четверг, 20 августа 2020 г.

Dürre und Hitzesommer in Deutschland: Wie Bauern unter dem extremen Klima leiden

[00:00:03] Yasemin Yüksel Willkommen zu Stimmenfang, dem Politik-Podcast vom SPIEGEL. Ich bin Yasemin Yüksel.

[00:00:23] Bauer Heiko Terno Knochenhart hier auch. Hier ist es noch ein bisschen frisch, das ist vom Regen. Obendrauf staubt es wieder. Der Boden ist leer, da ist kein Wasser mehr, alles staubig — Asche, knochenharte. Der Wald ist vertrocknet. Es geht nicht mehr ohne Wasser. Ich kann mir das Szenario, und will es mir auch nicht ausmalen.

[00:00:36] Yasemin Yüksel Das ist Heiko Terno. Er ist Bauer in Brandenburg und kämpft gegen die Folgen von Dürre, Hitze und zu wenig Regen. Mein Kollege Sebastian Spallek hat ihn kürzlich auf seinem Hof besucht und er hat sich ein Bild davon gemacht, was es für Bauern wirklich bedeutet, wenn die Sommer in Deutschland, wie in den letzten Jahren, immer heißer und immer trockener werden.

[00:00:57] Einspieler 2018 war mit 10,5 Grad das wärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen

[00:01:02] Einspieler Jahrhundertsommer!

[00:01:03] Einspieler Heiß, heißer, Juli 2019.

[00:01:07] Einspieler Das Frühjahr 2020 war in Deutschland eines der sonnigsten seit Beginn der Wetteraufzeichnungen.

[00:01:12] Einspieler Laut Deutschem Wetterdienst waren im April bislang nur drei Prozent der üblichen Niederschläge zu verzeichnen. Bleibt der Regen weiter aus, befürchten viele Bauern wieder einen Dürresommer.

[00:01:25] Yasemin Yüksel Jetzt kann man das Wetter natürlich schwer beeinflussen, aber Politik — in dem Fall Klimapolitik — schon, und darum fragen wir in dieser Folge von Stimmenfang: Nimmt die Politik den Klimawandel immer noch nicht ernst genug?

[00:01:37] Susanne Götze Wissenschaftler betonen eben auch, dass die heutigen Dürren, die wir jetzt schon so schrecklich finden und wo es jetzt schon Millionen- und Milliardenentschädigung europaweit gibt für Landwirte, dass das ein kleiner Vorgeschmack ist auf das, was sich häufen wird bis 2030, bis 2050.

[00:01:52] Yasemin Yüksel Zu dem Schluss kommt meine Kollegin Susanne Götze aus dem SPIEGEL-Wissenschaftsressort. Von ihr hören wir nachher noch mehr. Jetzt ist aber erst mal Sebastian Spallek aus unserem Audio-Team bei mir. Hallo Sebastian!

[00:02:01] Sebastian Spallek Hallo Yasemin!

[00:02:03] Yasemin Yüksel Sebastian, dieser Landwirt, den wir am Einstieg der Episode schon mal gehört haben, den hattest du besucht. Erzähl mal, wer das ist und wo warst du da?

[00:02:10] Sebastian Spallek Ja, ich bin da nach Brandenburg rausgefahren, genauer nach Kemlitz — ziemlich klein. Und dort habe ich den Landwirt getroffen. Heiko Terno heißt der, und der hat mich abgeholt.

[00:02:20] Sebastian Spallek Also hallo, schön, dass Sie Zeit haben.

[00:02:21] Bauer Heiko Terno Na gerne, Mensch. Wenn sich für die Landwirtschaft jemand interessiert, müssen wir die Zeit doch nutzen, Mensch.

[00:02:28] Sebastian Spallek Wir sind dann zusammen im Auto zum Hof gefahren, und er hat auch sofort losgelegt: also über seine Pflanzen und den Regen und die Dürre.

[00:02:36] Bauer Heiko Terno Ja, nee, also wir hatten die letzten beiden Jahre waren ja schon extrem, und dieses Frühjahr fing es auch wieder Ordnung. Wir haben ja noch immer dieses Niederschlagsdefizit aus den vergangenen Jahren und dann kam noch der Frost hinzu. Dieses Frühjahr war ja nicht nur so trocken, da kam ja noch dieser Spätfrost dazu, der hat ja auch noch ein bisschen Schaden gemacht. Und von daher, der Regen, der jetzt im Moment kam, der war dann schon ein bisschen eine Erleichterung hier für uns.

[00:02:59] Sebastian Spallek Hat es auch wirklich konkret schon Ernteausfälle gegeben?

[00:03:04] Bauer Heiko Terno Ja, naja klar. In den letzten beiden Jahren oder wie?

[00:03:04] Sebastian Spallek Ja.

[00:03:04] Bauer Heiko Terno Ja, auf alle Fälle. Wir haben teilweise beim Winterroggen und so bloß die Hälfte geerntet wie im durchschnittlichen Jahr.

[00:03:13] Sebastian Spallek Links und rechts an der Straße hat man dann schon diese riesigen Äcker gesehen. Und als wir dann am Hof angekommen sind, hat er mir vor Ort seine Kuhställe gezeigt. Das ist jetzt ein normaler Bauernhof, kein Biobetrieb — also ganz konventionell. Und dort hat er Tiere und er betreibt auch Ackerbau.

[00:03:31] Bauer Heiko Terno Tausend Hektar Ackerland bewirtschaften wir hier, halten 400 Milchkühe und die weibliche Nachzucht dazu und bauen eben Kartoffeln an und haben auch einen Kartoffelveredelungsbetrieb bei uns. Also wir schälen die Kartoffeln und die werden geschält und vakuumiert von hier aus in die Gaststätten und in die Großküchen geliefert, und sind halt bei den Kartoffeln gerade auf ordentliche Erträge und ordentliche Qualitäten angewiesen.

