Mehr als 3,2 Millionen Infizierte.
Knapp 136.000 Tote.
Stand: 9. Juli
Es sind Zahlen, die kaum zu fassen sind. Aber sie beschreiben das Ausmaß der Corona-Pandemie in den USA am besten. Kein Land der Welt ist so stark von dem Virus betroffen wie die Vereinigten Staaten von Amerika. Ein Viertel aller Corona-Infizierten weltweit sind aus den USA. Es sind mehr Betroffene als in ganz Europa, bei weniger als der Hälfte der Bevölkerung.
New York City, im April. Hier tobte das Virus besonders schlimm, Krankenhäuser waren mit der Zahl an Schwererkrankten überfordert. Auf Hart Island wurden Massengräber ausgehoben, um die vielen Todesopfer zu beerdigen. Die Stadt, die niemals schläft, sie lag still.
Jetzt, drei Monate später, ist wieder Leben zu sehen in New York. Das Infektionsgeschehen hat sich weitestgehend beruhigt. Und doch muss die Stadt bis heute als schlechtes Beispiel dienen, als Warnung für andere Orte auf der ganzen Welt.
Doch die Warnungen blieben offenbar selbst in den USA ungehört. Am Mittwoch und am Donnerstag gab es hier jeweils mehr als 60.000 Neuinfektionen — so viele wie noch nie. Besonders hoch sind die Zahlen in den Bundesstaaten Texas, Kalifornien, Florida.
Texas
241.000 Infizierte
3000 Tote
Dr. Joseph Varon, United Memorial Medical Center, Houston, Texas:
«In den nächsten zwei Wochen wird es hier wahrscheinlich so aussehen wie in New York vor zwei Monaten.»
Der Arzt berichtet, dass in seinem Krankenhaus in Houston allmählich die Betten knapp werden.
Dr. Joseph Varon, United Memorial Medical Center, Houston, Texas:
«Es sieht hier viel schlimmer aus als vor zwei Wochen. In den vergangenen drei Wochen haben wir mehr Patienten aufgenommen als in den zehn Wochen zuvor.»
In ganz Texas wurden allein am Donnerstag 11.000 Menschen positiv auf das Coronavirus getestet. Vor den mobilen Testeinrichtungen bildeten sich lange Autoschlangen. Aufgrund der rasanten Entwicklung musste Texas als einer der ersten Staaten des Landes die Lockerungen wieder zurückfahren. Schon Ende April war der Lockdown hier beendet worden. Ende Juni mussten Bars wieder schließen, Restaurants ihre Kapazität verringern. Erst Anfang Juli führte Senator Greg Abbot eine Maskenpflicht in Distrikten mit mehr als 20 Corona-Fällen ein, gegen eine solche Verpflichtung hatte sich der Republikaner lange gewehrt.
Kalifornien
303.000 Infizierte
6900 Tote
Einst galt der Staat an der Westküste als gutes Beispiel in der Krise – mit strengen Auflagen zur Eindämmung des Virus. Aber auch hier war von der Ruhe des Lockdowns aus dem April schnell nichts mehr zu sehen. Im Mai öffneten viele Geschäfte und Restaurants wieder. Die Strände in San Diego füllten sich wieder. Die Folge: Mehr als 7000 Neuinfizierte zuletzt innerhalb eines Tages. Mittlerweile führt der Staat eine Watchlist über Distrikte, in denen zum Beispiel Bars geschlossen sein müssen Mehr als 20 Distrikte führt Gouverneur Gavin Newsom von den Demokraten bereits auf dieser Liste.
Florida
233.000 Infizierte
4000 Tote
Auch in Florida waren die Strände schnell wieder gut besucht – währenddessen stoßen die Krankenhäuser an ihre Grenzen.
Andrew Pastewski, Leiter der Intensivstation Miami’s Jackson South Medical Center:
«Wir hatten unsere Covid-Etage mit 24 Betten. Mehr hätten wir nicht gebraucht und dann kam das. Dann mussten wir eine zweite Etage öffnen, dann eine dritte, jetzt eine vierte und fünfte. Und es wird einfach nicht besser.»
Auch in Florida stehen die Menschen für einen Corona-Test Schlange. Auch hier wurden die ersten Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie sehr früh wieder gelockert. Geschäfte öffneten im Mai nach und nach, zunächst in weniger bewohnten Gebieten. Bars machten erst im Juni auf – und waren wenige Wochen später schon wieder dicht. Zu schnell waren die Zahlen gestiegen. Der republikanische Gouverneur Ron DeSantis schloss zum Wochenende um den Nationalfeiertag am 4. Juli sogar viele Strände, genau wie Amtskollegen in anderen Staaten. Aber auch das brachte anscheinend nichts mehr. Am Donnerstag gab es fast 9000 neue Infizierte in Florida.
Viele Experten werfen der US-Regierung und den Bundesstaaten Versagen in der Krise vor.
Danis Carroll, Epidemiologe:
«Die Reaktion der USA auf die Pandemie ist auf Ebene der Bundesstaaten entschieden worden, sodass wir keine wirklich nationale Strategie entwickelt haben, die im ganzen Land angewendet wird. Jeder Staat hat seine eigene entwickelt. Das Ergebnis waren sehr ungleiche Antworten im ganzen Land.»
Rafael Perez, Professor für Gesundheitswesen, Yale University:
«Wir haben viele Bundesstaaten auf sehr unvernünftige Weise geöffnet. Es gibt Staaten wie Arizona, Texas, Florida, die entschieden haben, zu öffnen, als die Ausbreitung sehr schnell fortschritt. Und das ist das Schlimmste, was man machen kann. Ich nenne das nicht einmal eine zweite Welle. Das ist eine Intensivierung der ersten Welle.»
Dass es so weit gekommen ist, liegt auch daran, dass das Ende des Lockdowns zum politischen Werkzeug wurde. Es entstand eine Art Wiederöffnungs-Wettlauf zwischen den Staaten – angetrieben durch Aussagen aus Washington.
Donald Trump: US-Präsident:
«Sie wollen wieder öffnen. Sie müssen wieder öffnen. Jeder dieser Staaten. Die Leute wollen loslegen.»
Präsident Donald Trump drängte stets darauf, so schnell wie möglich zur Normalität zurückzukehren, im Interesse der Wirtschaft.
Und er selbst hielt am 20. Juni eine Massenkundgebung in Tulsa, Oklahoma, ab. Danach sind auch dort die Infektionszahlen wieder deutlich gestiegen. Am Samstag folgt die nächste Wahlkampfveranstaltung, diesmal immerhin im Freien, in New Hampshire.
So ist allerdings weiter zu befürchten, dass sich die Bilder aus New York bald in anderen Staaten wiederholen könnten. Denn eine Aussicht auf Besserung gibt es zurzeit nicht. Und Einsicht offenbar auch nicht. So soll zum Beispiel am Samstag Disney World wieder öffnen. In Orlando, Florida.
Source: spiegel.de
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