пятница, 25 сентября 2020 г.

Luisa Neubauer und der weltweite Klimastreik von Fridays for Future

Auf der Bühne vor dem Brandenburger Tor fasst Luisa Neubauer die große Erkenntnis des globalen Klimastreiks knapp zusammen: «Hell yeah, wir sind immer noch da, wir sind sowas von da!», ruft sie den Demonstrierenden zu.

Zu diesem Zeitpunkt ist der Sitzstreik fürs Klima vor dem Brandenburger Tor in Berlin gerade knapp zwei Stunden alt, einer von rund 450 geplanten Protesten an diesem Tag in Deutschland, mehr als 3000 weltweit, so teilt es jedenfalls «Fridays for Future» (FFF) mit. Es ist der erste globale, physisch auf der Straße stattfindende Streiktag seit Beginn der Corona-Pandemie.

Wir sind immer noch da — für Außenstehende mag das selbstverständlich klingen.

  • War nicht Neubauer selbst gemeinsam mit Greta Thunberg und zwei belgischen Aktivistinnen neulich noch bei Angela Merkel im Kanzleramt?

  • Und waren sie nicht auch von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen empfangen worden?

  • Hatten die vier nicht einen offenen Brief geschrieben, den von Leonardo di Caprio über Coldplay bis Malala Yousafszai Berühmtheiten unterschrieben hatten?

  • Gab es nicht neulich eine Debatte über Jakob Blasel, einen Klimaaktivisten, der für die Grünen in den Bundestag will?

  • Hatten nicht «Stern», «taz» und «Hamburger Morgenpost» zum Streik Sonderausgaben in Koordination mit der Bewegung veröffentlicht?

Mag alles sein.

Aber tatsächlich war für FFF das halbe Jahr der Pandemie zehrend. Als Bewegung der Wissenschaft und Grundvernunft hatte sich «Fridays for Future» besondere Vorsicht verordnet. Bloß niemanden gefährden. Bloß nicht die eigenen Grundsätze verraten. So war die Bewegung ihrer wichtigsten Aktionsform beraubt. Angesichts der bisherigen Wirkmacht und Professionalität konnte man es zwar leicht für selbstverständlich halten, dass sie dadurch keinen Schaden nehmen würde.

Andererseits ging es doch um eine Bewegung von Schülerinnen und Studenten, gerade ein gutes Jahr alt, lose institutionalisiert, die von ihrer Verankerung in der Fläche lebt. Viele wichtige Aktivistinnen und Aktivisten wussten immer, dass eine so lange Pause eine Gefahr darstellt. Deshalb also jetzt der Weg zurück nach draußen. Nur dort gibt es wirklich Aufmerksamkeit. Und nur dort erlebt man sich selbst als Bewegung.

Kein Vergleich zum Vorjahr

Da klingt das «Hell yeah» plötzlich nachvollziehbar. Man darf deshalb annehmen, dass Luisa Neubauer diese Rede in jedem Fall so gehalten hätte. Das war die große Botschaft dieses Streiks: Die Bewegung geht weiter. Sie kann es noch, sie will noch, sie ist durch Corona nur etwas gebremst, nicht gelähmt. Zum Zeitpunkt ihrer Rede war immerhin schon absehbar, dass Neubauers Beschwörung nicht nur Wunsch ist, sondern Wirklichkeit.

Die Straße des 17. Juni war nicht die ganzen zwei Kilometer bis zur Siegessäule gefüllt, wie es FFF selbst durchsagte, aber doch zu einem beachtlichen Teil. Trotz des Regens zu Beginn der Demonstrationen am Vormittag.

Wenige Stunden vorher war das alles andere als klar gewesen. Vor dem Berliner Hauptbahnhof hatte sich gegen elf Uhr ein Grüppchen versammelt, um von dort mit Fahrrädern in einem Bogen hinüber auf die Straße des 17. Juni zu fahren. Auf dem Weg vom Bahnhof zum Brandenburger Tor, auf dem vor fast genau einem Jahr, beim bisher größten Klimastreik, stundenlang Menschenmassen am Kanzleramt vorbeigeströmt waren, liefen ein paar wenige Menschen.