[00:03:55] Sebastian Spallek Wie sieht es da in diesem Jahr aus bisher?

[00:03:56] Bauer Heiko Terno Von daher, wir sind schon intensiv am Bewässern, weil es einfach zu trocken ist. Die Kartoffel braucht Wasser, und das müssen wir künstlich geben hier. Da können wir uns keine Faxen erlauben hier und auf die Natur warten. Wenn 30 Grad draußen sind und wir mit diesem 5 Grad kalten Wasser kommen, ist das auch Stress für die Pflanzen. Das ist schon nicht so einfach. Der natürliche Regen ist durch nichts zu ersetzen. Also fünf Liter Regen sind genauso, als wenn wir 20 Liter mit kaltem Wasser beregnen, weil der Regen einfach viel wärmer ist und den Pfanzen viel besser bekommt, als wenn wir hier mit der kalten Dusche hier rüberkommen.

[00:04:28] Yasemin Yüksel Okay, also Kartoffeln, Ackerbau —  das heißt, logischerweise ist er als Landwirt von Regen, von Niederschlag abhängig. Hat er dir denn vor Ort auch zeigen können, was das konkret für ihn bedeutet? Wie sich das auswirkt?

[00:04:39] Sebastian Spallek Ja, er hat mir schon mehrere Beispiele gezeigt. Als erstes sind wir dann an so ein Maisfeld gefahren.

[00:04:43] Bauer Heiko Terno Beim Silomais da waren richtige Ertragseinbußen. Beim Silomais haben wir 2017 ja 300 Doppelzentner geerntet und im letzten Jahr bloß 140 — nicht mal die Hälfte geerntet. Das war schon extrem. Wir können ja hier mal anhalten und mit dem Spaten mal buddeln.

[00:05:06] Sebastian Spallek Gerne.

[00:05:06] Sebastian Spallek Da habe ich dann wirklich auch das erste Mal kapiert, was Dürre eigentlich heißt.

[00:05:13] Bauer Heiko Terno Knochenhart hier auch. Hier ist es noch ein bisschen frisch, das ist vom Regen. Obendrauf staubt es wieder.

[00:05:28] Sebastian Spallek Also es sieht jetzt zumindest oben schon ziemlich trocken aus.

[00:05:33] Bauer Heiko Terno Hier sieht man das ja schön. Das hier oben ist schon wieder ausgetrunken, unten ist ein bisschen Feuchtigkeit, aber wie gesagt, wir hatten halt ein bisschen Niederschlag, aber das ist bloß mit dem Spaten und da untendrunter ist die blanke Asche, wenn wir noch tiefer kommen.

[00:05:48] Sebastian Spallek An dem Tag war es auch richtig heiß. Also bestimmt an die 30 Grad, und es war auch super windig, und alles hat gestaubt. Man hat dann da auch gesehen, da tief im Boden gibt’s keine Wasserreserven. Also so sporadische, heftige Regenfälle, die bringen eigentlich nichts.

[00:06:02] Bauer Heiko Terno Also wir brauchen den Niederschlag verteilt über einen längeren Zeitraum. Wenn hier eine Stunde mal 50 Liter kommen, da fließt ein Großteil oberirdisch ab, sammelt sich in den Senken und das bringt überhaupt gar nichts. Die Niederschläge müssen so als Landregen mal verteilt kommen. Über mehrere Tage könnte das ruhig mal regnen, sodass der Boden mal wieder wassergesättigt ist, weil es ist oberflächlich ein bisschen Wasser — die Pflanzen haben da auch etwas von, gar keine Frage — aber letztendlich: das Defizit in den tieferen Bodenschichten, das wird ja nie im Leben damit ausgeglichen.

[00:06:31] Sebastian Spallek Und seine Probleme, die er mit dem fehlenden Regen hat, die hören natürlich nicht beim Mais auf. Das hat er mir dann auch noch an einer anderen Stelle gezeigt.

[00:06:39] Bauer Heiko Terno Wir haben das hauptsächlich in den Weidegrasbeständen bei uns beim Feldfutter, aber auch bei der Wintergerste, die ja extrem gelitten hat. Und da fahren wir jetzt mal hin. Und das sieht man bei der Gerste daran: die hat kurze Ähren und teilweise gar nicht ringsherum mit Körnern besetzt, weil sie entweder im Frühjahr durch die Trockenheit gar nicht zum Ansetzen kamen oder durch den Frost auch erfroren sind. Hier gehen wir mal rein, hier sieht man das schon. Hier vorne ist es goldgelb, und da hinten, wo so die dunklen Löcher sind, da fehlt der Acker. Das kann man jetzt schon mit Sicherheit sagen. Da können wir hier mal ein Stückchen hingehen. Hier sieht man das zum Beispiel. Das ist so eine vertrocknete Ähre hier. Die ist gar nicht voll ringsherum mit Körnern belegt hier, bloß so ein paar kleine Körner hier dran.

[00:07:24] Sebastian Spallek Und ist auch nicht wirklich ganz gelb, sondern eher so braun.

[00:07:27] Bauer Heiko Terno Die ist natürlich schon, die wird jetzt reif hier und wird hier schwarz auch von dem Regen, der jetzt kam. Aber hier ist eben der Ertrag weg. Wir brauchen hier solche großen Ähren. Da sieht man, dass da viel mehr Musik drin ist. Das ist eben kein Vergleich hier, wenn man das mal sieht. Und letztendlich haben wir den Ertrag ja nur über die Körner und hier sind nicht alle Körner belegt und die, die dran sind, die sind auch klein hier und vertrocknet.

[00:07:50] Sebastian Spallek Und wie kann das sein, dass die einen hier ziemlich gut ausgewachsen sind und die anderen so klein, vertrocknet?

[00:07:54] Bauer Heiko Terno Da sieht man sofort die Unterschiede vom Boden.

[00:07:56] Sebastian Spallek Okay.

