Der Jugendliche steht mit dem Rücken zur Wand, auf der Mauer steht: «I can’t breathe». Er ist umzingelt von Polizisten, die Stimmung ist angespannt. Was dann geschieht, sorgt zurzeit für Diskussionen in Hamburg. Auf Handyvideos, die über Twitter verbreitet wurden, ist zu sehen, wie bis zu vierzehn Beamte an dem Einsatz gegen den Jugendlichen beteiligt sind. Schließlich ruft er: «Ich krieg keine Luft.»
In einer längeren Fassung des Videos ist zu erkennen, dass der Jugendliche sich zuvor gegen zwei Polizistinnen und zwei Polizisten heftig gewehrt hat, und sie immer wieder kräftig zur Seite schubst. Ein Beamter zückt einen Schlagstock und schlägt schließlich zu, als der junge Mann ohne sich zu wehren, vor der Wand steht. Dann rückt Verstärkung an, insgesamt sind am Ende mindestens zwölf Beamtinnen und Beamte im Einsatz. Der groß gewachsene junge Mann, der nach Polizeiangaben 15 Jahre alt ist, wehrt sich weiter, einer der Beamten schreit den jungen Mann wiederholt an: «Auf den Boden!».
Eine Zeugin ist zu hören, wie sie die Beamten auffordert, ruhig zu bleiben. Schließlich überwältigen die Beamten den Mann und halten ihn am Boden fest.
In sozialen Medien wurde heftig über den Einsatz diskutiert und der Polizei teils unverhältnismäßige Gewalt vorgeworfen. Dabei war vor allem eine kürzere Fassung des Videos zu sehen, die nicht zeigt, wie der junge Mann anfangs die vier Beamten schubst. Die Flüchtlingshilfeorganisation Seebrücke erklärte, dieser Vorfall sei nur einer in einer ganzen Reihe ähnlicher Übergriffe, «die immer wieder von der Hamburger Polizei gegen Persons of Color verübt werden».
Die Polizei teilte am Dienstagmittag mit, der Vorfall habe sich am Vortag ereignet, als ein Stadtteilpolizist den Jugendlichen kontrollieren wollte, der ihm in den vergangenen Tagen bereits mehrfach aufgefallen war. Der Jugendliche habe mit einem Elektroroller wiederholt verbotswidrig den Gehweg benutzt. Der Jugendliche kam demnach der Aufforderung, sich auszuweisen, nicht nach.
Es seien dann zunächst drei weitere Beamte dazugekommen. Eine erneute Befragung nach seinen Personalien habe nichts gebracht, und der Jugendliche habe beim Ergreifen durch die Einsatzkräfte mit den Armen um sich geschlagen, die Beamten von sich weggeschubst. Deshalb seien zum Überwinden des Widerstandes weitere Beamte hinzugerufen worden. Hier setzte das veröffentlichte Video ein. Im weiteren Verlauf hätten die Beamten versucht, mit einfacher körperlicher Gewalt gegen «den sehr großen und starken Jugendlichen» vorzugehen und ihn mit zum Kommissariat zu nehmen.
Polizei sieht sich in «ständigem Spannungsfeld»
Letztlich sei Pfefferspray eingesetzt worden, was zuvor angekündigt worden sei. Danach sei es den Beamten gelungen, den Jugendlichen auf dem Boden zu halten und zu fesseln. «Dabei wurden die Einsatztechniken so kontrolliert, dass es dem Jugendlichen jederzeit möglich war, zu atmen», hieß es weiter. Es ist indes der dritte Vorfall innerhalb kurzer Zeit, bei dem Amateuraufnahmen Szenen mutmaßlicher Polizeigewalt in deutschen Großstädten zeigen. Bereits an den Vortagen kursierten in den sozialen Netzwerken Videos von harten Einsätzen in Düsseldorf und Frankfurt am Main — dort wurden inzwischen auch dienstrechtliche Maßnahmen gegen einen Beamten ergriffen.
Mehrere Anwohner beurteilen das Verhalten der Polizei als unverhältnismäßig und maßlos. Der Jugendliche sei offensichtlich mit der Situation überfordert gewesen, sagt eine Augenzeugin. Sie verstehe nicht, warum man mit zwölf Beamten einen Jugendlichen überwältigen müsse. Ein Angestellter eines benachbarten Geschäfts fragt sich, warum die Polizei einen Jugendlichen wegen einer Ordnungswidrigkeit anbrülle und überwältige, anstatt in Ruhe zu reden oder die Eltern zu kontaktieren.
Die Polizei betonte: «Grundsätzlich ist die Polizei in einem ständigen Spannungsfeld, wenn Zwangsmaßnahmen gegen Personen durchgeführt werden, die körperlich sehr groß und stark sowie erkennbar jugendlich sind.» Das Video zeige deutlich, dass die Polizisten gewillt waren, den Widerstand mit einfacher körperlicher Gewalt zu beenden und den Jugendlichen zu Boden zu bringen. «Solche Einsätze erzeugen häufig Bilder, die Fragen aufwerfen.» Der Einsatz werde vom Dezernat Interne Ermittlungen überprüft.
Source: spiegel.de
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