суббота, 29 февраля 2020 г.

Extremismus: Links, rechts, Weimar?

Die Erschütterung über den Terror von Hanau ließ einen Moment lang alle falschen Töne verstummen. Und doch erlag mancher dem alten Reflex, nach einem rechten Anschlag sofort nach links zu zeigen. Es lasse sich «nicht leugnen, dass linke Chaoten auf Polizisten eindreschen» und «immer wieder hohe Sachschäden verursachen», das dürfe man nicht «verharmlosen», twitterte der frühere SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel nach den rassistischen Morden. Ohne diesen Hinweis war ihm der erste Satz seines Tweets «Der Feind der Demokratie steht rechts» offenbar nicht geheuer. Auch der FAZ-Herausgeber Berthold Kohler verfiel, so klar er das rassistische Motiv benannte, am Ende seines Kommentars «Die Saat des Bösen» in die gewohnte Rhetorik und setzte Islamismus, Links- und Rechtsextremismus gleich.

Die Mechanik dieses Links-rechts-Arguments – von der Totalitarismustheorie untermauert und von den Ängsten des Kalten Krieges imprägniert – beherrscht die Debatten der Bundesrepublik seit ihren Anfängen. Über lange Zeit hat sie dazu beigetragen, rechte Gewalt zu bagatellisieren oder zu übersehen. Dabei ist sie im Kern eine Reaktion auf eine ehrenwerte Sorge: die Angst vor «Weimarer Verhältnissen». Wie damals, lautet die gängige Diagnose, sei die Republik auch heute den zersetzenden Kräften von links und rechts ausgesetzt. Wer die Demokratie bewahren wolle, müsse die «Mitte» stärken. Politikwissenschaftler sprechen in diesem Zusammenhang von der Hufeisen-Theorie, der zufolge die politische Mitte links und rechts in Extreme ausläuft, die sich wie die Enden eines Hufeisens einander nähern.

Die Annahmen, die sich daraus ableiten, prägen seit Jahrzehnten die Arbeit des Verfassungsschutzes. Sie haben sich aber auch durch endloses Nachbeten zu unhinterfragten Gewissheiten in der politischen Debatte verfestigt. Sie lauten: Rechts ist letztlich wie links, nur seitenverkehrt. Die Gefahr geht von den Extremen aus. Und: Wir leben derzeit, da sich die Extreme verstärken, in einer «polarisierten» Gesellschaft.

Diese Sichtweise leuchtet in ihrer Symmetrie schnell ein und versichert den selbst ernannten Bewohnern der «Mitte», am richtigen Ort zu sein. Doch es scheint, als fördere sie weniger die Demokratie, als einem Rechtsruck Vorschub zu leisten, der sich längst nicht erst dann zeigt, wenn ein Rassist wie Tobias R. zur Waffe greift. Die Weimar-Analogie trübt den Blick auf die Gegenwart dabei mehr, als ihn zu schärfen. Denn die heutige politische Topografie ist nicht halb so symmetrisch, wie es das dem Weimarer Parteienhalbrund abgeformte Hufeisen suggeriert.

Lechts und rinks

Gewiss, rechts und links sind relative Begriffe. Als solche markieren sie die Ränder verschiedenster Mitten. Doch sie bergen auch einen harten ideologischen Kern, und anders als es die Hufeisen-Metapher will, verhalten sie sich dabei nicht spiegelbildlich zueinander. Zur liberalen, rechtsstaatlichen, parlamentarischen Demokratie jedenfalls stehen linke und rechte Positionen in keinem äquidistanten Verhältnis – wenngleich die Republik in den Weimarer Jahren auch von Teilen der Linken angegriffen und verachtet wurde.

Im 19. und frühen 20. Jahrhundert indes hat eine linke Partei, die SPD, die Demokratie wesentlich mit erstritten, während die Konservativen sie ausnahmslos bekämpften. Gegen Revolution und Republik verteidigten sie die Monarchie. Daneben entstanden nach 1918 die neurechten völkischen Bewegungen, zu denen auch der Nationalsozialismus zählt. Der deutsche Konservatismus bekannte sich, wie der Historiker Paul Nolte anmerkt, erst nach 1945 in Gestalt der CDU/CSU zur Demokratie: «Einen überzeugten demokratischen Konservatismus», schreibt er, habe es in Deutschland und «erst recht in Preußen» zuvor nicht wirklich gegeben. Rechts der Union findet sich hierzulande keine Partei oder Denkschule, die für so etwas wie eine Tradition der demokratischen Rechten stehen könnte.

Dass sich linke und demokratische Positionen überschneiden, während die Schnittmenge demokratisch/rechts verschwindend gering bleibt, ist allerdings mehr als ein empirischer Befund. Es liegt auch daran, dass sich Rechts und Links entlang einer Frage scheiden, die ihr Verhältnis zur Demokratie berührt: wie sie es mit der Idee der Gleichheit halten.

Während die Gleichheit den ideellen Fluchtpunkt aller linken Politik bildet, sind die Menschen dem rechten Weltbild nach von Natur aus ungleich. Das bedeutet nicht, wie gern behauptet, dass die Rechte individuelle Unterschiede höher schätze als die «gleichmacherische» Linke. Nein: Gerade das Postulat der Gleichheit ermöglicht das friedliche Zusammenleben der Verschiedenen, während das Postulat der Ungleichheit auf Homogenität nach innen und Abgrenzung nach außen beruht. Der Pluralismus der neuen, identitären Rechten heißt Ethnopluralismus: jeder «Rasse» ihren «Raum». Ist der Einzelne im rechten Denken unentrinnbar einer Gruppe zugeordnet – Mann bleibt Mann, Frau bleibt Frau, Deutschland den Deutschen, Ausländer raus –, zielt linkes Denken auf die Befreiung des Einzelnen aus den Fesseln seiner Herkunft, seiner Abstammung, seines Geschlechts. Von Anfang an hatte die Rechte die liberale Moderne deshalb im Verdacht, den Stärkeren im Namen des Schwächeren seiner natürlichen Vorrechte zu berauben. Daher rührt auch ihr Affekt gegen die «Moral» – was sie von jedem Konservatismus unterscheidet.

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