понедельник, 9 ноября 2020 г.

Politik in der Coronakrise: Wie der Bundestag für mehr Mitsprache kämpft

Vor einer Woche verschickten zwei Kabinettsmitglieder ein Schreiben an die Regierungschefs der Länder. Horst Seehofer (CSU) und Christine Lambrecht (SPD) gaben darin Tipps, wie man Notverordnungen schreibt: «Eine abschließende verfassungsrechtliche Bewertung der einzelnen Maßnahmen wird daher von der konkreten Ausgestaltung in den jeweiligen Verordnungen der Länder abhängen.» Doch es nützt nichts, einen Grundrechtseingriff gut zu formulieren, wenn ihm die gesetzliche Grundlage fehlt.

Das hat die Koalition inzwischen mehr und mehr erkannt. Nachdem das Parlament in den ersten Monaten der Coronakrise kaum vorkam, werden die Abgeordneten seit einigen Wochen wieder lauter. Sie fordern, die Corona-Politik auf eine tragfähige Rechtsgrundlage zu stellen. Denn noch immer greifen die Regierungen in Bund und Ländern tief in die Grundrechte ein. Und das mit einer schwachen Grundlage: der generalklauselartigen Ermächtigung des Infektionsschutzgesetzes. 

Verordnungen könnten vor Gericht scheitern

Die SPD-Fraktion hat das Problem schon vor einigen Wochen erkannt, sie fordert klare und einheitliche Regelungen, der Bundestag soll bei den Verordnungen stärker mitreden. Doch die Union hat sich erst in der vergangenen Woche aus ihrer Blockadehaltung herausbewegt. Grund dafür war das Urteil des bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zur Sperrstunde für die Gastronomie. Er fordert den Bundestag auf, die «maßgeblichen Regelungen im Wesentlichen selbst zu treffen», anstatt sie der Exekutive zu überlassen.

Vergangene Woche beriet der Bundestag über den Entwurf für ein drittes Bevölkerungsschutzgesetz, der das Parlament weiter schwächen könnte und auch nicht für die nötige Klarheit sorgt. Manuela Rottmann, Obfrau der Grünen im Rechtsausschuss, übt im SPIEGEL scharfe Kritik: «Wenn der Entwurf so beschlossen wird, wie er jetzt vorliegt, weiß der Bürger trotzdem nicht, womit er rechnen muss.» Das nütze auch den Ländern nichts, weil deren Verordnungen dann vor Gericht nicht standhalten würden.

Dafür müsste der Bundestag den Zweck, die Bedingungen und die Grenzen der Grundrechtseingriffe genau definieren. Doch der neue Paragraf 28a, der im Bundesinnenministerium verfasst wurde, verwässert das nur. Er nennt drei Schwellen für die Corona-Maßnahmen: Unter 35 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen, über 35 Neuinfektionen und über 50 Neuinfektionen. Je nach Wert können «einfache», «stark einschränkende» oder «schwerwiegende» Schutzmaßnahmen ergriffen werden. 

«Man kann nur raten, was damit gemeint ist», sagt die Abgeordnete Rottmann. In dem neuen Paragrafen 28a werden zwar 15 Maßnahmen aufgezählt, die in den letzten acht Monaten in Bund und Ländern ausprobiert worden sind. Aber es steht dort nicht, wann welche Maßnahmen ergriffen werden dürfen. Dazu kommt, dass die Maßnahmen unklar oder sogar schief formuliert sind. Drei Beispiele: 

  • In Punkt 1 ist die Rede von «Ausgangs- oder Kontaktbeschränkungen im privaten sowie im öffentlichen Raum». Was könnte das wohl sein, eine Ausgangssperre im privaten Raum? 

  • Punkt 14 erlaubt die «Verarbeitung» von Kontaktdaten in Bars und Restaurants. Hier fehlt die Klarheit, wofür die Adresslisten nicht verwendet werden dürfen, um Missbrauch zu vermeiden.

  • Die 15. Maßnahme besteht nur aus einem Wort: «Reisebeschränkungen». Ob damit Ortschaften abgeriegelt oder Ländergrenzen dicht gemacht werden dürfen, bleibt offen. 

Rottmann fordert: «Lasst uns genauer werden. Woran messen wir die Belastung des Gesundheitssystems? Wie messen wir das Infektionsgeschehen? Berücksichtigen wir dabei die Testintensität? Und dann: Was darf unter welchen Bedingungen wann passieren?» Das Parlament werde erst dann wieder stärker, wenn es den Zweck der Maßnahmen im Gesetzgebungsverfahren festlege, so Rottmann. Außerdem solle der Bundestag die Maßnahmen befristen. In dringenden Fällen solle eine Verordnung weiterlaufen können, müsse dem Parlament aber vorgelegt werden.

Auch der FDP-Generalsekretär Volker Wissing fordert: «Wir brauchen präzise gesetzliche Vorgaben, in welcher Situation welche Eingriffe in die Grundrechte vorgenommen werden dürfen.» Und der Berliner Staatsrechtler Christoph Möllers kritisiert: «Das Gesetz erlaubt nun zwar sehr viele Eingriffe, stellt dafür aber so gut wie keine Voraussetzungen auf.» Auch der Richterbund fordert mehr Präzision. Zwar müssten Bundestag und Landtage nicht jedes Detail regeln. «Je konkreter die Parlamente aber die Eingriffsbefugnisse für die Exekutive ausgestalten, desto besser sind die Aussichten, dass darauf gestützte Freiheitsbeschränkungen einer gerichtlichen Kontrolle standhalten», sagt Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn.

Die SPD fordert mehr Parlamentsrechte

Am Donnerstag werden in der Expertenanhörung im Bundestag Fachleute zu dem Entwurf Stellung beziehen. «Wir wollen im Gesetzgebungsverfahren erreichen, dass das Parlament noch stärker beteiligt wird», sagt der SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese dem SPIEGEL. Darüber hinaus fordert er, dass Regierungserklärungen im Bundestag zeitlich vor den Ministerpräsidentenkonferenzen abgehalten werden sollen. Und es müsse geklärt werden, in welchem Rhythmus in den zuständigen Ausschüssen berichtet wird.

Die SPD ist zuversichtlich, dass der Bundestag eine stärkere Rolle einnehmen wird.

Icon: Der Spiegel

Source: spiegel.de

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