«Tegel ist meine Homebase. Forever!»
«Es war sehr eng und es war schon anspruchsvoll, hier zu arbeiten.»
«Wir stehen in einem Baudenkmal. Das tröstet.»
«Und hier ist die Terrasse — eine der schönsten Terrassen der Welt.»
Am 8. November hebt wohl zum letzten Mal ein Verkehrsflieger vom Flughafen Tegel ab — eine Ära von 46 Jahre geht zu Ende. TXL ist für die einen ein überlastetes und nicht mehr zeitgemäßes Ärgernis. Doch einige Menschen haben eine besondere Verbindung zu Deutschlands langjährigem Inlandsairport Nummer eins.
Rainer Leverenz’ Arbeitsplatz ist das Vorfeld von Berlin-Tegel – er fährt ein Follow-me-Auto. Seit 32 Jahren arbeitet er in TXL, kontrolliert die Pisten, dirigiert die Piloten in ihre Parkpositionen. Er ist der verlängerte Arm des Towers. (Funk steht kurz frei) Leverenz, Spitzname «Levi», hat schon einiges in Tegel erlebt.
«Ich musste damals auf eine Maschine von, von British Airways und beim nach oben gehen. kam mir im Finger, also wo der Ausstieg ist, Mohammed Ali entgegen. Ich hatte ihn ganz freundlich gegrüßt: «Hallo Mister Mohammed Ali!» Da hat er sich gleich so positioniert, wie so ein richtiger wir immer früher gemacht hat. Auch im Ring so: Faust nach oben. Das war toll gewesen, sowas zu sehen.»
Während der Corona-Pandemie ist der Verkehr in Tegel ausgedünnt, da freut sich Leverenz über jedes Flugzeug, das kommt. (geht in kurze Szene über)
«Tach Männers! Ick wink die Maschine ein. Is dit okay für euch? Danke!»
Außenposition für die Lufthansa-Maschine aus München — Levi winkt den Airbus A320 ein, der häufigste Flugzeugtyp am Kurz- und Mittelstrecken-Hotspot Tegel. TXL hat nicht das Fernweh-Flair von Frankfurt, Heathrow oder Amsterdam – die Leute werden den Flughafen trotzdem vermissen, glaubt Leverenz.
«Ja, 100 % klar. Der Flughafen ist Berlin, braucht Berlin. Tegel gehört genau wie die Currywurst mit Pommes zu Berlin. Und da kannst du jeden Berliner fragen, der schon traurig ist, dass der Flughafen, wie wir sagen, der kürzesten Wege. Weil ich habe keinen Flughafen bisher so gesehen mit diesen Wegen, wie es bisher war. Also von daher glaube ich schon, dass der größte Teil der Bevölkerung von Berlin traurig ist und nicht nur Berliner, sondern auch viele, die sagen Mensch, schade, dass Tegel zumacht.»
Diese beiden haben den Flughafen der kurzen Wege gebaut: Meinhard von Gerkan, 85, und Volkwin Marg, 84. Für Deutschlands bekannteste Architekten der Gegenwart waren das Hauptgebäude und das sechseckige Terminal ihr erstes großes Projekt.
«Also quasi ein halbes Jahr, nachdem wir Diplom gemacht haben uns ein solcher Auftrag von weltweiter Bedeutung begegnet und man uns zutraut, den ganzen Flughafen zu realisieren, gehe ich davon aus, dass es eine Selbstverständlichkeit darstellt, dass dieses Gebäude die Plattform ist, auf der wir unseren internationalen Architekturrang, vielleicht als eines der bedeutendsten Architekturbüros überhaupt, auch im Ausland manifestiert haben.»
Zum Start 1974 ist Tegel für gerade einmal zweieinhalb Millionen Passagiere geplant. Auch wenn es später zehnmal so viele sind — für viele Fluggäste liegen zwischen Taxi und Boarding nicht mehr als 50 Meter.
«Das Leitsystem beginnt vor dem Flughafen. Weil das ein Drive-In-Flughafen war, gab es die — heute ist das eine ganz kleine Tafel, eine riesengroße Tafel. Und die Berliner Taxifahrer haben sich daran gewöhnt, immer erst davor zu halten, zu gucken, zu welchem Gate fahren sie? Und nur dadurch konnten sie genau das richtige Gate anfahren. Es musste ja schon der Taxifahrer wissen, wo man hin wollte.»
Pikant: Das Büro von Gerkan und Marg hat auch das Terminal des neuen Berliner Flughafens BER geplant. Doch so gut die Zusammenarbeit mit dem Berliner Senat im Falle von Tegel lief, so unglücklich sind die Architekten mit dem Pannenprojekt BER.
«Die ersten waren hervorragend und die zweiten waren unfähig. Dann funktioniert nichts mehr.»
Versöhnlich für die Stararchitekten: Hauptgebäude und Boarding-Ring stehen seit diesem Jahr unter Denkmalschutz und werden zur sogenannten Urban Tech Republic — einem Zentrum für Forschung und Start-ups.
