вторник, 29 сентября 2020 г.

Debatte um Philip Guston: Zu langsam für die Gegenwart — Kommentar

Es war ein Aufreger im internationalen Kunstbetrieb: Am vergangenen Wochenende gaben vier sehr namhafte Museen in den USA und London bekannt, dass ihre gemeinsame Ausstellung «Philip Guston Now» verschoben wird.

Man befürchte, dass die ursprünglich für diesen Sommer geplante, dann wegen Corona auf Juli 2021 verschobene Retrospektive über den US-amerikanischen Maler im aktuellen politischen Klima falsch aufgefasst werden könne. Man wolle sie deshalb erst im Jahr 2024 zeigen, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung der National Gallery in Washington, dem Museum of Fine Arts in Boston, der Tate Modern in London und dem Museum of Fine Arts in Houson. Die Museen wollten auf eine Zeit warten, in der «die kraftvolle Botschaft der sozialen und rassischen Gerechtigkeit, die im Zentrum von Philip Gustons Werk steht, klarer interpretiert werden kann.»

Explizit teilten die Museen nicht mit, welche Werke Gustons ihnen derartige Bauchschmerzen bereiten, doch es liegt auf der Hand: Die Bedenken beziehen sich auf 24 Gemälde, auf denen Ku-Klux-Klan-Figuren zu sehen sind.

«Ist der Maler Philip Guston zu provokativ geworden?» fragte der «Tagesspiegel», und die «Süddeutsche Zeitung» fand die Argumente für die Absage «erschreckend konfliktscheu». Kurator Robert Storr, der soeben eine Biografie über den Künstler veröffentlicht hat («Philip Guston: A Life Spent Painting»), sprach gegenüber «Artnet News» von «Feigheit der Museen».

Auch die Tochter des Malers Musa Mayer äußerte sich enttäuscht bei «Artnet», schließlich habe ihr Vater schon vor 50 Jahren dem «weißen Amerika einen Spiegel vorgehalten und systemischen Rassismus entlarvt».

Linksorientiert und politisch

Ist das nun ein neuer Höhepunkt der «Cancel Culture», bei der es ausgerechnet einen Künstler trifft, der in Cartoon-artigen Szenen eigene diskriminierende Erfahrungen mit weißen Mützenmännern verarbeitet hat?

Philip Guston zählt zu den herausragenden Malern der amerikanischen Moderne, er ist bekannt für seinen abstrakten Expressionismus. Der Sohn russisch-jüdischer Einwanderer wurde 1913 in Kanada geboren, 1919 siedelte die Familie nach Kalifornien um und wurde mit dem Ku-Klux-Klan konfrontiert. Als Kind malte er Comics, in der High School war er mit Jackson Pollock befreundet und soll gemeinsam mit ihm wegen satirischer Zeichnungen von der Schule geflogen sein.

Guston, 1980 verstorben, war linksorientiert und politisch, was sich früh in seinen Wandbildern über Rassismus manifestierte. In den figürlichen Werken tauchen immer wieder Kapuzen und glimmende Zigaretten auf. Als er 20 Jahre alt war, sollen Klansmänner seine Bilder zerschnitten haben. Später widmete er sich der abstrakten Malerei, zeichnete aber bis in die Sechzigerjahre hinein noch Kapuzen.

Es ist deshalb absolut notwendig, dass sich die Rezeption von Gustons Werken auf das bezieht, was im Jahr 2020 in den USA geschieht — Polizeigewalt, weltweite Anti-Rassismus-Proteste, Denkmalstürze. Doch der Betrieb großer internationaler Museen tickt sehr langsam. An einer Wanderausstellung in der Dimension von «Philip Guston Now» wird jahrelang gearbeitet. Vielleicht hatten die Kuratoren der noch jungen #BlackLivesMatter-Bewegung oder den Protesten im Jahr 2016 in ihren Einordnungen und Gewichtungen zu wenig Raum gegeben. George Floyd war zu diesem Zeitpunkt noch am Leben.

Schmerzhaft, aber richtig

Wer aber jetzt den Kontext dieses erschütternden Jahres 2020 ignorierte, würde die Augen verschließen. Eine Ausstellung, die das Thema Rassismus berührt und das Wort «Jetzt» im Titel trägt, ist verpflichtet, auf den aktuellen Diskurs zu reagieren. Die Entscheidung, die Ausstellungen nun erst einmal zu stoppen, um für eine ausführlichere und aktuellere Kontextualisierung zu sorgen, ist also schmerzhaft, aber richtig.

Das eigentliche Ärgernis liegt woanders: Darin, dass vier große Institutionen der Kulturvermittlung sich drei Jahre Zeit nehmen wollen, um in einer Ausstellung, die Ku-Klux-Klan-Darstellungen enthält, auf neue Entwicklungen einzugehen. Echtzeit-Kontextualisierung sieht anders aus. Sicherlich braucht ausgewogene Arbeit ihre Zeit, doch wenn der Kunstbetrieb sich als Akteur in gesellschaftlichen Diskursen sehen will, muss er beweglicher werden.

Icon: Der Spiegel

Source: spiegel.de

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