воскресенье, 26 июля 2020 г.

Syrien: Corona breitet sich aus — Baschar al-Assad ist machtlos

In Damaskus sind gerade innerhalb von einer Woche gleich sechs islamische Religionsgelehrte gestorben: Mohammed Al-Nour al-Khatib, Adnan al-Sirwan, Hassan al-Tahan, Mazen al-Dimashqi, Mohammed al-Mabrour, Nazmi al-Dasouqi. Sie standen verschiedenen Moscheen in der syrischen Hauptstadt vor oder leiteten dort die Gebete.

Die offiziellen Todesanzeigen verraten nicht ihr Alter und die Todesursache. Alle waren schon etwas älter, zumindest legen dies Fotos nahe, die von ihnen in sozialen Medien veröffentlicht wurden.

Wahrscheinlich würde man diese Häufung in normalen Zeiten als Zufall abtun. Doch in Zeiten einer Pandemie mutmaßen viele Syrer, dass die Gelehrten am Coronavirus starben.

Die Spekulationen gehen offenbar schon so weit, dass der Sohn des verstorbenen Mabrour schreibt: Sein Vater sei an Nierenversagen verstorben und nicht am Virus. Er bitte darum, keine entsprechenden Gerüchte zu verbreiten.

Doch viele Syrer sind zutiefst verunsichert. «Das Virus ist überall bei uns», sagt Lamis aus Damaskus, die ihren vollen Namen nicht zitiert haben will. Sie selbst versucht, kaum noch aus dem Haus zu gehen. «Ich kann es mir nicht leisten, Masken zu kaufen. Sie sind zu teuer. Und Abstand hält fast keiner», klagt sie.

Das Gesundheitsministerium in den vom syrischen Regime kontrollierten Gebieten, etwa zwei Dritteln des Landes, meldete diese Woche über 500 Fälle. Das Gesundheitsministerium der türkisch kontrollierten Gebiete in Nordsyrien berichtete von über 20 Fällen. Auch die syrisch-kurdische Selbstverwaltung in Nordsyrien sprach von mehreren Infektionen.   

Viele Syrer misstrauen allerdings den offiziellen Angaben. Sie vermuten, dass die wahren Zahlen längst viel höher sind. Denn offiziell gibt es in Syrien fast nie Probleme — auch den Bürgerkrieg gab es lange offiziell nicht. Dazu kommt, dass das Land nur wenige Corona-Tests hat. 

Dabei scheint sich das Virus sehr wohl in Syrien zu verbreiten. Justizminister Hisham al-Shaar forderte die Syrer vergangene Woche auf, Abstand zu halten, Masken und Handschuhe zu tragen. Zuvor war bekannt geworden, dass im Justizpalast von Damaskus zwei Richter und zwei Rechtsassistenten an Covid-19 erkrankt waren.  

Nahezu im ganzen Land haben die örtlichen Verwaltungen wieder Beschränkungen ausgerufen. Schwimmbäder, Basare und Sportvereine wurden mancherorts geschlossen, ebenso wie in Nordsyrien eine Maskenpflicht in Moscheen ausgerufen wurde. Nach dem ersten Corona-Fall im März hatte es bereits einen ersten Lockdown gegeben. Nur hatte Syriens Präsident Baschar al-Assad diesen schnell wieder aufgehoben und die Bürger selbst für die Eindämmung von Corona verantwortlich gemacht.

Die sind so auf sich allein gestellt schlicht überfordert. In einer Umfrage gaben rund die Hälfte der befragten Syrer an, sich über das Virus nicht ausreichend informiert zu fühlen. Zudem sagten viele, sich nicht an Empfehlungen wie Abstand halten zu können – aus Angst, ihren Job oder ihr Einkommen zu verlieren. Nahezu alle Befragten gaben an, dass sich ihre wirtschaftliche Situation in den letzten Monaten verschlechtert habe.

Syriens Wirtschaft befindet sich derzeit, auch ohne die Pandemie, im freien Fall:

  • Die Lebensmittelpreise sind explodiert und drohen weiter zu steigen.

  • Etwa die Hälfte der Bevölkerung, 9,3 Millionen Syrer, waren zuletzt vom Hunger bedroht – 1,4 Millionen mehr als noch vor sechs Monaten.

Einige dieser Haushalte konnten sich bisher mit Geld von Verwandten im Ausland über Wasser halten. Doch das Virus und die damit verbundenen Reisebeschränkungen haben diese Hilfen nahezu unmöglich gemacht.

Fallen Ärzte aus, bricht die Gesundheitsversorgung zusammen  

Besorgniserregend ist auch, dass das Coronavirus in Syrien derzeit vor allem bei Medizinern diagnostiziert wird – sowohl in den Gebieten, die unter der Kontrolle des Assad-Regimes stehen, als auch im Rest des Landes. Dies könnte daran liegen, dass sie am ehesten getestet werden. Gleichzeitig bedeutet dies eine zusätzliche Gefahr.

Nach neun Jahren Krieg liegt das syrische Gesundheitssystem am Boden:

  • Es fehlt an allem, nicht nur an Krankenhausbetten oder Beatmungsgeräten.

  • Oft gibt es nicht einmal einen funktionierenden Kühlschrank, um Laborproben zu kühlen.

  • Auch Personal gibt es kaum: Bis zu 70 Prozent der syrischen Ärzte und Krankenschwestern sind geflohen. 

  • Hinzukommt, dass Syrien und Russland absichtlich Krankenhäuser bombardieren, Ärzte verfolgen und internationale medizinische Hilfsgüter nicht in Oppositionsgebiete durchlassen.

Wenn nun Mediziner erkranken und in Quarantäne müssen, bedeutet dies, dass die wenigen noch verbliebenen Einrichtungen geschlossen werden müssen und überhaupt keine medizinische Versorgung mehr zur Verfügung steht. In Nordsyrien mussten diesen Monat bereits zwei Krankenhäuser vorübergehend schließen, weil Ärzte sich mit Corona infiziert hatten.

«Wenn nur ein paar Ärzte momentan nicht arbeiten können und in Selbstisolation bleiben, kann das einen riesigen Unterschied machen mit Blick auf den Zugang zur Gesundheitsversorgung», warnt die internationale Hilfsorganisation «Ärzte ohne Grenzen». Angesichts der wenigen Testkits könne man in Nordsyrien bald schon in die Lage kommen, dass sich das Virus unbemerkt in den überfüllten Flüchtlingslagern ausbreite und nicht mehr aufhalten lasse.  

Icon: Der Spiegel

Source: spiegel.de

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