Schweden fördert in Zukunft die Umrüstung von Autos mit Benzin- und Dieselmotor — sie sollen dann von Biokraftstoffen angetrieben werden. Das hat die schwedische Minderheitsregierung aus Sozialdemokraten und Grünen mit Zustimmung der Zentrumspartei und der Liberalen beschlossen.
Fahrzeugbesitzer können die Fördermittel ab dem nächsten Jahr beantragen, ab 2022 werden sie ausgezahlt. Geplant ist, dass der Staat die Hälfte der Umbaukosten übernimmt. Maximal soll es 480 Euro für den Umbau auf Antrieb mit Ethanol (Alkohol) geben und 2400 Euro für den Umbau auf Biogasantrieb.
Auf diese Weise schlägt Stockholm einen ungewöhnlichen Weg im Klimaschutz ein: Während fast überall in Europa effizientere Neuwagen — vor allem mit Elektroantrieb — als Königsweg zu weniger CO₂-Emissionen im Straßenverkehr gelten, versucht Schweden den Schadstoffausstoß der Bestandsfahrzeuge zu verbessern. Sie würden weiter von Verbrennungsmotoren angetrieben — diese aber umweltfreundlichere Kraftstoffe nutzen.
Die Idee zur Umrüstung stammt ursprünglich 2013 von der Autofahrerorganisation Gröna Bilister (Grüne Autofahrer). Aufgegriffen haben den Gedanken nun die schwedischen Grünen.
Es gebe bei einem Bestand von knapp 4,9 Millionen Autos im Land «2,7 Millionen Pkw, die auf fossilfreie Kraftstoffe umgerüstet werden können», sagte Co-Grünenchef Per Bolund. Die Regierung hatte 2019 das Konjunkturinstitut beauftragt, die Voraussetzungen für den Umbau von Bestandsfahrzeugen zu untersuchen.
Bislang sind dafür aber lediglich 1,92 Millionen Euro bereitgestellt — eine Summe, die für den Umbau von höchstens 4000 Autos ausreicht. Der Betrag kann aber steigen — je nachdem wie Autofahrer die Umrüstprämie annehmen.
Kosten für ärmere Autofahrer womöglich zu hoch
Zielgruppe sind Autofahrer, die «von ihrem Auto abhängig sind und es mit geringem Aufwand umbauen und mit gutem Gewissen fahren wollen», so Bolund. Angesprochen sind auch Autofahrer, «die sich kein Elektroauto leisten können, die aber durch den Umbau an der Umstellung des Verkehrssektors teilhaben können».
Klingt gut, dürfte aber an der Lebenswirklichkeit des größten Teils der Zielgruppe vorbeigehen. Wer aus Kostengründen einen älteren Wagen fährt, wird kaum die 2400 Euro übrig haben, die er zum Umbau auf Erdgasantrieb aus eigener Tasche zahlen muss.
Wer ein paar Hundert Euro für den Umbau auf Ethanolantrieb investieren muss, wird sich vermutlich davon abschrecken lassen, dass die weitere Preisentwicklung beim Ethanol unsicher ist. Nach Wegfall einiger Steuervorteile kostet E85, wie die Mischung aus (viel) Ethanol und (wenig) Ottobenzin genau heißt, in Schweden nur noch etwa fünf bis sieben Cent weniger als ein Liter Benzin, dessen Preis derzeit bei umgerechnet 1,30 Euro pro Liter beträgt.
Ethanol als Treibstoff umstritten
Sollte die EU außerdem Schwedens Antrag auf Beibehaltung einiger Steuervorteile für Ethanol ablehnen, kann der Literpreis für E85 auf knapp zwei Euro steigen. Hinzu kommt, dass der Energiegehalt von Ethanol um rund 30 Prozent unter dem von Benzin liegt und Fahrer einen Mehrverbrauch kalkulieren müssen.
Außerdem ist der Einsatz von Ethanol als Treibstoff höchst umstritten. Als Rohstoffe kommen auch Palmöl, Soja und Raps zum Einsatz. Für den Anbau von Palmöl und Soja werden in Südostasien Urwälder gerodet, was sich verheerend auf das Klima auswirkt und den Zweck von E85 konterkariert.
Bei sinnvoller Integration lässt sich die Umweltbilanz jedoch verbessern. In Norrköping produziert Skandinaviens größte Bioraffinerie aus Getreide, Restprodukten der Lebensmittelindustrie und Zellulose aus der Land- und Forstwirtschaft jährlich rund 200.000 Kubikmeter Ethanol. Dabei fallen im Vergleich zu aus Erdöl gewonnenem Kraftstoff 80 Prozent weniger CO₂ an.
Autoexperte spricht von «Schnapsidee»
Ethanol war vor einigen Jahren sehr beliebt in Schweden, doch die Vorreiter bei E85-Autos haben sich von der Technologie verabschiedet (so Volvo mit seinen FlexiFuel-Modellen) oder sind pleite (Saab, BioPower-Modelle). Nachzügler VW hat sein vorerst letztes E85-taugliches Modell 2018 vom Markt genommen.
Beim Gasantrieb hängt die Umweltverträglichkeit ebenfalls vom Rohstoff ab. Aus Abfällen gewonnenes Biogas steht besser da als Produkte aus Erdgas. Allerdings haben die meisten Anbieter die Produktion von Autos mit Erdgasantrieb aufgegeben. Eine nennenswerte Modellpalette bietet nur noch VW an. Aus dem Konzern kommt sogar wieder ein neues Modell auf den Markt, der nächste Audi A3.
Als «Schnapsidee» bezeichnet den schwedischen Plan Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer. «Erdgas ist tot. Das haben die Hersteller seit 20 Jahren nicht hinbekommen, warum soll es im 21. Jahr klappen? Da lässt sich CO₂ mit anderen Maßnahmen effizienter einsparen.»
Source: spiegel.de
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