1. Corona-Maßnahmen — mäßig sinnvoll?
Haben Sie sich schon mal mit der Abitur-Prüfungsordnung in einem deutschen Bundesland beschäftigt? Falls ja, schreckt Sie der Maßnahmenkatalog, mit denen die Corona-Pandemie unter Kontrolle gehalten werden soll, wahrscheinlich auch nicht mehr. Beim Abi wie bei Covid stellt jedes Land seine eigenen Regeln auf — und kaum denkt man, man steigt durch, ändert sich schon wieder was.
Meine Kolleginnen Katherine Rydlink und Nina Weber aus dem Gesundheits-Team und mein Kollege Patrick Beuth aus der Netzwelt haben sich die neuen Maßnahmen angeschaut, die Studienlage überprüft und Experten befragt: Was bringt es, ab 22 bzw. 23 Uhr die Kneipentüren zu schließen und die Bürgersteige hochzuklappen? Wie sinnvoll ist das Beherbungsverbot? Was halten Epidemiologen vom Maskentragen im Freien? Wie fällt die erste Bilanz zur Corona-App aus? Das Ergebnis, überspitzt formuliert: Die Maßnahmen taugen vermutlich nur mäßig — aber etwas Besseres haben wir leider nicht. Gerade musste eine weitere Impfstoff-Studie unterbrochen werden.
«Am meisten hat mich überrascht, dass selbst Epidemiologen den neuen Maßnahmen wenig abgewinnen können», sagt meine Kollegin Katherine Rydlink. Am Anfang habe die Regierung noch sehr eng mit der Wissenschaft zusammengearbeitet. «Das hat meiner Meinung nach zu einer hohen Akzeptanz in der Bevölkerung geführt», sagt Katherine. «Jetzt scheint der Trend wieder hin zu Einzelmeinungen zu gehen und der Föderalismus tut den Rest, um Chaos zu stiften.»
2. Sexuelle Belästigung — ein Witz?
Kennen Sie den? Sagt ein Mann zu einer schwangeren Frau: «Was hast du denn verschluckt?» Ganz lustig — oder? Nein? Falls Sie eine Frau sind, sollten Sie sich die Antwort gut überlegen. Man gilt so schnell als humorlos. Oder empfindlich. Oder zickig. Oder alles auf einmal.
Die Bemerkung hat ein Parteikollege der Grünen-Abgeordneten im Thüringer Landtag Madeleine Henfling gegenüber fallen lassen. Es ist nur ein Beispiel aus der nicht repräsentativen Umfrage meiner Kollegin Milena Hassenkamp, die sie unter Politikerinnen aller Parteien gemacht hat: Sie hat gesammelt, mit welchen Bemerkungen sich die Frauen im Alltag so herumschlagen müssen. Das meiste ist ziemlich harmlos – aber genau da fängt das Problem an. Denn jede einzelne Bemerkung mag nicht so schlimm sein und im Einzelfall erklärbar. In der Summe ergibt sich aber eine Struktur.
Anlass für Milenas Recherche war natürlich die «schlüpfrige» (allein dieses Wort!) Bemerkung von FDP-Chef Christian Lindner bei der Verabschiedung seiner Generalsekretärin Linda Teuteberg Ende September. Den Auftritt nennt Torsten Körner, Autor des Buches «In der Männerrepublik», im Gespräch mit Milena «Politik in James-Bond-Manier». Das ist leider kein guter Begriff, weil jemand wie Lindner ihn vermutlich als Kompliment empfindet.
Nicht alle Männer sind so. Aber was kann man tun, damit sich langfristig was ändert? Mich hat in diesem Zusammenhang das Foto einer jungen Frau aus Bangladesch beeindruckt. Dort sind, so stand es gestern bei uns auf der Seite, «Vergewaltigungen an der Tagesordnung, nur ein Bruchteil der Taten wird aufgeklärt». Nach Protesten hat die Regierung jetzt dort die Todesstrafe für Vergewaltiger eingeführt. Ich bin überzeugt, dass das nicht die Lösung ist, und Vergewaltigungen sind nicht dasselbe wie sexuelle Belästigung. Aber helfen würde in beiden Fällen, was die Frau auf ihrem Plakat fordert: «Sperr nicht deine Tochter ein, sondern erzieh deinen Sohn zu einem Menschen». (Und ich glaube, das geht sogar, ohne ihm James-Bond-Filme zu verbieten.)
