воскресенье, 1 марта 2020 г.

Thalia Theater : Yael Ronen startet ihre «(R)Evolution» in Hamburg

Eiserner Vorhang auf — und ein Blick 20 Jahre in die Zukunft: Nachrichtenbilder flirren in Echtzeit von den Wänden der Bühne, dazu dröhnt synthetische Musik. Von der Decke schwebt eine riesige schwankende Metallplattform, auf dem sich menschliches Leben regt.

Eine junge Frau im farblosen Overall will gebären — und verhandelt mit ihrem Arzt über ein genetisch perfektes Baby. Geschlecht, Nase, Lebensdauer — all das ist im medizinischen «Basispaket» wohl recht preiswert zu erwerben. Teurer wird es mit dem «Survivorpaket», das dem Nachwuchs noch Resistenz gegen Klimawandel und Dürreperioden sowie eine doppelte Lebenserwartung verschafft.

Schade nur, dass der zukünftige Vater motzend dagegen Einspruch erhebt. Aber der Langhaarige in Strickjacke und Jeans war schließlich mal auf der Waldorfschule. Und gehört somit zur Spezies «Naturalist», die ausgerottet gehört. Mit viel Wortwitz und sarkastischem Humor gestalten drei Darsteller am Thalia Theater Hamburg im Bühnenbild von Wolfgang Menardi ihre Vision einer von digitaler Technologie geprägten Zeit, die ja schon heute längst ihren Anfang genommen hat. Es ist die Einstiegsszene zum Bühnenprojekt «(R)Evolution — Eine Anleitung zum Überleben im 21. Jahrhundert», das Yael Ronen und Dimitrij Schaad am Sonnabend zur Uraufführung gebracht haben.

Das Publikum fuhr auf den 100 Minuten kurzen Abend deutlich ab. Es gab viel Gelächter — und langen Schlussapplaus für die österreichisch-israelische Regisseurin (43), die langjährige Hausregisseurin am Maxim-Gorki-Theater Berlin ist, sowie ihren Co-Autor und Schauspieler Dimitrij Schaad (ab Donnerstag, 5. März, in der Kultgeschichte «Die Känguru-Chroniken» im Kino zu erleben). Die weiteren höchst lustvoll agierenden Darsteller am Thalia sind Marina Galic, Tim Porath, Birgit Stöger und André Szymanski. Intellektuelle Grundlage des Werks bildet das Sachbuch «21 Lektionen für das 21. Jahrhundert» des israelischen Historikers Yuval Noah Harari.

Gezeigt werden soll vor allem die Macht- und Bedeutungslosigkeit des Einzelnen gegenüber den gigantischen und anonymen IT-Zusammenhängen. So erforscht und speichert ein zunächst in einem kreisrunden Loch in der Plattform versteckter Sprachassistent körperliche Werte und Reaktionen von Smartphone-Usern, um sie zum Beispiel an den Arbeitgeber zu übermitteln. Was hier bei einer Frau zur Arbeitslosigkeit führt. Es gibt aber auch elf Millionen aus ihrem überfluteten Land vertriebene Niederländer. Und einen Cyberangriff auf den Frankfurter Flughafen, der am Bühnenrand traurige schwarze Trümmer hinterlässt.

Und dann ist da noch das Eifersuchtsdrama von «Ricky» und «Stefan» in futuristischen Outfits über ihre Probleme beim Cybersex. Die münden beim einen im Ausruf «Ich will nicht mehr aus Fleisch sein — ich will digital werden!». Eine weitere Szene beschwört das Zusammenrotten digitaler Haushaltsgeräte wie Kühlschrank, Staubsauger und Toaster, die ihren Besitzer dazu nötigen, was er zu essen und wann er zu Bett zu gehen hat.

All das wirkt überaus kurzweilig und eingängig. Doch ob der Abend, wie von der Regisseurin in einem Web-Auftritt des Theaters erklärt, tatsächlich «tragikomisch» wirkt und zu einem Zeitpunkt, den Ronen als «Scheideweg» beschreibt, zum Reflektieren und vielleicht sogar zum Handeln anregt, erscheint fraglich. Denn vieles wirkt eher comic-artig witzig und bereits bekannt als gedanklich vertieft und unter die Haut gehend erschreckend.

Am eindrücklichsten dürfte vielleicht der Prolog André Szymanskis in Erinnerung bleibt: In einem virtuosen Wortschwall erklärt da der fulminante Schauspieler seinem Publikum, wie das Theater der Zukunft aussehen werde: basisdemokratisch, intendantenfrei und mit Angeboten je nach Lebenssituation des Zuschauers.

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