[00:07:56] Bauer Heiko Terno Wenn der Boden ein bisschen besser ist — hier ist ja nicht mehr Regen gefallen — aber der Boden ist besser und hält dann einfach länger aus mal oder hast du ein bisschen Verschattung von den Bäumen und so. Solche Unterschiede macht das.

[00:08:06] Sebastian Spallek Und weil es halt nicht immer trockener ist, muss er halt auch künstlich bewässern. Auf den Regen allein kann er sich da eigentlich nicht mehr verlassen. Besonders anschaulich ist das Ganze natürlich dann eher im Wald. Dort kann er ja eigentlich nicht bewässern. Da sind wir dann auch mal hin und haben uns das angeschaut.

[00:08:22] Bauer Heiko Terno Wir haben ja als Betrieb selber hier ein Fünf-Hektar-Stück Wald. Das ist ein Mischwald, da sind rings herum Eichen, und hier in der Mitte waren ein paar Fichten gewesen, und die Fichten waren alle total trocken. Während man sieht: die Kiefern, die haben das noch relativ gut überstanden, aber die Fichten mit ihren flachen Wurzeln, für die hat das eben nicht mehr gereicht. Und die zwei trockenen Jahre haben dazu geführt, dass die vollkommen tot waren. Dann kommen die Käfer, gehen ins Schadholz und die vermehren sich dann, und deswegen haben wir die rausgenommen. Aber man sieht ja das, wenn hier an so einem Baum die Rinde fehlt, dann ist der ganz einfach trocken. Und da hinten, das sind auch alles Fichten, die man hier sieht, wo oben keine grüne Nadeln mehr dran sind, und die müssen alle raus. Die Kiefern haben es bisher nur ausgehalten, aber die Fichten sind alle bereit.

[00:09:04] Sebastian Spallek Woran liegt das?

[00:09:05] Bauer Heiko Terno Weil die flachen Wurzeln, weil die kommen gar nicht mehr ran. Man sieht ja, wenn man hier läuft, das ist ja knastertrocken. Und die Kiefern und gerade die Eichen hier, die haben noch ein bisschen tiefere Wurzeln, die kamen immer noch ans Wasser, aber die Fichten, die haben das überhaupt nicht vertragen. Die sind einfach vertrocknet und über den Wald spricht bisher noch gar keiner. Die Schäden im Wald sind dramatisch.

[00:09:21] Sebastian Spallek Was könnte man da machen? Was wäre da..

[00:09:23] Bauer Heiko Terno Da hilft auch nur der Regen. Aber die Bäume sind nicht mehr zu retten.

[00:09:27] Yasemin Yüksel Die heißt, Sebastian, jetzt insgesamt für einen Landwirt, wie den Heiko Terno, den du da kennengelernt hast, wenn seine Pflanzen nicht genug Ertrag bringen, weil es nicht ausreichend regnet, weil die nicht genug Wasser bekommen, dann hat er eine schlechte Ernte. Und das heißt für ihn weniger Geld, also finanzielle Einbußen. Habt ihr darüber gesprochen?

[00:09:43] Sebastian Spallek Ja, natürlich haben wir auch drüber gesprochen. Und ich dachte, in erster Linie müssen seine Ersparnisse jetzt dran glauben.

[00:09:49] Sebastian Spallek Und wie federn Sie das dann ab? Also machen Sie das alles über Ersparnisse?

[00:09:53] Bauer Heiko Terno Nee, Ersparnisse sind schon lange aufgebraucht. Wir haben einfach nur Investitionen, die wir geplant haben, zurückgestellt. Und natürlich auch im Ackerbau betreiben wir nicht so einen hohen Aufwand mehr, weil wir wissen, wir können das nicht sicher ernten und dann fahren wir ein niedriges Level, sparen da ein bisschen ein. Aber wir wirtschaften nicht mehr so intensiv.

[00:10:13] Sebastian Spallek So ein schweres Dürrejahr wie zum Beispiel letztes Jahr: Also was heißt das dann konkret finanziell? Also wie viel Geld geht da verloren? Wie groß ist da der Verlust?

[00:10:21] Bauer Heiko Terno Es ist im sechsstelligen Bereich, auf alle Fälle über 100.000, was uns da fehlt. Ganz einfach, weil wir das, was wir ernten wollten einfach nicht nach Hause gekriegt haben und den Aufwand dafür aber betrieben haben.

[00:10:30] Sebastian Spallek Und das häuft sich so in den letzten Jahren?

[00:10:32] Bauer Heiko Terno Ja, naja sicherlich! Und das, was wir ernten noch mit einem höheren Aufwand, weil ja die Bewässerungspumpen ständig durchlaufen müssen. Ich sagte es ja, zwischen fünf und 6000 Euro Strom mehr im Monat, wenn die Beregnung an ist und das wird uns einfach nicht gedankt, weil es über das Produkt nicht erlöst kriegen. Bei der Wintergerste werden wir wieder eine Missernte einfahren, das sehen wir jetzt schon. Also wir haben ja auch 250 Hektar Silomais. Da mache ich mir die meisten Gedanken. Wenn der Mais im Sommer kein Wasser kriegt, es wird wieder so heiß, dann haben wir da eine Pleite, weil da kann man nicht überall beregnen.

[00:11:02] Yasemin Yüksel Das heißt also so ein Schlagwort wie Dürre-, Hitzesommer, das wirkt sich auf jemanden wie diesen Bauern, den du besucht hast, ganz individuell aus und wird da total plastisch. Ich dank dir erst mal Sebastian für deine Recherche, vielen Dank.

[00:11:13] Sebastian Spallek Gerne. Bis bald.

