1. «Ohne Abmahnung kann einen keiner rauswerfen."
Das Gerücht, dass nach dreimaliger Abmahnung automatisch die Kündigung im Briefkasten liegt, hält sich hartnäckig — ist aber Quatsch. «Es gilt weder die strikte Zahl drei, noch gibt es einen Automatismus, an den die Kündigung geknüpft wäre", sagt André Niedostadek, 50, Professor für Wirtschaftsrecht, Arbeitsrecht und Sozialrecht an der Hochschule Harz. Die eigentliche Frage, um die es bei der Abmahnung geht, betrifft vielmehr den Bereich des Kündigungsschutzes.
Hat ein Betrieb zehn oder weniger Mitarbeitende, fällt der Kündigungsschutz flach. Die Zahl zehn ist dabei nicht unbedingt an die Anzahl der Personen geknüpft, die im Unternehmen arbeiten. Sind einige von ihnen in Teilzeit beschäftigt, werden sie bei der Feststellung der Zahl der Beschäftigten anteilig berücksichtigt. Daher kann das Team auch größer als zehn Personen sein; einen Kündigungsschutz gibt es dann dennoch nicht.
Wichtig zu merken ist daher: In kleineren Betrieben kann Ihnen per se leichter gekündigt werden — und zwar in der Regel komplett ohne Abmahnung.
Generell unterscheidet das Kündigungsschutzgesetz drei Arten von Kündigungen: Bei der betriebsbedingten Kündigung wird das Arbeitsverhältnis beendet, weil der Arbeitgeber etwa seinen Standort in eine andere Stadt verlagert, das Unternehmen umstrukturiert oder aufgrund finanzieller Engpässe einsparen muss. «Gerade in Zeiten von Corona könnte die betriebsbedingte Kündigung noch häufiger auf uns zukommen", sagt Niedostadek. Hier gibt also nicht die oder der Beschäftigte selbst den Anlass dafür, dass das Arbeitsverhältnis beendet wird, sondern zum Beispiel eine mögliche Schieflage des Betriebs.
«Die Kündigung eines Arbeitsvertrags funktioniert ausschließlich schriftlich — nicht per E-Mail und auch nicht per Fax."
Grund für eine personenbedingte Kündigung wäre zum Beispiel ein Krankheitsfall, der den Job für den Mitarbeitenden unmöglich macht — selbst, wenn sie oder er wollte. «Covid-19 wäre hierbei wohl noch nicht ausreichend, da eine Erkrankung durch das Virus hoffentlich nur vorübergehend ist", sagt Niedostadek.
Wichtiger für den Fall der Abmahnung ist die verhaltensbedingte Kündigung, die aufgrund eines gravierenden Fehlverhaltens des Mitarbeitenden ausgesprochen werden kann; zum Beispiel, wenn die oder der Mitarbeitende dauerhaft zu spät ins Büro kommt. Bevor Chefin oder Chef wegen Fehlverhaltens im Job kündigen können, ist aber erst einmal eine Abmahnung Pflicht. Die Abmahnung funktioniert hier ein wenig wie die Gelbe Karte etwa beim Fußball, die dort Verwarnung bedeutet.
Der Grundsatz, dass vor einer Kündigung, die wegen eines Fehlverhaltens ausgesprochen wird, abgemahnt werden muss, gilt also. «Drei Abmahnungen werden Sie aber selten bekommen", sagt Niedostadek. Fristlos gekündigt werden kann in Ausnahmefällen jedoch auch ohne Abmahnung — etwa wegen eines Diebstahls im Unternehmen. Hier kommt es jedoch auch immer auf den Einzelfall an.
Beim Thema, ob man für ein grobes Vergehen gekündigt werden kann, wenn es außerhalb des Arbeitsplatzes passiert, sorgt gerade Profi-Basketballer Joshiko Saibou für Aufsehen: Der 30-Jährige wurde von seinem Arbeitgeber, den Telekom Baskets Bonn fristlos gekündigt. Der Grund: Ihm wurden «Verstöße gegen Vorgaben des laufenden Arbeitsvertrags als Profisportler» vorgeworfen, nachdem er in Berlin an einer Demonstration gegen die staatlichen Maßnahmen in der Coronakrise teilgenommen hatte. Bei der Demo war auch Saibous Freundin, die Weitspringerin Alexandra Wester, dabei. Saibou befindet sich derzeit noch im Rechtsstreit mit den Telekom Baskets — Ausgang offen. Wobei Niedostadek die Chancen für Saibou als gar nicht sich schlecht einschätzt. Denn was Beschäftigte privat unternehmen, so der Jurist, gehe Arbeitgeber erst einmal nichts an.
2.»Kündigen? Klar, das geht auch mündlich"
Man kennt es aus Filmen. Im Eifer des Gefechts wirft der eine dem anderen an den Kopf: «Ich kündige" — und ist für immer fort. Ein Mythos aus dem Kino. «Die Kündigung eines Arbeitsvertrags funktioniert ausschließlich schriftlich — nicht per E-Mail und auch nicht per Fax", sagt Niedostadek.
