Hohe tägliche Fallzahlen und lokale Corona-Hotspots haben Sorge unter Gesundheitsexperten und in der Wirtschaft hervorgerufen. Das Robert Koch-Institut (RKI) befürchtet wegen Nachlässigkeit bei den Verhaltensregeln eine Trendumkehr in Deutschland.
Experten warnen vor diesem Hintergrund vor Problemen bei der Spurensuche durch die Gesundheitsämter vor Ort. Auch der Handel ermahnt Verbraucher zu mehr Disziplin.
Nach RKI-Angaben vom Freitag meldeten die Gesundheitsämter zuletzt insgesamt 870 neue Corona-Infektionen innerhalb eines Tages. Seit Beginn der Corona-Krise haben sich somit mindestens 208.698 Menschen in Deutschland nachweislich mit dem Virus Sars-CoV-2 infiziert (Stand 31.7., 0.00 Uhr). Am Donnerstag hatte die Zahl der registrierten Neuinfektionen in Deutschland mit 902 den Höchststand für Juli markiert. Bis Mitte Juli hatte die Zahl wochenlang meist bei unter 500 gelegen.
Die Vorsitzende des Bundesverbands der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes, Ute Teichert, sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe angesichts der Entwicklung: „Für eine zweite Pandemie-Welle sind die Gesundheitsämter viel zu knapp besetzt." Mit den steigenden Infektionszahlen rolle ein riesiges Problem auf uns zu. Teichert forderte eine kurzfristige Lösung. Konkret sprach sie sich für ein bundesweites Freiwilligen-Register aus — eine Art Jobbörse, die im Ernstfall Mitarbeiter vermittle, die bereits geschult seien.
SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach schlug indes eine stärkere Konzentration beim Verfolgen von Infektionsketten vor. Statt jedem Einzelkontakt nach zu telefonieren, sollten sich die Ämter allein auf „Superspreader" konzentrieren, sagte er dem Magazin „Der Spiegel". Damit gemeint sind hochansteckende Infizierte, die bei Treffen bestimmter Gruppen oft zahlreiche Teilnehmer anstecken.
Der Präsident des Handelsverbandes Deutschland (HDE), Josef Sanktjohanser, forderte von der Bevölkerung mehr Disziplin. „Es erfüllt mich mit großer Unruhe, dass es viele offenbar nicht mehr so genau mit der Einhaltung der Regeln nehmen und die Zahl der Infizierten wieder steigt." Ein Umsatzrückgang wegen der Corona-Krise könne 50.000 Handelsstandorte in Deutschland die Existenz kosten. „Für viele Händler gäbe es bei erneuten Einschränkungen oder gar einer zweiten Phase des Lockdowns keine Chance mehr, der Insolvenz zu entgehen", sagte er.
Mit einer zweiten größeren Welle an Corona-Infektionen rechnen laut ZDF-„Politbarometer" derzeit mehr als drei Viertel der Deutschen (77 Prozent), 20 Prozent erwarten dies nicht. Außerdem hatten nun 51 Prozent die Ansicht, dass die Menschen sich in der Corona-Krise „eher unvernünftig" verhielten. In einer Befragung vom Juni hatten dies 33 Prozent angegeben. Zu Krisenmaßnahmen erklärten 71 Prozent der Befragten, diese bedeuteten keine starken Einschränkungen für ihr Leben. Das Bundesverfassungsgericht wies indes einen Eilantrag gegen die Regelungen zur Kontaktnachverfolgung und die Maskenpflicht für bestimmte Situationen im Saarland ab. (Az. 1 BvR 1187/20)
Nach Bayern und Baden-Württemberg gibt es derzeit auch an der Küste und in Nordrhein-Westfalen lokale Corona-Ausbrüche. Die Schleswig-Holsteiner Stadt Heide führte am Freitag wieder strengere Schutzauflagen ein. Im öffentlichen Raum gilt nun wieder die Kontaktbeschränkung, dass sich maximal zwei Menschen unterschiedlicher Haushalte treffen dürfen. Auch im nahen Tourismusort Büsum an der Nordsee gelten strengere Beschränkungen, unter anderem eine Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung in zwei Fußgängerzonen. Im Raum Hagenow in Mecklenburg-Vorpommern stieg die Infiziertenzahl nach einer Familienfeier, in deren Folge rund 160 Kontaktpersonen in Quarantäne geschickt wurden, auf 15. Auch im Kreis Kleve in Nordrhein-Westfalen wurden nach einer privaten Feier mehr als 50 Gäste positiv auf das Coronavirus getestet.
Source: noz.de
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