[00:11:17] Yasemin Yüksel Ja, und dass die Bauern unter den extremen Wetterbedingungen zu leiden haben, das hat auch die zuständige Ministerin festgestellt. Ende April hat Julia Klöckner, Bundeslandwirtschaftsministerin von der CDU, bei einem Besuch in Brandenburg zum Beispiel gesagt:

[00:11:30] Julia Klöckner (Bundeslandwirtschaftsministerin) Also das, was uns ja erfreut, wenn wir blauen Himmel sehen, schönes Wetter, das bereitet den Landwirten, bereitet mir große Sorgen.

[00:11:38] Yasemin Yüksel Eine besorgte Ministerin also. Die Frage ist: Verhält sich die Politik auch entsprechend? Tut sie genug gegen den Klimawandel? Darüber darf ich jetzt mit meiner Kollegin Susanne Götze aus dem SPIEGEL-Wissenschaftsressort sprechen. Susanne, ich freue mich sehr, dass du in dieser Folge mit dabei bist. Hallo.

[00:11:52] Susanne Götze Hallo.

[00:11:53] Yasemin Yüksel Susanne, deine Themen sind Umwelt, Klima. Mit deiner Hilfe können wir jetzt also so ein bisschen das, was der Bauer so individuell erlebt, in einen größeren Rahmen einbetten. Und ich weiß, wenn man so ein bisschen mitliest, man merkt sich so 2019, aber vor allem 2018 gelten in Deutschland ja so als die Dürrejahre. Ist das denn ein Trend, der sich jetzt fortsetzt, auch 2020?

[00:12:15] Susanne Götze Ja, die Zahlen und die Messungen, die Daten, die vorliegen, sind wirklich erschreckend. Ich habe mir beispielsweise für unser Ressort mal die Daten vom Deutschen Wetterdienst angeschaut. Das kann sich auch jeder im Internet anschauen. Und da wurde beispielsweise ausgerechnet, wie viele Hitzetage pro Jahr in Deutschland in den letzten Jahren verzeichnet wurden, und zwar seit 1961. Und der Trend ist doch schon sehr erschreckend, wenn man sieht zwischen 1961 und 1990 hatte man so durchschnittlich 6,5 Hitzetage pro Jahr.

[00:12:45] Yasemin Yüksel Ab wann? Was gilt eigentlich als Hitzetage?

[00:12:48] Susanne Götze Auf jeden Fall über 30 Grad. Und von 1990 bis 2019, also die letzten 30 Jahre, waren es da schon das Doppelte, also schon 11,5 Hitzetage. Und dann gibt’s natürlich immer noch Peaks. Also man hat diese Durchschnittsdaten, aber dann gibt eben diese Jahre, wo es auch noch besonders heiß ist. Und zum Beispiel 2018 — es wird ja auch immer wieder gesagt, dass das jetzt auch am nächsten dran ist — da waren es 28 Hitzetage, und wir wissen, dass jeder Hitzetag bedroht Menschenleben. Das ist irgendwie auch kein Spaß, oder: Ach, jetzt gehen wir mal alle baden, sondern das ist auch für die Gesundheit, vor allem für Risikogruppen, also für Ältere, wirklich sehr bedrohlich.

[00:13:24] Yasemin Yüksel Würdest du also sagen, das sind jetzt keine Einzelfälle, die wir jetzt erlebt haben, sondern das ist tatsächlich eine Entwicklung, die sich jetzt hier fortsetzt.

[00:13:34] Susanne Götze Genau, es sind ja nicht meine Beobachtung, sondern die von Meteorologen und Klimaforschern, die sich mittlerweile da ziemlich einig sind, und sagen, diese Beobachtung, dass eben die heißesten Sommer, also sechs der zehn heißesten Sommer seit 2000, es gab. Das ist doch schon ein signifikanter Hinweis darauf, dass eben diese Extrema zunehmen. Es sind nicht mehr nur einzelne Ausreißer, sondern in der Häufigkeit nehmen diese Ausreißer, wenn man so will, zu. Und das heißt, irgendwann sind es keine Ausreißer mehr. Dieser Trend wird halt mit jedem Jahr bestärkt. Auf der anderen Seite muss man sagen, das heißt jetzt nicht, dass wir keinen normalen Sommer mehr haben werden. Ja, werden wir noch haben. Wir werden auch kühle Sommer noch haben und auch mal verregnete und auch mal nochmal einen schneereichen Winter. Aber in der Tendenz, sagen Klimaforscher, Meteorologen, wird das weniger werden.

[00:14:21] Yasemin Yüksel Und Susanne, welche Konsequenzen wird das haben — mittel-, langfristig — diese Dürren, zu heiße Sommer, zu wenig Regen?

[00:14:28] Susanne Götze Genauso also einerseits den Gesundheitsaspekt hatte ich schon angesprochen, was es für den Menschen bedeutet. Und dann haben wir ganz konkrete Auswirkungen auf die Natur. Und da ist natürlich Dürre das Stichwort, was uns jetzt auch wieder einholt. Und es ist mittlerweile das dritte Jahr in Folge, dass wir eben eine Wasserknappheit auch in Deutschland verzeichnen. In anderen Ländern ist es fast noch viel schlimmer. Und ich kann da sehr empfehlen, wenn man sich für die Daten jetzt interessiert, sich mal den Dürremonitor des Helmholtz-Zentrums anzuschauen. Auf die Seite des Helmholtz-Zentrums und gibt «Dürremonitor» ein, so als Suchwort. Und dann kommt nämlich eine Deutschlandkarte, und dann kann man den Trend der Bodenfeuchtigkeit der letzten zwei Wochen sich anschauen. Und da sehen wir in den letzten zwei Wochen extreme Zunahmen an roten Flächen, also rot heißt besonders wenig Wasser. Und das ist ja flächendeckend in Deutschland der Fall, besonders in Ostdeutschland und im Westen und Südwesten.

