понедельник, 24 февраля 2020 г.

Dreistündige Odyssee: «Auch wir haben ein Recht auf Demokratie»: Hamburger will wählen – doch scheitert an Wahllokalen

Am vergangenen Sonntag wählten die Hamburger eine neue Bürgerschaft. In 1283 Wahllokalen gaben mehr als 60 Prozent der Hamburger Bürger ihre Stimme ab. Eigentlich sollte das eine einfache Sache sein: Jeder bekommt in der Wahlbenachrichtigung, die ein paar Wochen vor dem Wahltag in den Briefkasten flattert, ein Lokal in unmittelbarer Nähe der eigenen Wohnung zugewiesen, um die Hürde zu wählen so niedrig wie möglich zu halten. Dann geht man da hin, stellt sich kurz an, gibt verdeckt seine Stimmen ab, wirft die Papiere in die Wahlurne und fertig ist die Laube – sollte man meinen. Doch für viele Menschen ist eben das nicht so einfach möglich. 

Michel Arriens kann davon ein Lied singen: Der Social-Media-Manager, der für gewöhnlich Kampagnen bei der Petitionsplattform change.org betreut,  wäre am Sonntagnachmittag gern einfach in sein Wahllokal im Stadtteil St.Georg gegangen, um dort seine Stimme abzugeben. Doch Arriens ist kleinwüchsig – und sein Wahllokal nicht barrierefrei. Zwar habe in seiner Wahlbenachrichtigung gestanden, dass der Zugang zur Wahlurne nicht barrierefrei sei, so Arriens zum stern. Doch da es sich dabei um eine Schule handelte, sei er davon ausgegangen, dass es irgendeine Möglichkeit gebe, das Gebäude trotz Behinderung zu betreten: «Man muss einen zusätzlichen Antrag stellen, um in einem anderen Wahllokal wählen zu können und ich habe nicht eingesehen, benachteiligt zu werden gegenüber Menschen, die keine Behinderung haben. Ich dachte, dass wir in einer öffentlichen Einrichtung wie einer Schule schon irgendeine Lösung werden finden können.»

«Man gab mir die Option, einfach nicht zu wählen»

Doch nachdem seine Partnerin gewählt und ein Mitglied des Teams im Wahllokal informiert hatte, habe zunächst nur Unwissenheit geherrscht. Auch ein Gespräch mit dem Hausmeister habe keine weiteren Gedankenblitze hervorgerufen, weshalb man schließlich das Bezirksamt angerufen habe. «In der Zwischenzeit stand ich draußen im Regen, das war natürlich zusätzlich doof», sagt Arriens dem stern. Ergebnis der Recherche: Arriens musste ins Bezirksamt – auf der anderen Seite der Alster. Alternativ, so sagte man ihm, hätte er den Antrag auf ein anderes Wahllokal stellen, Briefwahl machen – oder eben «nicht wählen» können. «Das hat mich schon verdutzt zurückgelassen, dass man mir das überhaupt als Option nennt. In Zeiten von AfD und Co. sowie schrumpfenden Wähler*Innen-Zahlen in Deutschland, ist es mir wichtig zu wählen. Und das Recht auf gleichberechtigte und barrierefreie Demokratie hat jeder.»

Im Bezirksamt angekommen, habe man ihn wieder in seinen Bezirk zurückgeschickt. «Dann schickte man mich direkt zur Wahlamtsleitung. Die Wahlleiterin sagte mir dann, ich hätte nur bis Freitag, 18 Uhr, im Bezirksamt meine Stimme abgeben können. Das weiß man ja aber im Vorhinein nicht und es ist auch nicht Sinn der Sache, dass man erstmal ins Bezirksamt fahren muss – deshalb gibt es ja die Wahllokale.»

