut dem Verband ist der Grund für den Erfolg der Smart-TVs, dass Kunden die Wahl haben und sowohl lineares TV-Programm anschauen als auch Streaming-Apps verwenden können.
Doch wer denkt an die Kunden, die solche smarten Internetfunktionen gar nicht brauchen? Was ist mit den Zuschauern, die einfach nur ihre Playstation, ihre Xbox, ihr Apple TV oder ihren Amazon Fire-TV-Cube per HDMI-Kabel mit dem Fernseher verbinden wollen? Ohne Apps und ohne Internet-Schnickschnack? Diese Käufer haben es auf der Suche nach einem passenden Gerät nicht leicht.
Das Geschäft mit den Nutzerdaten
Die großen Hersteller haben sich längst abgewendet vom Offline-TV. Von smarten Funktionen auf dem Fernseher profitieren schließlich nicht nur die Kunden, sondern auch die Hersteller: Einige der smarten Fernseher spionieren Sehgewohnheiten der Nutzer für Werbezwecke aus und blenden teilweise personalisierte Anzeigen direkt im TV-Menü ein. Der Netzanschluss macht es möglich.
Wer darauf verzichten will, fragt sich, wie Internetaktivist Frank Rieger, zurecht: «Gibt es eigentlich aktuelle Fernseher ohne diese ‘Smart’-Seuche mit Spyware, Kamera, Mikrofonen?» Eine Auflösung von 4K sollte das Gerät beherrschen, größer sein als 40 Zoll und eine zeitgemäße Display-Technologie mitbringen.
In den Antworten empfehlen einige Twitter-Nutzer, die Suche direkt aufzugeben und lieber den Stecker zu ziehen. Warum nicht einfach die Funkverbindung zum Router zu kappen, wenn man darauf verzichten kann, seine Online-Serien direkt auf dem Fernseher abzuspielen? Dann ist das TV-Gerät praktisch blind und zeigt wirklich nur noch das an, was die TV-Sender per Kabel oder Antenne senden. Zudem müsste man beim Kauf eines Offline-TV Geld sparen können, weil dessen Ausstattung spartanischer wäre als bei einem Smart-TV.
Wer wirklich nur ein TV-Gerät ohne Internetfunktionen kaufen will, hat gute Chancen in der Abteilung für Computerbildschirme. Dort ist klar: An diesen Displays hängt fast immer ein Computer, der mit dem Internet verbunden ist. Solche Monitore sind in der Regel simpel ausgestattet, mit Anschlüssen für Strom und Bildsignal. Während eine Ultra-HD-Auflösung problemlos zu finden ist, wird hier die Größe zum Problem. Monitore mit mehr als 55 Zoll sind Mangelware. Schließlich nehmen Riesen-Displays mit einer Bildschirmdiagonale von 1,40 Meter auf dem Schreibtisch ziemlich viel Platz weg.
Smarte Funktionen sind Standard
Bei TV-Geräten hingegen geht der Trend deutlich zu 65 Zoll und mehr. Bei den großen TV-Herstellern sieht es allerdings so aus, als würde in dieser Größenordnung eine Internetpflicht gelten. Kaum ein Unternehmen hat noch Geräte ohne Smart-Funktionen im Programm.
Auf die Frage, ob es bei Sony überhaupt noch 4K-Fernseher ab 55 Zoll ohne Internetfunktionen im Sortiment gebe, antwortet ein Sprecher auf SPIEGEL-Anfrage mit einem klaren «Nein». Sony setze auf eine hohe Funktionsvielfalt durch Dienste wie Video-on-Demand und Online-Bibliotheken, um «den modernen Ansprüchen unserer Kunden gerecht» zu werden.
Außerdem würden per Internet eingespielte Updates für mehr Sicherheit und zusätzliche Funktionen sorgen. Zu beachten sei, dass die Fernseher auch ohne Internetanschluss genutzt werden können, sagt der Sprecher. «Eine solche Möglichkeit bietet jeder TV im Sortiment von Sony.»
Auch bei Samsung geht ohne Internet nichts mehr. Ein Sprecher sagt: «Fernsehen wird heute dann geschaut, wenn es den Menschen passt.» Daher sei jeder neue TV von Samsung mit smarten Funktionen ausgestattet, um etwa Videos aus dem Netz abzurufen. «Die große Mehrheit der Kunden erwartet das einfach.» Doch auch hier gilt: Auch die Fernseher von Samsung funktionieren grundsätzlich ohne Internetverbindung.
Wer jegliche Online-Ausstattung ablehnt, wird bei den Platzhirschen auf dem TV-Markt nicht fündig. In den USA gibt es Unternehmen wie Sceptre und Onn, die Fernseher ohne Netzanschluss anbieten. Diese Modelle sind hierzulande jedoch kaum zu bekommen.
In Deutschland listet das Unternehmen Medion aus Essen aktuelle 4K-Fernseher ohne Internetanschluss auf. Die Aldi-Marke führt zwei Modelle in den Größen 55 und 65 Zoll, die ohne jegliche Netzfunktionen auskommen.
Start-Up setzt auf Offline-TVs
Ein Blick nach Österreich zeigt allerdings einen anderen Trend: Das Start-Up Nogis hat aus Offline-Fernsehern ein Geschäftsmodell gemacht. Den Geräten fehlen zwar moderne Anschlüsse wie HDMI 2.1 und Bildverbesserungen wie Dolby Vision, aber die Auflösung ist mit 4K zeitgemäß und Größen von bis zu 75 Zoll sind geplant.
Die Idee: Kunden in Österreich sollen sich die Rundfunkgebühren sparen, da den TVs nicht nur der Internetanschluss fehlt, sondern auch keine Kabel- und Antennen-Tuner eingebaut sind. Externe Streamingboxen sind in Österreich gebührenfrei. In Deutschland ist das anders, da die Gebühren pro Haushalt erhoben werden. Dennoch gebe es viele deutsche Kunden, obwohl man nie Werbung außerhalb Österreichs geschaltet habe, sagt Nogis-Chef Thomas Höffinger dem SPIEGEL.
«Die meisten Kunden streamen ja schon lange», sagt Höffinger. Daher gebe es in vielen Haushalten bereits einen Laptop oder eine Spielekonsole für das Videosignal. «Dadurch macht ein Smart TV für unsere Kunden schon mal wenig Sinn.» Auch müsse sein Unternehmen nicht wie andere Hersteller das Geld mit Kundendaten verdienen. «Wir verdienen ausschließlich mit dem Verkauf unserer TVs.»
Source: spiegel.de
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