[00:15:20] Yasemin Yüksel Und darum sind ja die Folgen in der Landwirtschaft dramatisch. Wir haben das beispielhaft bei unserem Bauer in Brandenburg gehört. Ich habe das noch total im Ohr, wie der mit der Schaufel, da über diesen knochentrockenen Acker kratzt. Aber es geht nicht nur darum, auch die Wälder leiden unter der Dürre. Wie sind da die Aussichten? Wie sind die Perspektiven da?

[00:15:38] Susanne Götze Mittlerweile sprechen Förster, also alamieren schon vom Waldsterben. Also das haben wir seit den 80er Jahren haben wir dieses Wort nicht mehr in Mund genommen. Das war eigentlich quasi erledigt, nachdem die Kohlekraftwerke Filter bekommen haben und der saure Regen quasi aufgehört hat dadurch. Aber jetzt sprechen wir wieder davon, und zwar aufgrund von Wasserknappheit und Dürre, weil eben diese Grundwasserspeicher sich nicht mehr so schnell auffüllen können und es einfach zu wenig regnet und es ist einfach nicht nur, dass zu wenig Wasser da ist, sondern hinzu kommt auch noch der Schädlingsbefall — also der Borkenkäfer. Das heißt also, es gibt zu milde Winter und in diesen Wintern werden die Insekten und auch Schädlinge einfach nicht mehr abgetötet. Dadurch haben wir einfach sterbende Wälder. Es ist eine Fläche vom Saarland, das sind irgendwie die 245.000 Hektar Fläche — kann sich keiner vorstellen, wie viel Wald das ist -, die einfach quasi abgestorben sind schon und wo auch die Landesbehörden sagen, das müsste theoretisch eigentlich wieder aufgeforstet werden. Also eine irre Arbeit. Und wir haben den Peak noch nicht erreicht, das sagen die Förster jetzt auch. Sie sagen, diese offiziellen Zahlen sind ganz schön und gut, aber wir glauben eigentlich, dass der Schaden noch viel größer ist. Und wenn ich da etwas persönliches sagen darf. Also zum Beispiel meine Mutter wohnt in einem Försterhaus im Harz, im Unterharz. Und sie schickt mir immer alarmierende Bilder von dem Wald um sie herum. Und sie lebt ja auch vom Wald, nämlich vom Tourismus, dass da Leute hinkommen und in ihr Café gehen etc.

[00:17:00] Yasemin Yüksel Und den Wald als Erholungs-, als Naherholungsgebiet nutzen.

[00:17:03] Susanne Götze Genau, und viele kommen da hin und sagen jetzt: «Was ist denn hier? Ist doch gar kein schöner, idyllischer Märchenwald mehr.» Nach dem Motto: «Da fahr ich nächstes mal woanders hin.» Das hat eben auch ganz konkrete wirtschaftliche Auswirkungen. Das eine ist, okay, es sieht nicht so schön aus. Das zweite ist für die Leute da ist es erschreckend, weil sie den Wald noch nie in so einem Zustand gesehen haben. Selbst in den 80er Jahren nicht. Und das dritte ist am Ende wird es auch ein wirtschaftlicher Faktor sein. Und die Förster, die sie kennt, die Nachbarn, die dort Waldstücke besitzen — also es ist auch Privatwald, ist das teilweise — die können quasi bald Insolvenz anmelden, weil die Holzpreise so extrem niedrig sind, dass sie davon einfach nicht mehr leben können.

[00:17:39] Yasemin Yüksel Das sind wirklich alarmierende Entwicklungen. Ich muss sagen auch als Stadtkind — also hier in Berlin erleben wir ja jetzt in den letzten Sommern immer mal wieder — vor meinem Haus beispielsweise -, dass einzelne Bäume dann teilweise von Nachbarn oder Menschen, die das einfach sozusagen individuell die Initiative ergreifen, gewässert werden, weil die einfach das nicht aushalten. Die kriegen einfach viel zu wenig Wasser. Ist auch Wahnsinn. Das ist etwas, was wir nicht kannten vor einigen Jahren.

[00:18:00] Susanne Götze Das stimmt. Das finde ich auch ganz spannend. Ich finde aber auch gut, dass da so ein bisschen Zivilcourage da ist. Dass die Leute mit Eimern losgehen, das habe ich jetzt auch schon beobachtet auf jeden Fall

[00:18:06] Yasemin Yüksel Ja, definitiv. Susanne, du hast vorhin gesagt, das ist in Deutschland das dritte Jahr mit Wasserknappheit. In anderen Ländern sei das fast noch schlimmer. Du bist ja für deine Recherchen auch viel unterwegs in Europa und der Welt, hast du ein Beispiel im Kopf?

[00:18:20] Susanne Götze Also so einen kleinen Einblick habe ich bei meinen Recherchereisen schon gehabt in verschiedene Teile der Welt. Ein Beispiel, was mir jetzt so kommt, ist in Südspanien. Da war ich schon 2017, also das ist schon drei Jahre her, und ich habe dort Bauern besucht, die am Fuße der Sierra Nevada, des Gebirges, dort Landwirtschaft betreiben. Und das war für mich sehr eindrücklich und sehr erschreckend, weil zum damaligen Zeitpunkt hatte Spanien schon eine mehrjährige Dürre hinter sich. Und die Bauern, die ich dort besucht habe, leben nämlich davon, die haben so ein Schleusensystem. Das heißt, es sind so kleine Bäche, die quasi an ihren Feldern vorbeiführen. Und da sind kleine Schleusen eingebaut, und wenn sie die öffnen, werden quasi ihre Felder bewässert mit dem Wasser, was da durchgeht. Und dieses System dieser Schleusen ist schon Jahrhunderte alt und hat immer funktioniert. Und jetzt stehen sie vor dem Problem, dass es nicht mehr genug Wasser in den Bächen gibt. Und deswegen, haben sie mir erzählt, gibt es jetzt riesige Konflikte zwischen den Nachbarn. Sie haben sich jetzt geeinigt, dass jeder nur noch ein bis zwei Stunden pro Tag diese Bäche aufmachen darf. Und es wird peinlich genau geguckt, wer da seine Schleuse eine halbe Stunde länger auflässt. Und dann gibt’s drakonische Strafen, und die Leute kloppen sich teilweise da und hauen sich die Schädel ein, weil jemand zu lange bewässert hat, weil natürlich das eigene Feld dann nicht so viel abkriegt wie der Nachbar und dann hat er eine bessere Ernte etc. Das sind so diese Konflikte um Wasser und rund um Dürren, die eben nicht nur ökologische Probleme sind, sondern am Ende sind es soziale Konflikte, die daraus resultieren.