3. Problemzonen — im Fußball?
Der Frauenfußball soll mehr gefördert werden — das ist eine der Aufgaben der «Taskforce Zukunft Profifußball», die sich im Auftrag von DFL-Chef Christian Seifert in den nächsten Monaten mit «Problemzonen des Fußballs» beschäftigen soll.
Ich weiß, viele Männer halten das für einen Witz — aber so richtig was zu lachen gibt es im Männerfußball gerade auch nicht. Oder fiebern Sie wirklich mit, wenn heute Abend um 20.45 Uhr in Köln das Spiel Deutschland gegen die Schweiz angepfiffen wird (live in der ARD und bei uns im Ticker? Bundestrainer Löw wird wieder mit einer Dreierkette antreten und wird dafür kritisiert. Warum, erklärt mein Kollege Jörn Meyn aus dem Sport so: «Der Bundestrainer will Sicherheit und Angriffslust zugleich, doch dafür fehlt es an Qualität.» Jörn setzt nach zwei Unentschieden und einem knappen Sieg gegen die Ukraine in der Nations League heute dennoch auf Löws Mannschaft: «Sie wird das Spiel gewinnen. Denn eigentlich ist das schon ein talentiertes Team.»
Was heute sonst noch wichtig ist
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Baerbock holt in K-Frage gegenüber Habeck auf: Ist Robert Habeck noch der wahrscheinlichste Kanzlerkandidat der Grünen? Co-Chefin Annalena Baerbock hat laut einer SPIEGEL-Umfrage in den vergangenen Monaten deutlich an Beliebtheit zugelegt, besonders im eigenen Lager.
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Warum die Mehrwertsteuersenkung Geringverdienern kaum hilft: Sie war das Herzstück der Corona-Hilfen: Die niedrigere Mehrwertsteuer sollte den Konsum ankurbeln. Doch die Realität sieht anders aus. Kritiker sprechen von einem «Porsche-Rabatt».
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EU darf Strafzölle auf US-Importe in Milliardenhöhe erheben: Seit rund 15 Jahren streiten die EU und die USA über Subventionen für die Flugzeughersteller Airbus und Boeing. Nun könnten Zölle auf Ketchup, Spielkonsolen und andere Güter eingeführt werden.
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Tichanowskaja stellt Lukaschenko ein Ultimatum: Oppositionsführerin Tichanowskaja reicht es mit der Gewalt auf den Straßen von Belarus. Sie fordert den umstrittenen Machthaber Lukaschenko zum Rücktritt auf — in spätestens 13 Tagen.
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Apple präsentert neue iPhones: Am Abend stellt der Konzern neue Geräte vor. Die Kollegen aus dem Ressort Netzwelt berichten live auf spiegel.de
Meine Lieblingsgeschichte heute: Abgetaucht
Wann haben Sie zuletzt ein Aquarium besucht? Wenn Sie die Multimedia-Geschichte von meinem Kollegen Marco Kasang aufrufen (tun Sie es am besten auf einem großen Bildschirm), sind Sie sofort unter Wasser, umgeben von Fischen und Korallen. Marco widmet sich in seiner Geschichte der Klimakrise und den Ozeanen: Sie bedrohen die Menschen an den Küsten, wenn der Meeresspiegel weiter steigt — und sind als Lebensraum selbst bedroht. Die Geschichte ist voll mit Fakten, informativen Grafiken und großartigen Bildern von der Kraft des Meeres. Warum wir so was nicht jeden Tag machen? Wenn Sie ganz am Ende der Geschichte sehen, wie groß das Team dahinter war, wissen Sie es. Aber es ist, soviel sei verraten, der Auftakt einer kleinen Serie.
