An dem Besuch des sachsen-anhaltischen Ministerpräsidenten Reiner Haseloff (CDU) in der jüdischen Gemeinde in Halle gibt es Kritik. Der Regierungschef hatte die Synagoge am Montag zu Jom Kippur besucht, dem höchsten jüdischen Feiertag.
Auf Twitter wirft die österreichische Besucherin Christina Feist neben Haseloff auch Halles Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos) und dem Opferbeauftragten Edgar Franke (SPD) vor, die Feierlichkeiten mit ihrem Auftritt gestört zu haben. Diese hätten sich nicht an die jüdischen Verhaltensregeln gehalten. Ein christlicher Vertreter hätte zudem Bemerkungen zu Ausschnitten der Thora-Lesung gemacht. «Ich habe fassungslos und irritiert den Gebetsraum verlassen», schreibt Feist, die als Nebenklägerin im Prozess gegen den Attentäter Stephan Balliet vertreten ist.
Haseloff und die anderen Redner hätten die Zeremonie etwa um 12 Uhr gestört, was genau der Zeitpunkt gewesen sei, als im vergangenen Jahr der Attentäter versucht habe, in die Synagoge einzudringen. Bei dem Auftritt der Besucher habe es sich um ein «PR-Schaustück der christlichen Mehrheitsgesellschaft gehandelt». Ebenfalls kritisiert sie einen Satz, den Haseloff in seiner Rede gesagt habe: «Was letztes Jahr geschah, wäre nicht passiert, wenn es mehr Versöhnung gegeben hätte.»
Der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde, Max Privorozki, weist die Kritik zurück. Man habe die Uhrzeit so mit dem Ministerpräsidenten verabredet. «Ich habe keine Kritik an Herrn Haseloff und kann nur dementieren, was Frau Feist auf Twitter sagt. Wir sind sehr froh über den Besuch des Regierungschefs», so Privorozki. Ob Herr Haseloff von Versöhnung gesprochen habe, daran könne er sich nicht erinnern. «Das wäre sicher etwas missverständlich.»
Ein Sprecher der sachsen-anhaltischen Staatskanzlei sagte dem SPIEGEL zu dem PR-Vorwurf, man habe zu dem Termin keine Pressearbeit gemacht. Und in Bezug auf den Begriff «Versöhnung»: «Herr Haseloff meinte mit dem Begriff Versöhnung nicht das Verhältnis von Juden und Christen, sondern sprach von dem Attentäter und dessen Umfeld.» So habe der Prozess die Erkenntnis gebracht, dass der Attentäter schon in der Jugend ein Einzelgänger gewesen sei und sein Umfeld diese Unversöhnlichkeit mit ihm bestehen gelassen habe.
Der SPD-Politiker Igor Matviyets, der ebenfalls Mitglied der jüdischen Gemeinde in Halle ist, findet die Wortwahl unglücklich. «Das Wort ‘Versöhnung’ in diesem Kontext ist einfach irritierend. Es entsteht der Eindruck, dass da ein Papa zwei streitende Kinder, also hier Jüdinnen und Nazis, zum Frieden ermahnt. Stattdessen sollte der Ministerpräsident auch seine eigene Verantwortung erkennen und das gesellschaftliche Klima in Sachsen-Anhalt thematisieren», sagt er. Auch der Berliner Lyriker und Buchautor Max Czollek kritisiert die Aussage von Haseloff:
«Auch wenn er den Satz nicht so gemeint hat, zeigt sich ja, dass ihn manche so verstehen konnten. So ein Satz in diesem Kontext verbietet sich einfach», sagt die Linken-Landtagsabgeordnete Henriette Quade.
Auf Twitter warf Christina Feist dem Ministerpräsidenten zudem vor, er sei mit einem Handy in der Hand zum Termin gekommen, obwohl die Nutzung technischer Geräte in der Synagoge bei der Feier von Jom Kippur untersagt sei. Haseloffs Sprecher sagte dazu, der Ministerpräsident habe nicht ein Handy in der Hand gehabt, sondern eine Bibel.
Source: spiegel.de
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