Auf den ersten Blick scheint also recht klar zu sein, was in der Praxis häufig komplizierter ist. Nehmen wir folgendes Beispiel: Der Mitarbeitende kündigt mündlich. Der Arbeitgeber stimmt zu. Kurz darauf kommt der Arbeitnehmer zur Besinnung und denkt sich: «Das mit der Kündigung, das wollte ich doch gar nicht". Wer ist im Recht?
Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz beschäftigte diese Frage bereits vor einigen Jahren intensiver (8 Sa 318/11). Die damalige Klägerin war seit Mitte 2007 Angestellte in einem Friseursalon. Während eines Telefonats mit dem Arbeitgeber im März 2010 sprach sie mehrmals eine fristlose Kündigung aus. Im selben Telefongespräch bestätigte sie diese Kündigung auch noch gegenüber einer weiteren Person. Rund zwei Wochen später kündigte der Betreiber des Friseursalons der Angestellten fristlos. Gegen diese Kündigung erhob die Mitarbeiterin Klage. Der Arbeitgeber gab an, das Arbeitsverhältnis sei schon deshalb beendet, weil die Klägerin selbst zuvor am Telefon gekündigt habe. Die Angestellte argumentierte, dass sie sich an eine Kündigung nicht erinnern könne, am Telefon habe sie nur erklärt, dass sie ihren Job wegen Krankheit vorübergehend nicht machen könne. Die Kündigung sei unwirksam, so das Argument der Frau, weil die Schriftform fehle. Das Landesarbeitsgericht wies die Klage der Angestellten in Übereinstimmung mit der Vorinstanz ab. Es trug vor, dass ein Arbeitnehmer sich ausnahmsweise an der mündlichen Kündigung festhalten lassen muss, wenn er diese mehrmals und ernsthaft wiederholt.
Dennoch, der Grundsatz bleibt: Gekündigt werden muss schriftlich — und zwar nicht per Fax oder E-Mail.
3. «Betriebsbedingte Kündigung? Da trifft es immer die Jüngsten."
Jeder Kündigungsgrund hat seine speziellen Erfordernisse; bei der verhaltensbedingten Kündigung ist es, wie oben bereits beschrieben, zum Beispiel notwendig, dass der Arbeitgeber zuvor abmahnt. Bei der betriebsbedingten Kündigung spielt dagegen die sogenannte Sozialauswahl eine besondere Rolle. Sie ist im Kündigungsschutzgesetz geregelt. Dort steht, dass eine betriebsbedingte Kündigung unwirksam sein kann, wenn bei der Sozialauswahl bestimmte Gesichtspunkte gar nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt werden.
Bei der Sozialauswahl werden unterschiedliche Aspekte in den Blick genommen: etwa die Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter oder einen eventuelles körperliches Handicap. Die Idee hinter der Sozialauswahl ist die, dass Menschen, die aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters oder einer körperlichen Beeinträchtigung auf dem Arbeitsmarkt Nachteile haben, besonderen Schutz genießen. Arbeitgeber sollten bei der Sozialauswahl gründlich vorgehen, um sich Probleme zu ersparen.
«Es kommt bei der Sozialauswahl also auf viel mehr Dinge an, als nur das Alter", sagt Niedostadek. Hier kennt das Gesetz noch ein weiteres Einfallstor für Probleme: Und zwar können Chefin und Chef «Leistungsträger und Leistungsträgerinnen" aus der Sozialauswahl ausnehmen. «Ob jemand für das Unternehmen wirklich unverzichtbar ist, müssen Arbeitgeber jedoch überzeugend belegen können", sagt Niedostadek.
4. «Keine Begründung bei der Kündigung? Dann ist sie unwirksam"
Dieser Mythos lässt sich ziemlich einfach entkräften. «Eine Kündigung braucht zwar oftmals, wie wir gesehen haben, einen Grund, der Arbeitgeber muss sie aber nicht begründen", sagt Niedostadek. Ausnahmen gibt es hier zum Beispiel während des Mutterschutzes oder in der Ausbildung. Kündigt der Arbeitnehmer, braucht er ohnehin keinen Grund anzugeben.
Der Arbeitgeber ist zwar nicht verpflichtet, die Kündigung zu begründen, jedoch dürfen die Beschäftigten erfahren, worauf die Kündigung zurückzuführen ist. Das ist nicht vertraglich normiert, ergibt sich aber aus dem Nebenpflichten des Arbeitgebers.
Der Tipp hier: Zwar ist eine Kündigung auch ohne Begründung wirksam, «fragen Sie jedoch nach einer Begründung. Diese Pflicht hat der Arbeitgeber", sagt Niedostadek. Kommt der Arbeitgeber dieser Pflicht nicht nach, besteht unter Umständen ein Schadensersatzanspruch.
Solche Ansprüche seien zwar in der Regel nicht leicht durchzusetzen, aber im Arbeitsrecht gebe es nichts, was es nicht gibt, so Niedostadek und verweist auf eine Entscheidung des Arbeitsgerichts Gießen. Das hatte einer Arbeitnehmerin, einer stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden, einen Schadensersatz von 20.000 Euro zugesprochen. Der Grund: Der Arbeitgeber ließ Kündigungsgründe provozieren oder einfach ganz erfinden.
Source: spiegel.de
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