Im Streit um eine deutliche Verschärfung des Abtreibungsverbots in Polen hat die polnische Frauenbewegung für Mittwoch zu einem landesweiten Streik aufgerufen. «Wir nehmen unbezahlten Urlaub. Wir schließen die Firma. Oder ganz einfach — wir gehen nicht zur Arbeit», heißt es in einem Aufruf der Organisation «Allpolnischer Frauenstreik». Leiterin Marta Lempart sprach von einem Generalstreik. Angesichts der Corona-Pandemie ist jedoch fraglich, wie hoch die Beteiligung sein wird.
Nach einer Entscheidung des Verfassungsgerichts, wonach auch Schwangerschaftsabbrüche aufgrund schwerer Fehlbildungen des ungeborenen Kindes verfassungswidrig seien, gibt es in Polen seit Tagen Proteste. Die Entscheidung der Obersten Richter bedeutet eine weitere Verschärfung des polnischen Abtreibungsrechts, das ohnehin schon zu den strengsten in Europa gehört.
Derzeit ist ein Abbruch in Polen legal, wenn die Schwangerschaft das Leben oder die Gesundheit der Mutter gefährdet, Ergebnis einer Vergewaltigung ist oder wenn das Ungeborene schwere Fehlbildungen aufweist. Dies ist bislang der häufigste Grund für eine Abtreibung, wie die Statistik des Gesundheitsministeriums zeigt. So wurden von den 1110 Abtreibungen, die 2019 in polnischen Kliniken durchgeführt wurden, 1074 mit Fehlbildungen des ungeborenen Kindes begründet.
Proteste und Tumult auch im Parlament
Die Proteste gegen die drastische Verschärfung des Abtreibungsrechts haben auch das Parlament erreicht: Am Dienstag kam es nach Angaben der Nachrichtenagentur PAP zu einem Tumult. Der stellvertretende Parlamentsvorsitzende Ryszard Terlecki von der nationalkonservativen Regierungspartei PiS hatte die Symbole auf den Masken der Oppositionsabgeordneten mit denen von Nazis verglichen.
Das Protestsymbol auf der Maske zeigt einen roten Blitz — und richtet sich gegen das Urteil des Verfassungsgerichtshofs zur Abtreibung. Mehrere Abgeordnete liefen daraufhin aus Protest zum Podium. Zwei Abgeordnete der Opposition wurden des Plenarsaales verwiesen. Am Abend gab es im Land den sechsten Tag in Folge Proteste gegen die Verschärfung.
Warschaus Oberbürgermeister unterstützt die Proteste
Vor vier Jahren war es der polnischen Frauenbewegung noch gelungen, einen ähnlichen Gesetzesentwurf zu stoppen. Er hatte ein Totalverbot von Schwangerschaftsabbrüchen sowie Haftstrafen für Frauen und Ärzte vorgesehen. Am 3. Oktober 2016 blieben rund 200.000 Frauen bei einem «Generalstreik» der Arbeit fern. Kurz darauf ruderte die nationalkonservative Regierungspartei PiS zurück.
Diesmal jedoch sind die Bedingungen wegen der Corona-Pandemie anders. Angesichts eines wachsenden wirtschaftlichen Drucks könnten sich viele Arbeitnehmer scheuen, an dem Streik teilzunehmen. Beim Pflegepersonal, wo der Frauenanteil sehr hoch ist, seien zudem etwa 30 Prozent der Beschäftigten in Quarantäne, sagte Zofia Malas von der Kammer für Krankenpfleger und Hebammen.
Warschaus liberalkonservativer Oberbürgermeister Rafal Trzaskowski sagte, er unterstütze die Aktion. Die Stadtverwaltung werde ihren Beschäftigten die Teilnahme ermöglichen. Busse und Straßenbahnen würden als Zeichen der Solidarität mit den Protestierenden am Mittwoch beflaggt. Trzaskowski war bei der Präsidentenwahl im Sommer als Herausforderer von Amtsinhaber Andrzej Duda angetreten, hatte die Stichwahl jedoch knapp verloren.
Source: spiegel.de
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