понедельник, 3 августа 2020 г.

Die Linke: Pragmatiker drängen auf Richtungsentscheidung

Wenn im Herbst der Parteitag der Linken zusammenkommt, stehen große Entscheidungen an. Dann müssen neue Vorsitzende gewählt werden, die beiden bisherigen, Katja Kipping und Bernd Riexinger, sollten nach acht Jahren eigentlich nicht mehr antreten. Möglicherweise tun sie das auch nicht, Ende des Monats wollen sie sich erklären.

Vor allem aber könnte es zu einer Grundsatzentscheidung darüber kommen, was diese Partei eigentlich sein will — und was das für künftige Regierungsbeteiligungen heißt. Fühlt sie sich der Straße verbunden, dem Außerparlamentarischen, der Opposition? Oder will sie gestalten, und damit auch auch: regieren? Als Partei in einem von Parteien geprägten parlamentarischen System.

Eigentlich erzählen Genossen aller Lager gern, diese Frage sei beantwortet; fast niemand sei mehr prinzipiell gegen Regierungsbeteiligungen, alles eine Frage des «wie», nicht des «ob».

Doch in Wahrheit prägt diese Auseinandersetzung schon das ganze Jahr. Sie beherrschte die Strategiekonferenz in Kassel im Februar. Sie zeigt sich in Sitzungen des Parteivorstands. Eine Gruppe von Reformern, also regierungswilligen Pragmatikern, sammelt jetzt die Kräfte mit dem Ziel, auf dem Parteitag Ende Oktober den Kurs der Partei festzulegen.

Auf Initiative einer Gruppe von Genossen aus mehreren Bundesländern ist ein neues Positionspapier entstanden, das ein Angebot ist an das erweiterte Reformerlager. Schon der Titel gibt den Kurs vor: «Für eine soziale, ökologische und digitale Gesellschaft — Die Linke muss sich entscheiden!» Das Papier liegt dem SPIEGEL vor.

Auf 13 Seiten beschreiben die Autorinnen und Autoren ihre Sicht auf die Situation im Land, vor allem in Corona-Zeiten: soziale Schieflage, gebeutelter Mittelstand, prekäres Gesundheitssystem, unzureichende gesellschaftliche Infrastruktur. Ihr Urteil über die Partei ist harsch: «Die Linke verharrt in Stagnation.» Sie geben Digitalisierung und Ökologie als neue wichtige Themen vor, plädieren für ein «in leuchtenden Farben gezeichnetes und stimmiges Bild vom demokratischen Sozialismus», ohne selbst dieses Bild zu zeichnen. Sie stellen viele Fragen, geben der Partei viele Aufgaben mit.

All das ist nicht sehr detailliert, kein umfassendes Programm — eher ein sehr grundsätzlicher Aufruf an möglichst viele Gleichgesinnte, die in der Vergangenheit trotz politischer Nähe nicht immer zusammengearbeitet haben.

In der vielleicht entscheidenden Passage heißt es: «Sind wir überhaupt willens, mitgestalten zu wollen und welche personellen Anforderungen und Möglichkeiten ergeben sich z.B. daraus? Wir erwarten vom kommenden Bundesparteitag eine echte Richtungsentscheidung und ein starkes Signal des Aufbruchs — hin zu einem wirklichen Politikwechsel im Land.»

Das ginge nur, wenn der Leitantrag entsprechend klar formuliert ist, oder wenn verschiedene Alternativen zur Abstimmung stehen.

Die Gegenposition kommt aus Hessen

An einer anderen Stelle im Papier steht: «Wir dürfen deshalb nicht den Fehler begehen, uns aus dem parlamentarischen System zurückzuziehen.» Was klingt wie eine Selbstverständlichkeit für eine Partei, die zu Wahlen antritt und in mehreren Bundesländern mitregiert, ist für die Linke keine. Eben erst ist im hessischen Landesverband ein Strategiepapier geschrieben worden, in dem der Satz steht: «Statt auf rot-rot-grün und eine Regierungsbeteiligung im neoliberalen System zu hoffen, sollten wir Bündnisse schließen.»

