Der Hoeneß-Faktor: In der vergangenen Saison war Sebastian Hoeneß, Sohn von Dieter, Neffe von Uli, noch Trainer der U23-Mannschaft des FC Bayern. Jetzt trägt er die Verantwortung bei der TSG Hoffenheim und hat für alle folgenden Gegner die Blaupause geliefert, wie man den Münchnern beikommen kann, wenn sie schwächeln: das Mittelfeld verdichten, mit (Gegen-)Pressing nerven, bei Ballgewinnen mit Geschwindigkeit umschalten und die hohe Abwehrlinie überspielen, Standards ausnutzen. Die Leipzigs, Leverkusens, Gladbachs und Dortmunds dieser Welt werden aufmerksam zugeschaut haben.
Das Ergebnis: Die TSG Hoffenheim hat den FC Bayern München 4:1 (2:1) besiegt und die Münchner Serie von 32 Pflichtspielen in Folge ohne Niederlage beendet. Hier geht es zum Spielbericht.
Starker Wechselwille: Bayern-Trainer Hans-Dieter Flick, der wie Serge Gnabry und David Alaba eine Hoffenheimer Vergangenheit aufweist, wollte die Müdigkeit nach den 120 Minuten im Supercup gegen den FC Sevilla durch personelle Frische auffangen: Jérôme Boateng, Corentin Tolisso, Alphonso Davies und Joshua Zirkzee standen neu in der Startelf, dafür rotierte unter anderem Robert Lewandowski raus.
Die erste Hälfte: Die Bayern setzten sich von Beginn an in der gegnerischen Hälfte fest, ohne Gefahr zu entwickeln. Diese entstand auf der anderen Seite: In der 17. Minute wuchtete Ermin Bicakcic eine von Dennis Geiger geschlagene Ecke per Kopf ins Netz, die Rettungsaktion von Davies auf der Torlinie blieb ertragslos. Dann drängte Andrej Kramaric Bayern-Abwehrspieler Benjamin Pavard zu einem Fehlpass, den TSG-Stürmer Munas Dabbur erlief und mit einem Lupfer ins Tor veredelte (24. Minute). Die Bayern wackelten, Christoph Baumgartner (30.) und Kramaric (31.) vergaben weitere Möglichkeiten. In der 36. Minute zirkelte Joshua Kimmich den Ball zum 2:1 ins Torkreuz — es war die erste und einzige Chance des FCB im ersten Durchgang. Hoffenheim machte das weiterhin klasse und traf durch Kramaric noch die Latte (45.).
Die zweite Hälfte: Dabbur vergab in der 51. Minute gleich zweimal das mögliche 3:1 für die Hoffenheimer, die in der 57. Minute Glück hatten, dass Zirkzee nur die Latte traf. Flick brachte in dieser rasanten Partie nun Lewandowski und Leon Goretzka, doch auch Hoeneß blieb mutig und gab seinem Team mit der Hereinnahme von Mijat Gacinovic und Ihlas Bebou offensive Signale für Schlussphase mit auf den Weg. Signale, die seine Mannschaft zu deuten wusste: In der 74. Minute legte Kramaric im gegnerischen Strafraum quer auf Robert Skov, dessen Schuss Manuel Neuer mit einer starken Fußabwehr parieren konnte. Drei Minuten später verzichtete der Kroate auf eine erneute Ablage, sondern setzte den Ball lieber selbst ins linke Eck — 3:1. Es war der vierte Saisontreffer von Kramaric, der in der Nachspielzeit den fünften nachlegte: Bei einem Konter kam Neuer zu spät aus seinem Tor und foulte Bebou, Kramaric verwandelte den fälligen Strafstoß perfekt unter die Latte (90.+2).
6030: So viele Menschen durften beim ersten Heimspiel der TSG ins Stadion. Wie schon andernorts war die Atmosphäre trotz der vergleichsweise geringen Zuschauerzahl prickelnd, auch die Spieler dürften es genossen haben, mal wieder zünftig angefeuert und ausgepfiffen zu werden. Und auch für die Gegner des ergebnisunabhängigen Supports dürfte eine solche Atmosphäre Wasser auf die Mühlen sein. Womöglich lässt sich da bei der hoffentlich eher früher als später stattfindenden Rückkehr aller Fans etwas herüberretten. Es wäre nicht zum Schaden der Liga.
Die TSG rollt: Pokalsieg in Chemnitz, Bundesligaauftaktsieg in Köln, nun der Sieg gegen die Bayern. Der Wechsel auf der Trainerbank war ein Risiko, das sich ausgezahlt hat. «Extrem akribisch, sehr ehrgeizig», so bezeichnete Hoffenheims Direktor Profifußball, Alexander Rosen, den neuen Coach nach dem Spiel. Auf den neuen Spitzenreiter warten nun weitere schöne Aufgaben, zunächst geht es nach Frankfurt, dann kommt Borussia Dortmund zur TSG. Und da wartet ja auch noch die Europa League.
Die Bayern brauchen Luft: Seinen Beziehungsstatus mit dieser Saison sollte der FC Bayern auf «kompliziert» ändern. Für Flicks Pressingsystem bedarf es einer hohen Intensität und voller Tanks. Gerade mal ein paar Tage hatte sein Team nach dem Champions-League-Sieg Pause, aktuell folgt Spiel auf Spiel, eine Winterpause wird es nicht geben. Es bedarf bei einem aktuell zu kleinen Kader Zugänge und es bedürfte Zeit zum Durchschnaufen, die es nicht gibt. Am Mittwoch wartet mit dem Supercup und Borussia Dortmund (20.30 Uhr, Liveticker SPIEGEL.de) bereits die nächste Aufgabe.
Source: spiegel.de
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