Der Winter ist noch gar richtig nicht vorbei, da treiben die Pflanzen schon aus. Immer öfter gibt es dieses Phänomen. Manche freuen sich über den vorgezogenen Frühling — doch immer klarer wird inzwischen: Das frühe Grünen kann negative Folgen haben.
Die üppig wachsenden Pflanzen entziehen dem Boden viel Wasser und können damit spätere sommerliche Trockenheit verstärken, zeigen die Klimaforscherinnen Ana Bastos und Julia Pongratz von der Ludwig-Maximilians-Universität München anhand von Simulationen für das Jahr 2018 in Europa.
Im Jahrhundertsommer 2018 wurden die höchsten Temperaturen und die niedrigsten Niederschläge der vergangenen 40 Jahre gemessen; Bauern in Deutschland erhielten rund 340 Millionen Euro an Entschädigungen. Anders als etwa bei den Dürren 2003 und 2010 kam in großen Teilen Zentraleuropas schon im Frühjahr eine große Hitzewelle. Das legte der im Fachmagazin „Science Advances" vorgestellten Studie zufolge die Basis für die extreme Dürre im Sommer: Den Modellen zufolge erklärt der Frühlingseffekt etwa die Hälfte der sommerlichen Trockenheit in Zentraleuropa im Jahr 2018.
Dabei wirken mehrere Faktoren: Der Boden dörrt durch das frühere Ergrünen zusätzlich aus, der späteren Vegetation fehlt Feuchtigkeit. Weil zudem der kühlende Effekt von Verdunstung fehlt, steigt die Temperatur — was wiederum die Trockenheit verstärkt.
Das geringere Pflanzenwachstum könnte den Klimawandel zusätzlich vorantreiben. Denn damit wird auch weniger Kohlendioxid in Pflanzen gebunden. Weltweit nimmt die Vegetation derzeit ein Viertel bis ein Drittel allen von Menschen etwa durch Verkehr, Industrie oder Entwaldung verursachten Kohlendioxids auf. Gerade in Europa binden vergleichsweise intakte Wälder relativ viel des Klimagases.
Bereits für die Dürrejahre 2003 und 2010 zeigten Studien, dass die Ökosysteme nicht so viel CO2 wie üblich aufnehmen konnten, sagte Bastos. Pongratz sagte: „Möglicherweise könnte man durch gezielte Pflanzungen Ökosysteme widerstandsfähiger machen, etwa indem landwirtschaftliche Flächen durch Wälder aufgelockert werden."
Erst kürzlich hatten Forscher der Universität Peking nach Auswertung von Satellitendaten von der nördlichen Erdhalbkugel der Jahre 1982 bis 2011 den Effekt der früher einsetzenden Vegetation gezeigt. Er werde regional zu häufigeren und stärkeren Hitzewellen führen und die Verfügbarkeit von Wasser mindern, schrieben sie in „Science Advances" — was die neue Studie nun konkret für den Rekordsommer 2018 belegt.
„In der sehr aufwendigen Studie wird bestätigt, was auch schon andere Publikationen gezeigt haben", sagte Fred Hattermann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), der nicht an der Arbeit beteiligt war. Durch den globalen Temperaturanstieg beginne die Vegetation in Europa früher zu grünen; die Bodenwasservorräte würden im Sommer schneller aufgebraucht, wenn sie nicht durch starke Niederschläge aufgefüllt werden. Dies verstärke Dürren im Sommer — wie eben 2018. „Neu in dieser Studie ist, dass versucht wird, den Anteil der Vegetation am Austrocknen der Böden zu quantifizieren."
Hauptursächlich für die Dürre 2018 sei eine Wetterlage gewesen, die den Zustrom feuchter Luft vom Atlantik blockierte. Das gehe auf eine Schwächung der Westwindzirkulation zurück, die wahrscheinlich durch die starke Erwärmung im Nordpolarmeer hervorgerufen und somit durch den Klimawandel begünstigt werde. Eine ähnliche Lage habe es 2019 und dieses Jahr gegeben; allerdings nahm der Niederschlag im Mai wieder zu. „Wahrscheinlich wird es nicht so schlimm wie 2018 und 2019."
Wie die Münchner Forscherinnen sieht Hattermann eine mögliche Anpassung für die Zukunft in einer stärker strukturierten Landschaft mit mehr Hecken und Wäldern. Das führe dazu, dass mehr Feuchtigkeit gehalten werden könne als in einer ausgeräumten Landschaft mit riesigen gleichförmigen Feldern.
Beispiel Skandinavien: Dort hatte der Frühling 2018 keine negativen Effekte. Die Wissenschaftlerinnen erklären das mit der anders gearteten Vegetation: In Zentraleuropa dominieren Acker und Grasland, während in Skandinavien Wälder einen großen Anteil haben. „Bäume nutzen Wasser etwas ökonomischer", erläuterte Bastos. Zudem haben sie tiefere Wurzeln als Gräser oder Nutzpflanzen und können bei Dürre das wenige noch vorhandene Wasser in größeren Tiefen besser erreichen.
Source: noz.de
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