Was wir heute bei SPIEGEL+ empfehlen
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«Zahlenblindheit ist gefährlich, auch für die Demokratie»: Reproduktionszahl, Dispersion, Perkolation: Der pensionierte Stochastikprofessor Norbert Henze erklärt, warum so viele Deutsche die Pandemie nicht verstehen — und sagt, was sich ändern muss.
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Der Gestaltwandler: Er kann glänzend taktieren: Mal tritt er als charismatischer Führer auf, mal als Mann aus dem Volk. Jarosław Kaczyński ist der mächtigste Mann Polens. Nur was will er mit dieser Macht?
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Sie liebt ihre Tiere — und tötet sie: Die beste Art, Fleisch zu produzieren? Die Bäuerin Anja Bärmann sagt, sie habe sie gefunden.
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«Da gerät der Psycho-Haushalt der Stadt schwer durcheinander»: 1991 fiel der Straßenkarneval offiziell aus, Köln feierte trotzdem. Das lag auch an Jürgen Becker. Hier erklärt der Kabarettist, was man daraus lernen kann — und ob er das wiederholen würde.
Was heute nicht so wichtig ist
Klopp in the name of Love: Der Fußballtrainer Jürgen Klopp, 53, befeuert seinem Ruf als Motivationskünstler, indem er einen Brief seines Fans Lewis Balfe, 11, beantwortet. Der Junge hatte dem Coach des FC Liverpool geschrieben, weil er Angst vor dem Wechsel auf eine weiterführende Schule habe. Die Antwort Klopps veröffentlichten mehrere britische Zeitungen, darin heißt es: «Auch ich werde nervös. Um ganz ehrlich zu sein, würde ich mir Sorgen machen, wenn ich nicht nervös würde, denn wenn das passiert, kann ich die Energie in etwas Positives verwandeln.»
Tippfehler des Tages, inzwischen korrigiert: «Die Corona-Neurrkrankungen sind laut Robert Kocht-Institut auf 4122 gestiegen»
Cartoon des Tages: Die Reiseregelungen in Deutschland
Foto: Klaus Stuttmann
Und heute Abend?
Könnten Sie bedauern, dass Ihre Kinder schneller groß werden, als Andreas Steinhöfel schreiben kann. 2008 veröffentlichte der preisgekrönte Schriftsteller den ersten Band seiner Reihe über die beiden ungleichen Freunde Rico und Oscar, «tiefbegabt» der eine, hochbegabt der andere. Es war eins von diesen Kinderbüchern, die ich gerne vorgelesen habe, obwohl die Kinder damals schon alt genug waren, selbst zu lesen — und manchmal habe ich einfach für mich allein weitergelesen. Jetzt ist Band 5 der Reihe erschienen — und längst niemand mehr da, der sich dieses Buch von mir vorlesen lassen möchte. Macht nichts, ich kaufe es mir einfach selbst.
In «Rico, Oskar und das Mistverständnis» gibt es Streit zwischen den beiden Freunden, wie meine Kollegin Claudia Voigt schreibt, die Steinhöfel in Berlin am Schauplatz der Romane getroffen hat, DER DIEFFENBACHSTRAßE. Sie zanken sich, «weil Rico, der ja drei Jahre älter ist, sich zum ersten Mal verknallt hat und seine Zeit liebend gern mit Sarah verbringt. Oskar ist eifersüchtig, ‘er teilt nicht gern’, sagt sein Vater. Der tiefbegabte Rico, der in schwierigen Situationen das Gefühl hat, durch seinen Kopf würden Bingokugeln rollen, durchschaut seinen Freund dieses Mal.»
In diesem Sinne: Erst Füße hochlegen, dann ab in die Dieffe.
Ihnen einen schönen Abend. Herzlich
Ihre Anke Dürr
Hier können Sie die «Lage am Abend» per Mail bestellen.
Source: spiegel.de
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