Der Militärische Abschirmdienst (MAD) hat seine Ermittlungen gegen rechtsextreme Soldaten nach SPIEGEL-Informationen deutlich ausgeweitet. In einer vertraulichen Sitzung des Verteidigungsausschusses berichtete das Verteidigungsministerium, der MAD bearbeite derzeit 712 sogenannte Verdachtsfälle Rechtsextremismus. Seit August ist die Zahl damit von 638 um gut zehn Prozent gestiegen.
Als Verdachtsfall stuft der MAD Soldaten ein, gegen die entweder eigene Erkenntnisse vorliegen oder die von Kameraden wegen einer extremistischen Haltung gemeldet worden sind. Bestätigt sich der Verdacht durch die Ermittlungen des Truppengeheimdienstes, strebt die Bundeswehr Disziplinarverfahren gegen die Soldaten an. In besonders schweren Fällen können die Verfahren zum Ausschluss aus der Truppe führen.
Das Ministerium führt die gestiegene Zahl an Hinweisen auf die bekannt gewordenen Skandalmeldungen aus dem Kommando Spezialkräfte (KSK) zurück. Im Ministerium glaubt man, dass schon die breite Berichterstattung dazu führt, dass sich Soldaten an den MAD wenden und verdächtige Kameraden melden. Einen ähnlichen Effekt hatte man nach dem Fall Franco A. registriert.
Trauriger Höhepunkt der Enthüllungen im Umfeld des KSK war die Festnahme des Ausbilders Philipp Sch., bei dem Fahnder im Mai ein im Garten verstecktes Waffenlager mit Tausenden Schuss Munition, zwei Kilo Plastiksprengstoff und reichlich Nazi-Devotionalien gefunden hatten. Laut dem Ministerium haben sich in dem Fall die Hinweise auf seine rechtsextreme Gesinnung mittlerweile bestätigt.
Vor allem der Fund von zwei Kilogramm Plastiksprengstoff aus Bundeswehrbeständen im Garten von Sch. besorgt die Ermittler massiv. Mittlerweile geht man davon aus, dass Sch. den Sprengstoff bereits 2015 bei einer Übung entwendet hat. Im Ausschuss hieß es dazu, in der entsprechenden Sprengkladde seien Unregelmäßigkeiten entdeckt worden.
Nach der Festnahme hatte sowohl Ministerin Annegret Kramp-Karrenbauer als auch der KSK-Kommandeur an seine Einheit appelliert, endlich ihr Schweigen zu brechen. Erste Erfolge sind laut Ministerium bereits sichtbar. Zum Beispiel hätten einige KSK-Soldaten erstmals detailliert über eine Party für einen Kommandeur ausgesagt, bei der im April 2017 Rechtsrock gelaufen und der Hitler-Gruß gezeigt worden sein soll.
Kramp-Karrenbauer hatte dem KSK kurz nach der Festnahme eine radikale Reform auferlegt. Die zweite Kompanie der abgeschotteten Einheit, die für Geiselbefreiungen aufgestellt worden ist, wurde aufgelöst, da sich Verdachtsfälle dort gehäuft hatten. Am KSK-Standort in Calw ist der MAD seitdem im Dauereinsatz. Allein in den letzten Wochen seien über 150 Vernehmungen durchgeführt worden, so das Wehrressort.
Vertrauliche Unterlagen weitergegeben
Hinter verschlossenen Türen musste das Ministerium am Mittwoch auch neue Details zu einer Panne beim MAD einräumen. Kurz nach der Festnahme von Sch. war herausgekommen, dass ein Oberstleutnant aus der Extremismusabteilung eine geheim eingestufte Bildermappe von dem entdeckten Waffenlager an einen KSK-Mann weitergegeben hatte, den er aus früheren Zeiten bei der Bundeswehr kannte.
Bisher hieß es zu dem Fall, der mittlerweile suspendierte Oberstleutnant habe nur prahlen wollen. Nun allerdings kam heraus, dass die Bildermappe innerhalb des KSK an mindestens zwei Soldaten weitergereicht wurde, die ihrerseits als Verdachtsfall eingestuft sind. Die Causa ist heikel, da Sch. für den Munitions- und Sprengstoffdiebstahl Mitwisser oder Komplizen in seiner Einheit gehabt haben muss.
Daneben berichtete das Ministerium, dass der MAD die Kooperation mit dem Verfassungsschutz und dem Bundeskriminalamt (BKA) ausweiten will. Dazu hätten die Präsidenten der Organisationen in den vergangenen Monaten eine neue Vereinbarung unterzeichnet. Zudem soll der MAD die Möglichkeit bekommen, eigene Fälle in das Nachrichtendienstliche Informationssystem (NADIS) einspeisen zu können.
Auch bei den Reservisten, die nach ihrem Wehrdienst temporär zur Bundeswehr zurückkehren, will das Ministerium genauer hinsehen. Im Ausschuss hieß es, für Reservisten solle zumindest eine Sicherheitsüberprüfung der Stufe eins durchgeführt werden. Soldaten in besonders heiklen Einheiten wie dem KSK sollen die bisherigen Überprüfungen der Stufe drei straffer organisiert werden.
Source: spiegel.de
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