[00:19:50] Yasemin Yüksel Und Spanien ist nicht mal so weit von Deutschland entfernt, aber solche Kämpfe ums Wasser können wir uns hier überhaupt noch gar nicht vorstellen — noch nicht. Darum ist es, glaube ich, so wichtig, dass wir auf die politischen Akteure jetzt auch schauen in dem Zusammenhang. Wenn diese Dürren auch ein Indikator für Klimawandel sind, dann heißt es ja, dass die Politik den Klimawandel immer noch nicht ernst nimmt oder zu wenig dagegen tut.

[00:20:14] Susanne Götze Das große Problem am Klimawandel ist die Kommunikation, weil das Problem ist, dass, wenn wir heute etwas tun, sich das nicht morgen sofort auswirkt, sondern alles, was wir jetzt an Klimaschutzpolitik anschieben oder an Veränderungen der Gesellschaft anschieben, hat ja Effekte, vielleicht in zehn, zwanzig Jahren. Und deswegen sagt man ja auch immer: OK, alles, was man jetzt tut, kommt unseren Enkeln oder Kindern zugute. Das ist halt nicht die beste Motivation und schon gar nicht für die Politik, jetzt etwas zu tun, weil quasi morgen passiert ja noch nichts. Das ist das eigentliche Problem bei der Kommunikation.

[00:20:49] Yasemin Yüksel Gleichzeitig sollte man ja annehmen, dass auch noch Politikerinnen und Politiker natürlich sehr darum bedacht sind, dass auch die kommenden nachfolgenden Generationen noch annähernd so leben können, wie wir das heute tun.

[00:21:00] Susanne Götze Ist auch richtig, steht auch im Grundgesetz, genau in einem Paragrafen drin, stimmt auch alles. Aber das Problem ist, dass — ähnlich wie in der Betriebswirtschaft — auch in der Politik eben im Vierjahreszyklus — also das ist banale Realität, aber so ist es — im Vierjahreszyklus gedacht wird, das heißt, nach Wahlen gedacht wird. Und jetzt fängt man natürlich an, umzudenken. Ich sage auch nicht, und das sagt auch niemand, dass nichts passiert. Das Problem ist einfach, dass immer noch zu wenig passiert, gemessen an dem, was uns da eigentlich als Bedrohung quasi entgegenkommt. Und das sagen nicht nur Fridays for Future, sondern eben vor allem die Wissenschaftler, die es ja eigentlich wissen müssten, weil sie die Daten messen und uns die ganze Zeit sagen: OK, so und so Anstieg Meeresspiegel, so und so viel schmelzen die Gletscher. Das sind ja verifizierbare Daten, die da gerade reinkommen. Und Wissenschaftler betonen eben auch, dass die heutigen Dürren, die wir jetzt schon so schrecklich finden und wo es jetzt schon Millionen- und Milliardenentschädigung europaweit gibt für Landwirte, dass das ein kleiner Vorgeschmack ist eben auf das, was wir Wetterextrema nennen und was sich häufen wird bis 2030, bis 2050.

[00:22:01] Yasemin Yüksel Jetzt ist es aber so, das Wetter, das haben wir nicht in der Hand, das können wir wenig beeinflussen, aber die Klimapolitik ja sehr wohl. Was glaubst du, woran liegt das, dass die Entscheidungsträger hier zu langsam agieren? Warum tun die Verantwortlichen in Deutschland nicht mehr?

[00:22:19] Susanne Götze Also ich würde sagen, sie tun ja etwas. Wir haben jetzt zum Beispiel seit Dezember ein Klimagesetz in Deutschland. Das ist das erste Mal und auf europäischer Ebene werden wir auch noch dieses Jahr ein Klimagesetz bekommen. Das heißt, es ist endlich rechtlich verbindlich, dass Klimaschutz keine Aktivisten- oder Wissenschaftlergeschichte ist, sondern es ist jetzt politische Realität. Auf der anderen Seite ist es so, dass wir immer noch über 80 Prozent fossile Energien haben beim primären Ergieverbrauch. Wir denken immer: Ah, Strom, und da sind wir schon irgendwie fast bei 50 Prozent Erneuerbaren. Aber das täuscht ja nur darüber hinweg, dass wir gesamtgesellschaftlich bisher wirklich nur einen ganz kleinen, winzigen Schritt gemacht haben. Und man muss bedenken, dass wir ja schon 30 Jahre über den Klimaschutz reden. 1989 war die erste Ethikkommission im Bundestag zum Klimawandel — Erderwärmung wurde es damals noch genannt. Und 1995 hatten wir die erste Weltklimakonferenz in Berlin. In Berlin, hier wurde die eröffnet mit Frau Merkel als Umweltministerin. Das ist alles schon eine Weile her. Und dafür haben wir halt noch nicht mal 20 Prozent geschafft, also runterzukommen. Und das sind, wie die Ökonomen sagen, die low hanging fruits. Das heißt relativ einfach zu machende Umstellung. Und das Problem ist auch, dass wir einfach ein Parallelsystem haben. Wir fahren einfach die Fossilen nicht runter, sondern wir fördern einfach auch Erneuerbare. Und das kann natürlich auf Dauer nicht funktionieren, sondern ich muss natürlich die Fossilen runterfahren und die Erneuerbaren hochfahren.

