Im Fall Oury Jalloh gibt es aus Sicht von Sonderberatern keine offenen Ansätze, um wegen Mordes oder Mordversuchs zu ermitteln. Das geht aus dem Abschlussbericht hervor, der am Freitag dem Rechtsauschuss des Landtags von Sachsen-Anhalt übergeben wird. Er liegt dem SPIEGEL vor und umfasst 303 Seiten.
Jalloh starb 2005 bei einem Brand in einer Gewahrsamszelle in einem Polizeirevier in Dessau. Er war dabei an Händen und Füßen auf einer Matratze fixiert. Nach Angaben der damals zuständigen Polizisten soll er sich mit einem Feuerzeug selbst angezündet haben. Es gab in den folgenden Jahren mehrere Ermittlungen, Gerichtsverfahren, Gutachten, bis vor den Bundesgerichtshof ging der Fall.
Aus Sicht von Initiativen und Menschenrechtsorganisation ist er aber immer noch nicht aufgeklärt. Speziell nach einem Vermerk im Jahr 2017 gab es neue Fragen: Der damals zuständige Oberstaatsanwalt verdächtigte Polizisten, Jalloh angezündet zu haben, um Gewaltanwendung zu vertuschen. Im Oktober 2017 stellte die Staatsanwaltschaft Halle die Ermittlungen jedoch ein.
«Gesellschaftlich noch nicht aufgearbeitet»
Im April 2018 hatte die Regierungskoalition aus CDU, SPD und Grüne beschlossen, den Fall Oury Jalloh von zwei externen juristischen Beratern aufarbeiten zu lassen. Der Rechtsausschuss beauftragte daraufhin den Rechtsanwalt und ehemaligen Grünen-Bundestagsabgeordneten Jerzy Montag sowie den ehemaligen Münchner Generalstaatsanwalt Manfred Nötzel. «Seit nunmehr 15 Jahren scheint der Tod, wenn auch juristisch, so doch nicht gesellschaftlich aufgearbeitet», schreiben sie in einer Vorbemerkung. An späterer Stelle heißt es: «Im Betreiben der jeweiligen Ermittlungsverfahren konnten zum Teil gewichtige Unstimmigkeiten und Widersprüche festgestellt werden.»
Acht Monate lang bekamen Montag und Nötzel Einsicht in Tausende Seiten Akten und sprachen mit Beteiligten, unter anderem Polizeibeamten des Reviers Dessau.
Oury Jalloh war am 7. Januar 2005 morgens von Polizisten aufgegriffen worden. Passantinnen hatten die Beamten gerufen und gaben an, belästigt worden zu sein. Ein Polizist fragte Jalloh nach dessen Ausweis, ohne jedoch einen Grund zu nennen. Jalloh weigerte sich, einen Ausweis zu zeigen. Daraufhin zwangen die Beamten Jalloh in einen Streifenwagen und nahmen ihn mit auf das Revier.
In ihrem Abschlussbericht kommen die Sonderberater zu dem Schluss, dass es zum Tod Jallohs nicht hätte kommen müssen. So sei die Festnahme und Gewahrsamnahme Jallohs rechtswidrig gewesen, zudem sei seine Identität nicht ungeklärt gewesen, wie im Nachhinein behauptet. Jalloh wäre somit «nicht — oder jedenfalls viel kürzer — in Gewahrsam genommen worden. So hätte sein Tod vermieden werden können», heißt es in dem Bericht.
Bezogen auf die Einstellung des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft Halle im Oktober 2017 kommen die Berater zu dem Schluss, dass diese «nachvollziehbar und angesichts der Beweislage sachlich und rechtlich richtig» war. Auch die Asservate seien sachgerecht gelagert gewesen: «Es haben sich aus den Akten keine Hinweise ergeben, dass Asservate verschwunden oder manipuliert sind», schreiben die Berater. Jedoch stellen sie «Mängel in der spurenschützenden Behandlung des Feuerzeugs» fest.
In ihrem Fazit halten die Berater auch fest, dass das Innenministerium Sachsen-Anhalt angemessen reagiert habe: «Die angestoßenen Maßnahmen und die konkreten Anweisungen waren zielgenau und zeigten großes Problembewusstsein und den Willen, Missstände in den Gewahrsamen des Landes abzustellen.»
Auch der Landtag sei meist wahrheitsgemäß von der Landesregierung informiert worden. Nur in drei Fällen sei das aus Sicht der Berater nicht der Fall gewesen. So habe die Justizministerin Anne-Marie Keding den Landtag am 28. September 2017 «bewusst unvollständig und damit nicht wahrheitsgemäß informiert».
Source: spiegel.de
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