Mehr als 30 Jahre nach dem Tod eines Jungen hat das Landgericht Hanau eine mutmaßliche Sekten-Chefin wegen Mordes verurteilt. Es verhängte eine lebenslange Freiheitsstrafe gegen die Frau.
Das Gericht folgte damit dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Sie warf der 73-Jährigen Mord durch Unterlassen an dem damals Vierjährigen vor. Die Verteidigung plädierte in dem Verfahren auf Freispruch. Sie sieht eine «Hetzkampagne angeblicher Sekten-Aussteiger».
Die Frau hatte laut Anklage im August 1988 den Jungen in einen Leinensack eingeschnürt und in ein Badezimmer gelegt. Das Kind sei ohnmächtig geworden und an seinem Erbrochenem erstickt. Ermittler hielten den Tod des Jungen lange Jahre für einen Unfall. Erst 2015 wurden die Ermittlungen nach Hinweisen neu aufgenommen.
Als Motiv sieht die Staatsanwaltschaft, dass die 73-Jährige durch den Tod des Jungen ihre Machtposition stärken wollte. Sie habe das Kind als «vom Bösen besessen» bezeichnet. Nach dem Tod habe sie die Eingebung vorgetäuscht, dass Gott das Kind geholt habe — der Junge sei die Wiedergeburt Hitlers gewesen.
Zeugen berichteten in dem seit Oktober laufenden Verfahren vom strengen Regiment der 73-Jährigen sowie von den Leiden des Jungen und auch anderer Kinder. Wegbegleiter und Aussteiger berichteten von seelischen Grausamkeiten, Gehirnwäsche, psychischer und physischer Gewalt in der Hanauer Gruppe.
Rückendeckung bekam die Angeklagte von der Mutter des toten Jungen. Sie gab an, dass die frühere Krankenschwester liebevoll mit den Kindern umgegangen sei. «Sie ist wie eine Schwester und gute Freundin für mich», sagte die Zeugin in dem Prozess. Die Angeklagte konnte nur wegen Mordes verurteilt werden — alle anderen Straftatbestände wären verjährt gewesen.
Source: spiegel.de
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