[00:23:44] Yasemin Yüksel Das heißt aber, Susanne, ich höre schon raus, das, was jetzt auch kürzlich beschlossen wurde zum Thema Kohleausstieg, der geht zu langsam.

[00:23:52] Susanne Götze Ja, Kohle ist die klimaschädlichste Energieform, mit der wir quasi Strom erzeugen können — ist de facto so. Und dafür ist es definitiv dann zu spät, dass wir aus dieser wirklich extrem klimaschädlichen — und vor allem extrem unwirtschaftlichen mittlerweile — Energieform so spät aussteigen, nämlich 2038, das ist definitiv zu spät. Es sind aber auch noch ganz viele andere Sachen, die einfach nicht angeschoben werden und wo einfach das fossile System weiter gefördert wird. Da geht es quasi um Subventionen, um Milliardensubventionen. Das Umweltbundesamt hatte mal ausgerechnet 56 Milliarden pro Jahr. Das sind zum Beispiel, dass auf Kerosin keine Steuern erhoben werden, dass es ein Diesel-Steuerprivileg gibt und solche Geschichten. Und wenn man das nicht anfängt abzubauen, also diese Steuerungerechtigkeit und beispielsweise erneuerbare Lösungen oder Energiewende-Lösungen quasi billiger macht, und eben die fossilen und alten Lösung teurer macht, damit die Leute auch in ihrem Alltag umsteigen können, dann wird das ja nichts.

[00:24:53] Yasemin Yüksel Und auch mehr Anreize haben zum Umsteigen, weil ohne irgendein Anreiz oder von alleine — so sind wir Menschen eben — ändern wir nicht zwangsläufig unser Verhalten, auch wenn wir rational wissen, dieses oder jenes wäre irgendwie cleverer und klüger.

[00:25:05] Susanne Götze Ich denke auch, diese Abwälzung der Verantwortung auf den Verbraucher, wie sie gerade jetzt stattfindet von der Politik, finde ich unverantwortlich. Und ich höre das immer wieder, auch vom Landwirtschaftsministerium, vom Umweltministerium, vom Wirtschaftsministerium:  «Ja, dann gehen Sie auf unserer Seite und da können Sie ja gucken, was Bio ist und was nicht und dann können Sie sich das ja aussuchen.» Und der Verbraucher hat ja die Wahl. Und das finde ich alles hanebüchen, weil die Struktur muss ja verändert werden. Und es gibt eine schöne Rechnung — die finde ich persönlich relativ einleuchtend — also, wir verbrauchen ungefähr neun bis zehn Tonnen pro Person pro Jahr an CO2 in Deutschland — das ist relativ hoch und im internationalen Vergleich. Und wenn wir alles reduzieren, wenn wir vegan essen, wir fliegen nicht in Urlaub, wir fahren kein Auto mehr, nur noch Fahrrad und solche Sachen im Alltag. Dann kommen wir maximal auf fünf Tonnen runter, weil einfach die Struktur, die uns umgibt, und die Infrastruktur ist, einfach fossil. Das heißt, die ist ja nicht umgestellt, und dadurch kommen wir allein — also selbst wenn wir eine Menge Missionare haben in der Gesellschaft und wenn auch wenn die immer eine Minderheit sein werden, davon bin ich überzeugt —  kommen wir da von diesem Berg nicht runter, ist einfach viel zu groß. Was jetzt passieren muss, ist auch, dass die Industrie umstellt  — Stahlwerke, Zementwerke -, das wird jetzt angefangen zu denken — nach 30 Jahren. Also da hätte man auch schon ein bisschen früher anfangen können. Da wird sich jetzt überlegt: OK, jetzt mach mal Wasserstoff. Und dann dauert es aber auch wieder noch zehn Jahre. Also da sind einfach viele Prozesse, die auch in der Wissenschaft und der Forschung schon lange bekannt sind, dass man die machen kann, sind einfach viel zu spät angestoßen worden.

[00:26:33] Yasemin Yüksel Glaubst du eigentlich, dass diese Corona-Krise im Augenblick positive Auswirkungen darauf haben wird, auf das, was machbar ist, im Sinne von, wie schnell sich Politik verändert oder wie schnell Politik auch Weichen stellt? Ich mache mal so ein ganz plakatives Beispiel: dieses Thema Inlandsflüge verbieten. Ich meine, Frankreich ist da relativ weit vorgeprescht. Die haben das vor. Du nickst wissend.

[00:26:57] Susanne Götze Ja.

[00:26:57] Yasemin Yüksel Du weißt es besser als Fachkollegin. Glaubst du, dass die Corona-Krise in Sachen Klimapolitik vielleicht auch dazu führt, dass die eine oder andere Veränderung schneller angetrieben wird?

[00:27:08] Susanne Götze Also in der Politik in Deutschland sehe ich das gerade noch nicht, weil die großen Ankündigungen, hier riesige grüne Konjunkturpakete zu schnüren, das hat sich eigentlich als relative, ja …

[00:27:16] Yasemin Yüksel Schade, ich habe gedacht, du hast eine positivere Antwort.

