четверг, 19 марта 2020 г.

Angela Merkel: Emotional, empathisch und mit großer Kraft

Angela Merkel — Die Bundeskanzlerin zur Corona-Krise In einem eindringlichen Appell fordert Angela Merkel die Bevölkerung zum solidarischen Handeln auf. Sehen Sie hier die komplette TV-Ansprache der Kanzlerin.

Die Zeit der Kanzlerschaft von Angela Merkel, so werden Spezialisten der Rhetorik vermutlich in der Rückschau diagnostizieren, war eine der wortkargen Glanzlosigkeit, es waren Jahre der systematischen Redeverweigerung. Die Erklärung für den Gesinnungswandel nach dem Unglück von Fukushima im Jahre 2011, die Erläuterung, warum nun der Ausstieg aus der Atomkraft das Gebot der Stunde sei – Fehlanzeige, es gab sie nicht. Die Rede zur Flüchtlingspolitik im Herbst 2015, das Werben um Verständnis und Verständigung im Angesicht von Spaltungen, Hass und Hetze – sie fiel aus unbekannten Gründen aus. Was Angela Merkel lieferte, war eher der Titel eines Textes («Wir schaffen das!«); der zu erwartende Text aber, der erläutert hätte, wer denn gemeint sei und was das alles im Konkreten bedeute, kam dann leider nie. Warum die Kanzlerin jene Debatte und Gesetzesänderung, die die Ehe für alle erlaubte, erst ermöglichte, um dann eben gegen dieses Gesetz zu stimmen – das ist bis heute weitgehend ihr Geheimnis geblieben, weil sie jenseits von ein paar Andeutungen nicht wirklich darüber sprach. Und auch eine im besten Sinne aufrüttelnde Rede zur Klimapolitik, die eine große Reformerzählung ökologischer Modernisierung formuliert, wird man womöglich niemals von ihr hören, auch wenn die Situation eigentlich schon seit Langem danach verlangt.

Und doch: Nun hat das scheinbar so monolithische Bild der Antirhetorikerin und Emotionsverweigerin Angela Merkel Risse bekommen. Nun hat sie – aus Anlass der Corona-Krise – eine Rede an die Nation gehalten, die anders war, emotional und empathisch, erkennbar besorgt von der Dramatik der Ereignisse und doch von großer, klärender Kraft. Hier gab jemand Einblick in seinen Seelenkompass; hier zeigte sich ein vom Prinzip der Gemeinwohlorientierung geleiteter politischer Charakter.

Und es stimmt ja: Erst im wahrhaftigen, im befreiten Sprechen werden wir für andere in unseren Motiven kenntlich – wie sollten sie sonst verstehen, was uns bewegt und antreibt?

Bernhard Pörksen ist Professor für Medienwissenschaft an der Universität Tübingen. Sein neues Buch, das er mit dem Kommunikationspsychologen Friedemann Schulz von Thun verfasst hat, handelt von Krisenkommunikation: «Die Kunst des Miteinander-Redens. Über den Dialog in Gesellschaft und Politik» ist im Carl Hanser Verlag erschienen. © Peter-Andreas Hassiepen

Angela Merkel sprach über ihre Erfahrungen in der DDR und darüber, wie tragisch und traurig es sei, nun die Bewegungsfreiheit von Menschen einschränken zu müssen, um die Infektionsrate zu senken und Leben zu retten. Sie dankte Ärzten und Ärztinnen, den Pflegenden in Krankenhäusern, aber auch denjenigen, die derzeit in den Supermärkten an der Kasse sitzen und «den Laden am Laufen» halten. Sie informierte über die aktuelle Situation, den Kenntnisstand der Virologen. Und sie formulierte ihr politisches Credo – einen Appell an die Vernunft, einen Appell an eine Gemeinschaft von mündigen Bürgern, die eigentlich keine Ausgangssperre brauchen sollten, um zu begreifen, worauf es nun ankommt.

«Wir sind eine Demokratie», so Merkel, und diese Passage ihrer Rede lohnt ein längeres Zitat im Kontext: «Wir leben nicht von Zwang, sondern von geteiltem Wissen und Mitwirkung. Dies ist eine historische Aufgabe und sie ist nur gemeinsam zu bewältigen. Dass wir diese Krise überwinden werden, dessen bin ich vollkommen sicher. Aber wie hoch werden die Opfer sein? Wie viele geliebte Menschen werden wir verlieren? Wir haben es zu einem großen Teil selbst in der Hand. Wir können jetzt, entschlossen, alle miteinander reagieren. Wir können die aktuellen Einschränkungen annehmen und einander beistehen. Diese Situation ist ernst und sie ist offen.»

Vielleicht lohnt es sich auch, für einen Moment die aktuelle Situation zu beschreiben, um die Rede der Kanzlerin als jene Meisterleistung der Krisenkommunikation zu verstehen, die sie war. Wir erleben, muss man sich klarmachen, eine Art Weltbeben unter vernetzten Bedingungen; wir sind mit einem Mal in eine Atmosphäre der totalen Gleichzeitigkeit hinein katapultiert. Alles ist jetzt sichtbar, nur einen Klick voneinander entfernt. Die Falschnachrichten der Panikmacher. Die Bagatellisierungsversuche öffentlichkeitsgieriger Publizisten. Die Fotos leerer Regale, die wie Monumente der Anklage und Appelle zum Hamsterkauf wirken. Die TikTok-Spaßvideos von Jugendlichen, die sich ihre Angst einfach wegtanzen. Die Horrornachrichten aus italienischen Krankenhäusern. Die berührenden Berichte menschlicher Solidarität und die Verrücktheiten einer Virenparty. Die Bilder gelebter Normalität in irgendeinem Straßencafé – so, als gebe es die Pandemie gar nicht.

Wie beruhigt man, ohne die Dramatik zu verniedlichen?

Wie spricht man in einer derartigen Situation, in der eine leicht entzündliche Panik mit gefährlicher Ignoranz rivalisiert? Wie beruhigt man, ohne die Dramatik der Krise zu verniedlichen?

Angela Merkel ist, über den Umweg einer ungewohnt persönlichen Ansprache, genau dieses Kunststück einer dilemmabewussten Krisenkommunikation gelungen. Sie hat in ihrer Rede die gefahrenbewusste, warnende Achtsamkeit mit der nötigen Portion Besonnenheit kombiniert, dies schon durch Gestik und Mimik. Sie hat nichts bagatellisiert, sondern eindringlich und in einer einfachen, klaren Sprache informiert. Sie hat gewarnt, aber eben auch keine Panik geschürt.

Ob das schon reicht, um die Katastrophenstimmung zu dämpfen? Gewiss nicht, weil neben das beschwörende Wort eine für Bürgerinnen und Bürger erkennbar veränderte Wirklichkeit treten muss. Aber eine politische Rede kann einen Ton setzen, sie kann um Solidarität werben. Und sie vermag zu zeigen, worauf es letztlich ankommt: den Schutz derjenigen, die ihn jetzt und in den kommenden Wochen und Monaten unbedingt brauchen.

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