Das Coronavirus beeinträchtigt die Abläufe in der Europäischen Union massiv: Ministertreffen und sogar Gipfel der Staats- und Regierungschefs konnten zeitweise nur noch virtuell stattfinden. Zwar gibt es inzwischen wieder persönliche Treffen – doch zahlreiche Sitzungen, auch mit brisanten Inhalten, finden weiter virtuell statt. Das Problem: Es mangelt offenbar an abhörsicherer Technik.
Das EU-Ratssekretariat will deshalb ein System aufbauen, das virtuelle Tagungen bis zur zweithöchsten Geheimhaltungsstufe «EU Secret» erlaubt, heißt es in einem vertraulichen Schreiben des Auswärtigen Amts («Verschlusssache – nur für den Dienstgebrauch»), das dem SPIEGEL vorliegt. «EU Secret» umfasst Informationen, deren Weitergabe der Sicherheit und den Interessen der EU und ihrer Mitgliedsländer «schweren Schaden» zufügen kann. In Deutschland entspricht dies der Stufe «geheim». Darüber gibt es nur noch «streng geheim» oder «top secret».
Allerdings soll das System (Anschaffungskosten: 2,5 Millionen Euro) erst in 18 bis 24 Monaten bereitstehen. Bis dahin, so schreibt das Auswärtige Amt (AA), müssten Sitzungen der EU-Ministerräte notgedrungen weiterhin «in offenen Videokonferenzen» mit kommerzieller Verschlüsselung stattfinden, «um unter aktuellen Pandemiebedingungen die Arbeitsfähigkeit des Rates nicht zu gefährden».
Wer hört bei virtuellen Sitzungen mit?
Wie sicher das neue Videokonferenz-System wirklich sein wird, hängt dem Papier zufolge nicht nur von der Technik in Brüssel ab – sondern auch «von der Sicherheit der Verbindungen der einwählenden Teilnehmer». Hier sieht das AA offenbar Lücken: In allen 27 EU-Staaten seien Investitionen fällig, um die Stufe «EU Secret» zu erreichen.
Bedenken wegen der Geheimhaltung bei Videokonferenzen gibt es zudem nicht nur aus technischen Gründen. Diplomaten beklagen, in den virtuellen Runden könne niemand sehen, wer bei den anderen Teilnehmern außerhalb des Kamerawinkels sitze und zuhöre. Deshalb sei schon bei den virtuellen EU-Gipfeln vorsichtig geredet worden, sagt ein Brüsseler Diplomat: «Es haben mit ziemlicher Sicherheit mehr Leute als zugehört als bei einem normalen Gipfel.»
Telefonate sollen indes schneller sicherer werden als die Videokonferenzen. Schon im kommenden Jahr könne die Telefonie-Sicherheit dank eines neuen Systems ebenfalls auf «EU Secret»-Niveau angehoben werden, so das AA. Außerdem sollen Führungsspitzen der EU und der Mitgliedstaaten, hohe Beamte und Delegationen Mobilgeräte für sichere Telefonie und SMS bekommen, «um ein einheitliches System zu schaffen».
Sparen wollen ausgerechnet die Deutschen: Sie fordern, dass für die beiden untersten von vier Geheimhaltungsstufen («Nur für den Dienstgebrauch» und «vertraulich») aus Kostengründen weiterhin die alte Technik zum Einsatz kommt.
Source: spiegel.de
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