понедельник, 24 февраля 2020 г.

«The Assistant»: Wenn das Schweigen ohrenbetäubend wird

«Ist ER schon da?» – «Wann kommt ER wieder?» – «Ist ER schon gegangen?»– «Es tut mir leid, ER ist gerade nicht greifbar.» Wenn es um IHN geht, sprechen alle wie von einer Majestät. Der Mann, eine große Nummer im Filmgeschäft, der sogar Einladungen vom amerikanischen Präsidenten bekommt, muss nicht benannt werden. In der fiktionalen Handlung des Films The Assistant nicht und auch nicht für die Zuschauerinnen. Denn jedem ist klar, dass es hier um Harvey Weinstein gehen soll und um die Atmosphäre, die der in seinem Arbeitsumfeld offenbar schuf.

Kitty Greens Film The Assistant, der seine Europapremiere nun auf der Berlinale feierte, ist, wenn man so will, der erste Film nicht von, sondern über Weinstein, seit die New York Times und der New Yorker im Oktober 2017 ihre Enthüllungsgeschichten um den einst wohl mächtigsten Filmproduzenten Amerikas publizierten. Nachdem die US-Festivals Telluride und Sundance The Assistant bereits zeigten, fällt das Screening auf der Berlinale zeitlich damit zusammen, dass in New York beim ersten Strafprozess gegen Weinstein wegen des Verdachts der Vergewaltigung geradezu stündlich das Urteil der Geschworenen fallen kann. 

The Assistant zeigt Jane (Julia Garner), die persönliche Assistentin des Namenlosen, an einem normalen Montag im New Yorker Büro der Filmproduktionsfirma. Jane ist die Erste im Office, draußen ist es noch dunkel. Sie macht das Licht an, räumt die gebrauchten Gläser im Chefbüro ab, fegt ein paar Krümel vom Schreibtisch. Dann zieht sie sich Plastikhandschuhe über, um das Sofa des Produzenten zu reinigen. Julia Garners Gesicht bleibt bei all dem fast unbewegt, den Ekel der Assistentinnenfigur darüber, dass sie nun mit einem Desinfektionsspray vor dieser Couch kniet, erahnt man eher, als dass man ihn ihr ansähe.

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Sie wird viel aufzuräumen haben an diesem Tag: Donuts und Kaffeebecher zum Beispiel, aber auch einen goldenen Ohrring, der auf dem Boden liegt. Und gebrauchte Spritzen, ihr Boss injiziert sich gegen Erektionsstörungen ein Mittel. Nichts davon wird kommentiert, man erkennt an Janes Verhalten, dass sie nicht zum ersten Mal solche Hinterlassenschaften ihres Chefs einsammelt. Auch wenn Jane erst seit fünf Wochen im Unternehmen ist, hat sich schon eine unheimliche Routine eingeschlichen.

Ihre beiden männlichen Kollegen im Vorzimmer bleiben von derlei unangenehmen Aufgaben verschont. Sie wälzen auch alle anderen heiklen Dinge auf die junge Frau ab, die etwa die wütenden Anrufe der Ehefrau des Produzenten entgegennehmen muss – wohl wissend, dass sie dafür von ihrem Boss am Telefon heruntergemacht werden wird. Anschließend stehen die Kollegen Jane immerhin beratend zur Seite, als sie eine Entschuldigungsmail an den Chef schickt («Es tut mir leid» – «Wollte mich nicht in Ihre Privatangelegenheiten einmischen» – «Werde Sie nie wieder enttäuschen» – «Bin so froh, in diesem Unternehmen arbeiten zu dürfen»). Solcherlei schriftliches Zu-Kreuze-Kriechen ist übliche Praxis in dieser Firma. Zu sehen bekommt man den namenlosen Boss in diesem Film nicht, man hört nur seine Stimme. Er wird niemals sichtbar und ist dennoch in jeder Szene omnipräsent. Allein durch die Angst, die dieser Mann verbreitet.

The Assistant ist der erste Spielfilm der australischen Dokumentarfilmerin Kitty Green, die bekannt wurde mit Ukraine Is Not a Brothel über die Femen-Bewegung. Ursprünglich habe sie für einen Film über sexuelle Belästigung auf amerikanischen College-Campussen recherchiert, sagte Green nach der Premiere im Berliner Zoo-Palast, doch dann seien die Weinstein-Enthüllungen bekannt geworden. Sie habe daraufhin mit einigen Freunden gesprochen, die in Weinsteins Firma gearbeitet hatten, später auch mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus anderen Branchen: «Ich hörte dieselbe Geschichte immer und immer wieder.» Dass sich Menschen gefangen gefühlt hätten in einem System des Schweigens und des Sich-Weg-Duckens. Dass Assistentinnen, wie im Film gezeigt, die Kinder ihres Bosses betreuen mussten, während dieser Sex mit einer Mitarbeiterin hatte, oder dafür sorgen mussten, dass libidosteigernde Medikamente vorrätig waren, habe sie mehrfach gehört. Sie habe, betonte Green mehrfach, ihren Film nicht auf die Weinstein Company oder die Filmbranche generell beschränken wollen. «Das Problem ist auf alle Branchen übertragbar, es ist systemisch.»

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