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Das Ende vom Lied: Nachdem Michel Arriens sich durchgesetzt hatte, rief die Wahlleiterin bei der Leiterin des Wahllokals an und wies diese an, Arriens die Möglichkeit zu geben, vor der Tür des Wahllokals, also am Fuße der unüberwindbaren Treppe, seine Stimme abzugeben. Also bin ich im Regen wieder durch die halbe Stadt zurück zu meinem Wahllokal» , erzählt er. Die Lösung, die man sich dort überlegt hatte, bestand aus einem Sichtschutz-Pappkarton, den man auf einen «völlig durchnässten» Schulstuhl stellte: «Ich habe dann in der Öffentlichkeit, ohne Sichtschutz von hinten gewählt. Die Wahlunterlagen waren komplett durchnässt. Dann fiel auch noch auf, dass ich nicht zur Wahlurne komme. Keine Ahnung, ob das legal ist oder nicht, aber man bot mir an, die Unterlagen für mich einzuwerfen. Ich will nichts unterstellen, aber ob sie wirklich angekommen sind, konnte ich nicht überprüfen.»

Gang an die Urne ist Arriens wichtig: «Ich sehe Demokratie auch als Diskursraum»

Nachdem Michel Arriens seine Erlebnisse auf Twitter geteilt hatte, hagelte es Zuspruch, aber auch Kritik. Die häufigste Frage: Wieso er nicht einfach per Briefwahl abgestimmt habe? Arriens dazu: «Ich habe ein Recht darauf, keine Briefwahl zu machen. Ich habe ein Recht darauf, mich darüber zu informieren, was Parteien kurz vor der Wahl im Wahlkampf machen. Ich möchte darauf reagieren, wenn Wahlskandale entstehen. Wenn das in einer der wichtigsten staatlichen Institutionen, nämlich der Demokratie, nicht möglich ist, dann haben wir ein Problem. Und da geht es ja nicht nur mir so, sondern auch blinden Menschen, die die Wahlbenachrichtigung nicht verstehen, gehörlosen Menschen, die vor Ort keine Gebärdensprachendolmetscher haben und so weiter. » Außerdem sei ihm der Gang zur Urne einfach wichtig: «Ich sehe Demokratie auch als Diskursraum.»

Das Problem, dass nur etwa ein Viertel aller Hamburger Wahllokale barrierefrei zugänglich ist, ist seit längerem bekannt und war vor der Wahl bereits Thema eines Antrags seitens der Linken gewesen, in dem eine «umfassende» und «umgehende» Prüfung der Barrierefreiheit von Wahllokalen gefordert wurde: «Auf ihrem Wahlschein erfahren Menschen mit Geh- und Körperbehinderungen, ob ihr Wahllokal barrierefrei ist. Ist es das nicht, haben sie die Möglichkeit, über Internetrecherche ein barrierefreies Wahllokal zu suchen. Das ist insbesondere für viele ältere Menschen oft schwierig, die nicht geübt mit dem Internet sind. Zudem sind nicht alle Haltestellen für Menschen mit Geh- und Körperbehinderungen barrierefrei erreichbar […]. Dann gibt es noch die Möglichkeit, die Nummer 115 zu wählen, […] für Gehörlose und Höreingeschränkte […] nur eingeschränkt nutzbar.»

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«Wir haben ein Recht auf Demokratie – wie jeder andere auch»

Michel Arriens will sich so lange für barrierefreie Wahlen einsetzen, bis sie eine Realität werden: «Mir geht es hier nicht nur um mich, mir geht es um acht Millionen Menschen mit Behinderung in Deutschland. […] Wir sind Menschen wie jeder andere auch und wir haben ein Recht auf Demokratie – wie jeder andere auch.»

Prinzipiell sei Hamburg in Sachen Barrierefreiheit übrigens auf einem guten Weg, meint Arriens: «Es wird Schritt für Schritt der Nahverkehr ausgebaut, Gehsteige werden abgesenkt, aber wir haben noch ganz viel vor uns und was für den Rollstuhlfahrer oder die Rollstuhlfahrerin barrierefrei ist, ist noch lange nicht für blinde oder hörbehinderte Menschen barrierefrei.» Ein Beispiel, das den Social-Media-Manager derzeit umtreibt: Kein einziges der Moia-Fahrzeuge, die seit Kurzem in Hamburg unterwegs sind und den Nahverkehr auf lange Sicht revolutionieren sollen, ist rollstuhlgerecht. «Damit werden 10 Prozent der Bevölkerung ausgeschlossen, das geht nicht. Wenn wir den Menschen mit Behinderung hier durch eine Frau oder einen Schwarzen Menschen ersetzen würden, hätten wir einen riesigen gesellschaftlichen Aufschrei.»

Quelle: Drucksache 21/19939

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