суббота, 7 марта 2020 г.

Berliner Ballettschule: Tanzen und hungern

In der Staatlichen Ballettschule Berlin sollen Lehrer Schüler psychisch gedemütigt und extrem gedrillt haben. Die Klagen darüber sind nicht neu. Drei Ehemalige erzählen.

Meine Mama hat mir die Zeitungsannonce der Berliner Ballettschule gezeigt, da war ich zehn. Da war ein Mädchen zu sehen, das sich so elegant mit den Armen vom Boden hochgedrückt hat aus der Bauchlage. Ich hab sofort gesagt: Cool, da tanze ich vor! Als Kind macht man sich ja nicht so einen Kopf.

Wir hatten dann gleich zu Anfang eine Ballettlehrerin, die hatte so rote Fingernägel, mit denen sie einem in die Beine und den Po gekniffen hat. Nachdem ich ungefähr vier Jahre dort war, haben wir einen männlichen Ballettlehrer gekriegt. Der war sehr streng – was erst einmal dazu geführt hat, dass ich sehr viel besser geworden bin. Aber er hat nicht aufgehört, uns zu beschimpfen: Wir seien dumm, wir seien doch nicht in der Klippschule. Und ich – speziell mein Hintern – sei deformiert. Da war ich 14.

Dazu kam, was ich heute als Rassismus-Erfahrung bezeichnen würde. Damals war in Berlin klar: Für das klassische Ballett sind Schwarze eher nicht geeignet. Wenn, dann sollte man als Schwarzer lieber modernen Tanz machen. Das hat ein Lehrer mir auch so gesagt: «Martin, ich denke, dass du als Schwarzer sowieso nicht klassisch tanzen wirst – aber ein bisschen Technik wäre schon gut.» Ich habe das damals gar nicht verstanden – ich wollte ja klassisches Ballett tanzen!

Derselbe Lehrer hat mich dann auch gemobbt, weil ich meine Haare wachsen ließ: «Martin, du hast jetzt eine Woche, dann sind die Haare ab.» In den Schulregeln stand nur, die Frisur müsse gewährleisten, dass die Stirn und der Nacken frei sind und die Kopfform erkennbar ist. Also habe ich alle möglichen Frisuren ausprobiert, mir ein Tuch um die Haare gebunden. Dann hat der Lehrer mich aus dem Unterricht geschmissen.

«Er sagte: Um einen Tänzer zu formen, muss man seinen Charakter brechen»

Martin Lorenz

Die Schulleitung hat zwar gesagt, das dürfe der nicht. Aber ich müsse verstehen, dass der das nicht anders kenne. Es wurde gar kein Unterschied zwischen Strenge und Mobbing gemacht. Und darum melde ich mich heute auch zu Wort: damit klar wird, wo Disziplinierung und notwendige Härte aufhören und wo emotionale Gewalt und Machtmissbrauch anfangen. Dieser Lehrer hat gesagt: Um einen Tänzer zu formen, muss man seinen Charakter erst brechen, um ihn dann von Neuem wieder aufzubauen.

Wir wurden auch gegeneinander ausgespielt. Die Besten wurden an die Stange in der Mitte des Saals gestellt. Die, die gerade nicht in der Gunst der Lehrer waren, mussten an den Seitenstangen stehen. Auch wer den Lehrer kritisierte oder Solidarität mit jemandem zeigte, musste zur Seite. Und sofort rückte ein anderer in die Lücke. Konkurrenz ist im Beruf normal, aber in so jungen Jahren sollten Empathie und Zusammenhalt nicht darunter leiden.

Dass man im Ballett-Training in einem hautengen Trikot vor dem Lehrer steht, das gehört dazu. Man arbeitet ja mit dem Körper, will ihn in eine bestimmte Form bringen. Aber es macht einen natürlich verletzlich. Leichte Schläge auf die Oberschenkel, Schulterblätter oder Arme haben wir immer bekommen, zur Korrektur. Das war unnötig, aber tolerierbar. Dazu kamen jedoch sehr oft abwertende Kommentare von einigen Lehrern, etwa: «Da schwabbelt ja alles!» Ich glaube nicht, dass es jemanden gab, der ohne Essstörung aus der Schule herausgekommen ist. Aber das war nie ein Thema, das offen diskutiert wurde.

Mit 13 habe ich zum ersten Mal gemerkt, dass es mir nicht gut geht. Da habe ich in den Spiegel gesehen und gemerkt, dass ich verlernt hatte zu lächeln. Heute denke ich: Das war eine Art Depression. Damals habe ich mich vor den Spiegel gestellt und lächeln geübt. Meiner Mutter habe ich nichts davon erzählt, auch sonst niemandem. Mein Gefühl war: Mit Außenstehenden spricht man nicht darüber.

Später hatte ich auch Lehrer, die mich aufgebaut haben. Da habe ich erst verstanden, dass es anders gegangen wäre. Man kann sehr gute Künstler und Tänzer heranziehen, ohne herzlos und gemein zu sein. Die meisten Lehrer hatten aber selbst nur Härte, Härte, Härte gelernt.

Jetzt heißt es ja, dass die Schulleitung von solchen Vorfällen nichts wusste – aber das stimmt nicht. Ich habe Mitgliedern der Leitung schon vor mehr als 20 Jahren erzählt, dass uns dieser eine Lehrer fertigmacht und demotiviert. Wir haben dann einen neuen Lehrer bekommen. Aber der alte blieb. Und ich weiß, dass Klassen nach mir auch unter ihm gelitten haben.

Ich bin trotz allem geblieben. Auch weil ich irgendwann wirklich geglaubt habe, dass ich dumm bin. Ich hatte Angst, dass ich an einer anderen Schule das Abitur nicht schaffe.

Das alles steckt sehr tief, bis zum heutigen Tag. Ich habe einen Zwang in mir, zu glauben, dass ich immer der Beste sein muss. Und ich konnte lange keine Traurigkeit zeigen – weinen, das war ja ein Zeichen von Schwäche! Viele Jahre nach dem Abschluss habe ich den Zeichentrickfilm Pocahontas gesehen, das war 2009 – und erst da liefen mir zum ersten Mal die Tränen runter. Die Ballettschule hat mich hart gemacht, aber nicht unbedingt stark.

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