Der Vergleich dieses Klimastreiktags mit dem Vorjahr sei wegen der Pandemie nicht sehr sinnvoll, betonten die Aktivistinnen und Aktivisten auffallend eifrig, wenn man im Vorfeld mit ihnen über ihre Erwartungen und Hoffnungen sprach. Man könne schon wegen der Abstandsregeln nicht so viele Menschen auf die Straße bringen. Darum gehe es also nicht.

Worum es dann gehe, oder besser, woran man am Freitagabend festmachen würde, ob der Streik ein Erfolg war oder eine Enttäuschung, blieb allerdings unklar. Ein Gefühl würde sich erst im Laufe des Freitags einstellen.

Außerdem betonte man doch immer wieder die mehr als 400 geplanten Streiks. Ganz egal waren Zahlen also nicht.

«Wir haben eine Diskussion verändert. Und jetzt kommen wir zu dem Punkt, wo wir Taten einfordern und Taten brauchen, und auch da werden wir nicht lockerlassen, natürlich nicht. Und Leute, das wird hart», sagte Neubauer, als müsse sie die Bewegung einschwören. «Es wird unbequem. Menschen wollen sehen, wie wir daran untergehen. Menschen wollen sehen, dass wir aufgeben. Menschen wollen sehen, dass wir scheitern.»

Menschen wollten, dass FFF resigniere, «aber das kriegen sie nicht». So spricht man in einer Bewegung, die ja doch eher am wohlfeilen Schulterklopfen als an offenem Widerspruch zu leiden hat, nur, wenn man fürchtet, dass die nächsten Monate wirklich schwer werden.

Deshalb also: koordinierter Protest draußen, trotz Corona, nach Online-Formaten und kleinen, anlassbezogenen Aktionen.

Inhaltlich sind die Positionen bekannt: Die Politik dürfe sich nicht aus der Verantwortung stehlen. Bisher verabschiedete Maßnahmen reichen nicht, um das Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, einzuhalten. Die Zeit dränge. Jede Partei brauche ein Programm, das mit dem 1,5-Grad-Ziel vereinbar sei.

Für diese Botschaften braucht es nicht unbedingt mehr Demonstrationen.

Für politischen Druck schon, vor allem aber für die Motivation der Bewegung selbst. «Man muss Präsenz zeigen, um etwas verändern zu können», sagte Nele Leich, 22, eine Teilnehmerin der Demonstration. «Ich finde es gut, dass «Fridays for Future» wieder stattfinden darf.»

Der Streik war allerdings auch ein großes Risiko.

In Bayern mussten schon im März geplante Aktionen zur Kommunalwahl ausfallen — so etwas zehrt an der Motivation. Dazu kommen die Kosten, die diesmal deutlich über denen früherer Streiks lagen, vor allem, weil mehr Technik vonnöten war, um mehr Bühnen und mehr Raum coronatauglich vorzubereiten.

Eine Absage kurz vor Termin hätte die Bewegung in arge Nöte gebracht, finanziell und kollektivpsychologisch.

Damit trotz der Corona-Lage alles klappt, hatten die Ortsgruppen teils detaillierte Hygienekonzepte vorgelegt. In Berlin hatten Freiwillige am Morgen noch weiße Punkte auf die Straße gesprüht, im Abstand von zwei Metern. Auch so etwas half nicht viel, wo, wie in München, die Infektionszahlen zu hoch waren. Dort wurde der eigentlich geplante Streik abgesagt. In Hamburg hatte die Sozialbehörde wenige Tage vor dem Streik das eingereichte aufwändige Konzept verworfen. FFF zog vors Verwaltungsgericht und bekam Recht.

In Berlin liefen Ordner permanent durch die Menge. «Dahinten will ein Mann keine Maske aufsetzen und wird recht unangenehm», sagte etwa eine Frau zu einer Ordnerin. «Du gehst am besten direkt zur Polizei», antwortete die.

Die Auflagen waren streng, die Ordner beflissen — die Mobilisierung besser, als mancher befürchtet hatte.

Am Freitagnachmittag verschickte FFF eine «Eilmeldung» an Abonentinnen und Abonennten, in Berlin seien 21000 Menschen, in Köln 10000 gewesen. Plötzlich waren Zahlen dann doch wieder wichtig.

Icon: Der Spiegel

Source: spiegel.de

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