«Es darf nicht hier praktisch eine Berliner Mauer erzeugt werden, nicht, zwischen dem Ring oder dem Hauptgebäude. Und wenn hier jetzt Startups unterkommen oder wenn hier Lehre und Forschung unterkommen, dann ist das gut. Nur man muss dann den richtigen Weg gehen. Es gibt ja aber zwei Pole und der richtige Weg ist genau der ausbalancierte Mittelweg, den man finden muss.»
Dieser Mann liebt den Flughafen Tegel: Matthias Winkler, im Hauptberuf Energieanlagenelektroniker, seine große Leidenschaft: Planespotting.
«Ich ging damals in den Kindergarten und die Mutter, eine bekannte Filmregisseurin. Die hatte ihre Tochter dort im Kindergarten. Die war sozusagen meine Spielkameradin im weitesten Sinne. Und die hatte dann organisiert, dass wir als Kindergartengruppe auf dem Flughafen Tegel einen Besuch machen konnten.
Und dieser Besuch war nicht irgendeine Rundfahrt, sondern diese Rundfahrt wurde im Flugzeug organisiert. Heutzutage unvorstellbar. Man hat damals eine Convair 990A von Modern Air gechartert und mit der haben wir diese Flughafenrundfahrt damals um das unfertige Sechseck gemacht. Und ich sage mal, das ist bei mir hängengeblieben.»
Die besondere Beziehung zum Stadtairport baut der heute 54-Jährige schon als kleiner Junge auf.
In seinen Aufnahmen hält Matthias Winkler — Channel-Name «Coronadojet» – Highlights und Raritäten des Flugbetriebs fest, wie den Start eines Überschallfliegers im Mai 1995…
«Man kommt nicht annähernd so nah an die Bahn heran. Teilweise hat man überhaupt keine Sicht auf die Bahn. Wahrscheinlich wird auch uns mit Blick auf die Nordbahn, die jetzt noch vom Parkhaus besteht, wird wahrscheinlich demnächst zugebaut durch ein neues Terminal. Dann hat man vom Flughafen aus keine Sicht mehr auf die Start- und Landebahn.»
«Der franz. Staatspräsident war sozusagen schwer erkrankt und sozusagen mit der Concorde dann sozusagen… und das war sozusagen der letzte Besuch der Concorde in Tegel.»
Dutzende Stunden Videomaterial hat Winkler auf der Besucherterrasse aufgenommen. Doch das Ende von Tegel bedeutet für ihn vermutlich auch das Ende seines Hobbys. Denn der neue Flughafen BER ist für ihn kein Ersatz.
«Ich konnte abends um 10 Uhr den Start vom Air Berlin A330 nach Abu Dhabi da konnte ich die Uhr nach stellen. Ich habe regelrecht darauf gelauert. Ich bin zum Balkon gegangen und hab mir das Geräusch angehört, weil ich sage mal sozusagen: Ich hab’s gebraucht. Und als es plötzlich weg war, hab ich etwas vermisst.»
Dass viele Anwohner in Reinickendorf, Spandau oder Pankow das Ende von TXL bejubeln, kann Winkler nachvollziehen – er wohnt selbst in der Einflugschneise. Wobei ihn der Fluglärm nicht stört – im Gegenteil.
«Ich konnte abends um 10 den Start der AB 330 nach Abu Dhabi, konnte die Uhr nach stellen… Ich hab’s gebraucht und als es plötzlich weg war hab ich’s vermisst.»
Dieser Großraumjet war für sieben Jahre ein Arbeitsplatz von Pilot Thomas Kärger. Der Berliner ist sieben Jahre lang für Air Berlin von und nach Tegel geflogen, oft auf der Langstrecke in die USA. Er hätte es gern gesehen, wenn Tegel offen geblieben wäre, kennt aber auch die fliegerischen Herausforderungen des über die Jahre immer voller gewordenen Flughafens.
«Es wird heute nie ein Offizieller zugeben, aber es war eine Sache, die war auf heisse Nadel gestrickt und jeder war immer froh, wenn er hier wieder heil raus war oder heil am Gate ankam. Weil die Abstände der Bahnen — kleine Fehler werden an großen Plätzen verziehen. Hier werden kleine Fehler nicht verziehen.»
Kärger verbindet viele Kindheitserinnerungen mit Tegel, als die US-Airline PanAm hier das Symbol für die große weite Welt war. Seine eigenen Anekdoten als Pilot sind weniger romantisch.
«Wie ich z.B. mit einem großen Airbus 330 auf einer Position für einen Airbus 320 geparkt wurde und noch vorher dreimal fragte, aber man mir bis zum Stillstand sagte: Nein, das ist richtig, das ist richtig! Und dann erst erkannte die Treppe passt ja gar nicht.»
Auch wegen solcher Episoden und der sich anschließenden Verzögerungen waren Passagiere von TXL in den letzten Jahren auch oft genervt. Bei vielen kommt in diesen Tagen dennoch Wehmut auf. Am Sonntag hebt die letzte Maschine ab, ein Airbus der Air France in Richtung Paris.
Egal, wie gut der BER startet, viele Berlinerinnen und Berliner werden Tegel in ihren Erinnerungen behalten – und manche auch tief im Herzen.
«Danke Tegel. War ‘ne schöne Zeit.»
Source: spiegel.de
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