«Wir können nicht weiter sagen, wir lassen so etwas einfach nebeneinander stehen», sagt der Bundestagsabgeordnete und Reformer Stefan Liebich, «wir müssen klären, was für eine Partei wir sein wollen.»

Natürlich könnte eine Partei zugleich in den Parlamenten mitarbeiten und regieren wollen und Bündnisse mit Bewegungen schließen. Aber das Misstrauen gegen die Politik in Institutionen ist in Teilen der Partei nach wie vor groß, auch unter Mitgliedern im Bundesvorstand.

Uneiniges Reformerlager

Die Reformer dagegen wollen im System gestalten. Nur haben sie ein Problem: Das Lager ist in den vergangenen Jahren auseinandergefallen. Da gibt es die geschrumpfte Gruppe der eigentlichen Reformer aus der Strömung «Forum Demokratischer Sozialismus» (fds). Dann gibt es Leute, die im Streit aus dem fds ausgetreten sind, weil sich die Reformer im Bundestag mit dem linken Flügel von Sahra Wagenknecht zu einem Machtblock verbündet haben, obwohl die unter anderem eine andere Haltung zu Migration vertritt. Dann gibt es diejenigen, die nie Mitglied waren, obwohl sie dem fds inhaltlich nahestehen.

Und schließlich diejenigen um die Parteivorsitzende Katja Kipping, die einem ganz anderen Machtblock angehören, auch wenn inhaltlich keiner so genau sagen kann, warum. Kipping, die seit einer Weile versucht, ihre Partei auf einen Regierungskurs zu bringen, hat das Papier nicht unterzeichnet, auch Caren Lay nicht, die stellvertretende Fraktionsvorsitzende im Bundestag. Die ganz große Versöhnung des gespaltenen Lagers der Regierungswilligen ist es so nicht geworden.

Auch drei große Namen, die eindeutig (Dietmar Bartsch) oder offensichtlich weitgehend (Bodo Ramelow, Gregor Gysi) den Überzeugungen der Reformer nahestehen, fehlen als Unterzeichner. Eine inhaltliche Aussage soll das nicht sein, heißt es, es kursieren andere Begründungen, die Rolle, das Prinzip (keine Strömungspapiere unterzeichnen), der anstehende Wahlkampf.

Dietmar Bartsch, Fraktionsvorsitzender im Bundestag, nennt das Papier immerhin ein «wichtiges reformpolitisches Angebot im Vorfeld des Parteitags.»

Und auch so haben viele namhafte Genossen das Papier unterschrieben: Klaus Lederer, Kultursenator und Bürgermeister von Berlin. Kristina Vogt, Wirtschaftssenatorin in Bremen. Jan Korte, der Parlamentarische Geschäftsführer der Bundestagsfraktion. Anne Helm, die neue Fraktionsvorsitzende im Berliner Abgeordnetenhaus, Carsten Schatz, der mit ihr zusammen die Fraktion führt. Sebastian Walter, der Fraktionsvorsitzende aus dem Brandenburger Landtag. Nicht alle von ihnen bekannten sich zuletzt zum fds.

Auch Udo Wolf, bis vor kurzem Fraktionschef in Berlin, hat unterzeichnet — er war vor zwei Jahren mit einigen anderen aus dem fds ausgetreten und hatte öffentlich Kritik geübt.

«Ich finde es gut, wenn das erweiterte Reformerlager sich in die Debatte über den Kurs der Partei einmischt», sagte Jan Korte zu dem Papier. Luise Neuhaus-Wartenberg, die aktuelle Sprecherin des fds, sagt: «Es ist gut, dass das Reformerlager Konflikte beilegt und neu zusammenarbeitet, denn die Partei steht vor großen Entscheidungen.»

Icon: Der Spiegel

Source: spiegel.de

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