[00:27:22] Susanne Götze Na, im Vergleich dazu, was andere Länder machen in der Corona-Krise, was eben Konjunkturpakete und Übernahmen von Firmen angeht, ist Deutschland wirklich sehr, sehr schwach. Und das für ein Land, was sich halt auch im internationalen Kontext immer als so ökologisch hinstellt und als der große Klimaretter. Deswegen finde ich das sehr schwach, was da rausgekommen ist. Und die Umweltministerin hat noch groß Nicholas Stern interviewt im Mai auf dem Petersberger Dialog und hat groß gesagt: Ja, hier müssen riesige Summen schnüren, um jetzt die ökologische Transformation …. Aber wenn man sich jetzt das Konjunkturprogramm anguckt, was wir jetzt haben, das ist keine ökologische Transformation. Okay, wir fördern Wasserstoff. Okay, wir fördern Umstieg ein bisschen auf die Bahn. Aber das war keine ökologische Transformation. Diese Kluft zwischen Ankündigung und was man dann wirklich macht, ist wirklich extrem groß. Und wenn man schaut, zum Beispiel in Frankreich, dort ist der Staat eingestiegen in ein großes Flugunternehmen und hat dann Bedingungen gestellt. Das sind die neuralgischen Punkte. Genau da müssen wir ran, haben gesagt: Okay, Flüge unter so und so viel Kilometern im Inland finden dann einfach nicht mehr statt, aus ökologischen Gründen. Und da hat die Politik sich einfach die Macht genommen, die sie auch hat. Wir geben euch Geld, wir geben euch Hilfe, wir geben euch Kredite, aber dafür möchten wir was sehen, und zwar eine ökologisch Transformation, weil wir als Politik dafür verantwortlich sind, wie es dieser Gesellschaft in zehn, zwanzig Jahren geht.

[00:28:36] Yasemin Yüksel Auch nach meinem Eindruck ein sehr wünschenswertes Beispiel auch für Deutschland. Kommen wir zum Schluss nochmal zurück zur Landwirtschaft. Damit sind wir eingestiegen in diese heutige Episode und haben ja den Bauern gehört. Die Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner, die hatte den Landwirten schon 2018, als es zum ersten Mal so ein krasses Dürrejahr war, Nothilfen von — ich lese das ab — ab 340 Millionen Euro bewilligt.

[00:28:58] Julia Klöckner (Bundeslandwirtschaftsministerin) Auf Grundlage der Erntezahlen und der Schadensmeldung der Länder können wir die Entwicklung der Witterungsereignisse so einstufen, dass sie nationales Ausmaß haben.

[00:29:08] Yasemin Yüksel Das heißt also, Politik muss sehr viel Geld in die Hand nehmen, um die betroffenen Landwirte im Nachhinein zu entschädigen. Da drängt sich die Frage auf: Könnte bzw. sollte die Politik denn nicht präventiv schon tätig werden?

[00:29:21] Susanne Götze Ja, schon alleine, um die Bauern darauf vorzubereiten, was in den nächsten zehn, zwanzig Jahren — wir haben es gerade besprochen — auf sie zukommt. Also das ist auch ein bisschen die Verantwortung. Ich meine, teilweise wissen das mittlerweile die Bauern irgendwie —  wie wir auch gehört haben —  besser als die Politik, so scheint es jedenfalls. Aber die Politik muss natürlich die Rahmen setzen. Wie wir das jetzt haben, dass einfach auch auf europäischer Ebene Milliardensubventionen einfach so verteilt werden, ohne dass man irgendwem irgendwelche ökologischen Standards abverlangt, das ist natürlich kein Zukunftsmodell und fällt eben auch auf die Bauern selbst zurück, weil eben die Böden irgendwann ausgelaugt sind und weil sie eben auch nicht angehalten werden, beispielsweise eine Klimaanpassungen vorzunehmen bei der Sortenauswahl beispielsweise oder beim Wassermanagement. Und so was alles muss eigentlich, wenn man Subventionen verteilt, mitgedacht werden, und dafür ist die Politik zuständig. Einerseits ist die Landwirtschaft eben Täter, und einerseits ist sie Opfer des Klimawandels, und deswegen darf man die Bauern nicht nur kriminalisieren. Sie sind auch nur quasi, würde ich sagen, ein Rädchen in diesem großen Subventionsgetriebe. Und hier ist auch wieder die Politik gefragt, das Getriebe zu ändern, die Zahnräder auszuwechseln. Was die Bauern jetzt wirklich brauchen, ist einfach ein Anreiz, auf neue Sorten umzustellen, hitzebeständige Sorten zu entwickeln beim Thema Dürrewaren beispielsweise und eben weniger Monokulturen beispielsweise zu bauen und aber auch Bäume anzupflanzen, die Schatten spenden. Das sind so ganz einfache landwirtschaftliche Lösungen, die aber natürlich irgendwie gefördert werden müssen oder die Bauern müssen geschult werden. Es geht ja nicht immer nur ums Geld. Aber die Bauern müssen jetzt darauf vorbereitet werden, ja.

[00:30:52] Yasemin Yüksel Vielen Dank, Susanne, für deinen Einblick und deine Einschätzung. Bis bald.

[00:30:54] Susanne Götze Bis bald, danke, tschüss.

[00:30:54] Yasemin Yüksel Das war Stimmenfang, der Politik Podcast vom SPIEGEL. Wenn Sie uns Feedback schicken möchten — zu dieser Folge oder zu unserem Podcast generell -, dann können Sie uns zum Beispiel eine WhatsApp-Sprachnachrichten schicken an die 040 380 80 400. Und unter dieser Nummer können Sie auch eine Nachricht auf unserem Anrufbeantworter hinterlassen. Oder Sie schreiben uns eine Mail an stimmenfang@spiegel.de. Die nächste Stimmenfang-Folge hören Sie wie immer ab kommenden Donnerstag auf spiegel.de, Spotify und in allen gängigen Podcatchern. Dort hören Sie übrigens jeden Freitag auch unseren Auslands-Podcast Acht Milliarden mit meinem Kollegen Juan Moreno. Ich kann das Format sehr empfehlen. Wenn Sie sich für Innenpolitik interessieren, dann ist der Acht Milliarden-Podcast für Sie bestimmt auch spannend. Ich bin Yasemin Yüksel und diese Folge habe ich gemeinsam mit Sebastian Spallek und Sandra Sperber produziert. Danke für die Unterstützung in dieser Woche an Philipp Fackler, Johannes Kückens, Matthias Streitz und Philipp Wittrock. Die Stimmenfang-Musik kommt von Davide Russo.

Source: spiegel.de

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