четверг, 9 июля 2020 г.

Wirecard: Geldwäschekontrollen waren bis zur Pleite strittig

Muss Wirecard auf Geldwäsche kontrolliert werden — und falls ja: von wem? Trotz frühzeitiger Verdachtsmeldungen war diese Frage offenbar bis zur skandalträchtigen Pleite des Zahlungsabwicklers nicht abschließend geklärt.

«Die Frage der Verpflichteteneigenschaft der Wirecard AG im Sinne des Geldwäschegesetzes wurde ab dem 25.02.2020 bis zum 25.06.2020, dem Tag der Anmeldung der Insolvenz, zwischen der Regierung von Niederbayern und der BaFin diskutiert», heißt es in einer Antwort des bayerischen Innenministers Joachim Herrmann an den Landtagsabgeordneten Harald Güller (SPD), die dem SPIEGEL vorliegt.

Am Tag der Pleite gab es dann ein Gespräch zwischen der Finanzaufsicht Bafin, dem Bundesfinanzministerium und dem bayerischen Innenministerium. Dabei teilten die Bayern mit, dass die zuständige Bezirksregierung Niederbayern Wirecard nicht als Finanzunternehmen im Sinne des Geldwäschegesetzes (GwG) einstufe: «Eine Zuständigkeit der Regierung von Niederbayern als Aufsichtsbehörde ist somit nicht gegeben.» Die Bafin wiederum sah keine Zuständigkeit für die Wirecard AG, weil diese als Technologiekonzern eingestuft war. Wirecard fiel durchs Raster.

Zwar konzentrieren sich die aktuellen Ermittlungen gegen Wirecard bislang auf mutmaßliche Bilanzmanipulation. Doch gegen den Dax-Konzern wurde frühzeitig auch im Zusammenhang mit Geldwäsche ermittelt. Im Jahr 2015 kam es deshalb auf Betreiben von US-Behörden sogar zu einer Razzia. «Es würde mich wundern, wenn es bei Wirecard keine Geldwäsche gab», sagt Linken-Finanzpolitiker Fabio De Masi, der die Vorwürfe gegen den Dax-Konzern frühzeitig im Bundestag zum Thema gemacht hatte.

Die Entscheidung in Bayern ist auch deshalb erstaunlich, weil sie offenbar der Einschätzung von Wirecard selbst widersprach. Die Wirecard AG sei zu dem Schluss gekommen, dass sie durch eine Gesetzesänderung seit Jahresbeginn ein Finanzunternehmen im Sinne des GwG ist, berichtet der Bundestagsabgeordnete Michael Schrodi (SPD) unter Berufung auf eine Antwort des Bundesfinanzministeriums. Demnach teilte ein Vertreter der Wirecard Bank AG dies der Bafin am 20. Mai mit. Am 27. Mai habe sich dann Niederbayern gegenüber der Bafin grundsätzlich für zuständig erklärt.

Erst am Tag der Pleite, also knapp einen Monat später, folgte dann aber die Mitteilung aus Bayern, dass man im Fall von Wirecard keine Aufsichtsverpflichtung sehe. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und seine Regierung würden sich «ihrer Aufsichtspflicht entziehen, indem sie eigenmächtig die Wirecard AG nicht mehr als Finanzunternehmen nach GwG eingestuft sehen wollen», kritisiert Schrodi.  

Bezirksregierung gegen Global Player 

Es ist nicht das erste Mal, dass in Deutschland Probleme bei Geldwäschekontrollen bekannt werden. Im Finanzsektor soll primär die Bafin Geschäfte verhindern, durch die Einnahmen aus kriminellen Geschäften in den legalen Finanzkreislauf gebracht werden. Die Länder kontrollieren andere Branchen, die anfällig für Geldwäsche sind — etwa Immobilienmakler, Autohändler und Juweliere.

Von Zahlungsdienstleistern wie Wirecard ist im GwG keine Rede. Jedoch werden dort auch «Finanzunternehmen» als Verpflichtete aufgeführt, zu deren möglichen Eigenschaften es gehört, «Beteiligungen zu erwerben, zu halten oder zu veräußern». Diese Definition hielt man in Niederbayern in Bezug auf die Wirecard AG nicht für zutreffend.

Nach Ansicht des SPD-Politikers Schrodi hätte die Landesregierung sich um die Aufsichtsfrage aber ohnehin selbst kümmern müssen: «Wie soll eine Bezirksregierung einen Global Player beaufsichtigen?» Ähnlich sieht es Lisa Paus, finanzpolitische Sprecherin der Grünen. «Wie kann das sein – ein Dax-Unternehmen, das 125 Milliarden Euro an Transaktionen abwickelt und keiner fühlt sich hierzulande zuständig?»

Ein Sprecher von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) sagte am Donnerstag, die Bundesregierung arbeite «intensiv an einer umfassenden Aufklärung und Analyse der Vorkommnisse rund um die Wirecard AG». Scholz hat zur Geldwäschekontrolle Gespräche mit den Ländern angekündigt und eine Verlagerung von Kompetenzen in Richtung Bund in Aussicht gestellt.

Die Idee ist nicht neu. Immer wieder gab es Hinweise darauf, dass die Kontrollen der Länder durch einen Mangel an Personal und Know-how lückenhaft sind. Der Bundesrat forderte 2012 selbst in einem Beschluss, der Bund solle auch im Nichtfinanzsektor die Leitung übernehmen.

Die Kontrollen auf Länderebene seien «mit spezifischen Herausforderungen verbunden», heißt es auch in einer nationalen Risikoanalyse zur Geldwäsche, die das Bundesfinanzministerium im vergangenen Jahr erstmals veröffentlichte. So sei in bestimmten Bereichen «keine abschließende Liste aller Verpflichteten» verfügbar. Deshalb müsse auch «im Bereich des Nicht-Finanzsektors der Ressourceneinsatz weiter verstärkt werden».

Inwieweit Geldwäschekontrollen den mutmaßlichen Betrug bei Wirecard tatsächlich verhindert hätten, ist offen. Denn Verpflichtete nach dem Geldwäschegesetz stehen erst einmal nicht selbst im Fokus, sondern müssen vor allem verdächtige Zahlungsströme melden – etwa, wenn ein Makler vermutet, ein von ihm verkauftes Haus könnte mit Drogengeld erworben worden sein.

Gegen die Wirecard-Bank gab es in der Vergangenheit aber auch schon selbst Geldwäscheanzeigen – weil Konten von ihr für millionenschweren Anlagebetrug verwendet wurden. Und auch die beim Zoll angesiedelte Geldwäscheeinheit Financial Intelligence Unit bekam offenbar Hinweise auf Geschäfte, an denen Wirecard beteiligt war.

Mindestens einen Vorteil hätte es gehabt, wenn die Wirecard AG selbst als Verpflichtete im Sinne des GwG gegolten hätte: Für sie hätten dann besondere Dokumentationspflichten gegolten. Und Dokumente zu den obskuren Zahlungsströmen des Konzerns könnten die Ermittler heute gut gebrauchen.

Icon: Der Spiegel

Source: spiegel.de

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