понедельник, 24 февраля 2020 г.

AfD Hamburg: Der Aufwärtstrend ist gebremst

Bisher gab es für die AfD nur eine Richtung: aufwärts. Nachdem sie im Gründungsjahr 2013 bei der Bundestagswahl die Fünfprozenthürde noch verfehlt hatte, zog die Partei ein Jahr später knapp zweistellig in drei ostdeutsche Bundesländer ein, Anfang 2015 folgte Hamburg, dann Bremen, jeweils mit etwas über sechs Prozent. 2016 wurde mit 25 Prozent in Sachsen-Anhalt zum Rekordjahr, in Mecklenburg-Vorpommern überrundete die AfD erstmals die CDU, wenig später zog sie in Baden-Württemberg zweistellig ein. Zur Europawahl 2019 wurde die AfD im Osten dann stärkste Kraft. Und die Zukunft scheint gesichert: Bei den unter 30-Jährigen erreicht die AfD Spitzenwerte. 

«Sorgen wir dafür, dass die Altparteien ihr blaues Wunder erleben», hatte die AfD Hamburg am Nachmittag der Wahl in Hamburg noch getwittert. Das blaue Wunder erlebte sie dann selbst, denn erst am späten Abend wurde klar, dass die Partei es doch wieder knapp ins neue Landesparlament geschafft hat – und wegen der speziellen Hamburger Wahlarithmetik sogar ein siebentes Mandat hinzugewinnt. Davor hatte es stundenlang so ausgesehen, als wäre die AfD draußen. Doch die Begeisterung von SPD und Linken über den Rauswurf erwies sich als verfrüht, ebenso die «Nazis raus»-Rufe auf der Wahlparty der siegestrunkenen Grünen. 

Nun bleibt die AfD in der Hamburger Bürgerschaft Teil einer 30-Prozent-Opposition mit CDU, Linken und wahrscheinlich einer marginalisierten FDP. SPD und Grüne werden die Stadt weiterregieren. Die politische Karriere des AfD-Spitzenkandidaten, des ehemaligen Beamten Dirk Nockemann, ist damit gerettet, auch sein Co-Kandidat Alexander Wolf bleibt als Parlamentarier aktiv. Für ihn wäre ein Rauswurf in Hamburg allerdings ohnehin nicht das politische Ende gewesen, denn der Rechtsanwalt gehört seit dem Parteitag Ende November zum Bundesvorstand. 

Die AfD hat auch ihr Ziel erreicht, die CDU weiter zu schwächen. Die Partei arbeitet seit ihrer Gründung daran, die Christdemokraten bis an die existenzielle Grenze zu marginalisieren und schließlich «ihr Erbe anzutreten», wie Björn Höcke nach der Thüringen-Wahl im Oktober sagte. 

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Dennoch leitet die Hamburg-Wahl mit diesem Ergebnis, das nur hauchdünn über der Fünfprozenthürde liegt, eine für die Partei schwierige Phase ein. Der Aufwärtstrend ist gebremst, wenn nicht sogar gestoppt. Fast wäre die AfD aus dem ersten westdeutschen Parlament, in das sie einzog, wieder rausgewählt worden.  

Der Absturz der Partei Richtung fünf Prozent zeigt: Mit dem Versuch, sich als bürgerlich und konservativ zu inszenieren, war die AfD nicht erfolgreich. Schon am Wahlabend gab es Kritik: Die Hamburger Parteiführung habe keinen guten Job gemacht, sagte Peter Wolfslast, AfD-Kandidat im Wahlkreis Hamburg-Mitte. Die «Distanzeritis» gegenüber dem AfD-Nationalisten Höcke sei ein Fehler gewesen. Man müsse Höckes Erfolg in Thüringen anerkennen, sich öffentlich zu distanzieren sei falsch.

Auch an Geschlossenheit mangelte es: Der frühere Hamburger Fraktionschef Jörn Kruse verließ die Partei 2018 nach Kritik am Rechtskurs seiner Partei. 2019 konnten sich Nockemann und Wolf nicht einigen, wer Spitzenkandidat werden sollte und warfen die Münze: Wolf gewann. Bei dem entscheidenden Parteitag aber drängte sich Nockemann rhetorisch so in den Vordergrund, dass die Mitglieder ihn als Spitzenkandidaten bestätigten, nicht Wolf. 

Die Wähler kauften den Spitzenkandidaten zudem ihren verbal gemäßigten Auftritt nicht ab. Dass diese sich vom nationalistischen Kurs der Ost-AfD rhetorisch abgrenzten, führte nicht zu einem Stimmenzuwachs. Im Gegenteil: Die Wählerinnen und Wähler erkannten, dass auch Nockemann und Wolf zu derselben Partei gehören, die in Ostdeutschland mit teils rassistischen und völkischen Wahlkämpfen zweistellige Ergebnisse erzielte. Und wer das Wahlprogramm der Hamburger las, konnte sehen, dass sich auch dort ähnliche Passagen finden. Sogar 61 Prozent der AfD-Wähler sind laut dem Institut Infratest der Meinung, dass die AfD sich nicht ausreichend von rechtsradikalen Positionen distanziert. 

Die AfD selbst führt das knappe Ergebnis auf den harten Abwehrkampf anderer Parteien gegen die AfD zurück. Die Vorlage dafür lieferten mehrere tagesaktuelle Ereignisse. Darunter der Wahlkrimi von Thüringen, wo die AfD im Landtag die Demokratie vorgeführt hatte: Sie stellte zum Schein einen Kandidaten für die Wahl zum Ministerpräsidenten auf, gab ihm am Ende keine aber einzige Stimme. Dass schließlich ein Bewerber der Kleinpartei FDP mithilfe der Stimmen von CDU und AfD den Amtsinhaber der Linken aus dem Amt schlug, mag viele von der Wahl der AfD abgehalten haben, aber eben nicht alle: Denn 34 Prozent der Hamburger AfD-Wähler sagten in Nachwahlbefragungen, sie hätten sich eben genau wegen der Ereignisse von Thüringen für die AfD entschieden.

Hinzu kam das Attentat von Hanau, wo ein von völkischen Herrschaftsfantasien getriebener, psychisch gestörter Rassist erst zehn Menschen und dann sich selbst erschossen hatte. In der politischen Debatte führten das vor allem Vertreterinnen und Vertreter von Linken, SPD und Grünen auf das Wirken der AfD zurück. Hunderte Menschen demonstrierten am Abend der Tat vor der Hamburger-AfD-Zentrale. Für die Partei ist das eine willkommene Entschuldigung für den Stimmenverlust. Nachdem die AfD in den Umfragen konstant auf sieben Prozent rangierte, habe die «Hetze» gegen seine Partei das Ergebnis gedrückt, sagte Spitzenkandidat Wolf am Wahlabend zwischen blauen AfD-Luftballons in der Parteizentrale. «Wir wurden als Faschisten beschimpft, als Nazis», sagte Wolf. Auch die Diskussionen um die Überwachung der AfD durch den Verfassungsschutz habe geschadet. Wolfs Co-Spitzenkandidat Nockemann findet die Vorwürfe gegen seine Partei «schräg» und «unerhört».

Ehrlos und unanständig?

Angesichts dieses starken Widerstandes schwenkt die AfD-Spitze ein auf den Kurs der Selbstreflexion: «Auch wir haben uns manchmal in der Wortwahl vergriffen», sagt Bundestagsfraktionschef Alexander Gauland am Tag nach der Wahl. «Auch wenn es schwerfällt», müsse sich die Partei fragen, «warum es unseren politischen Gegnern gelingt, uns überhaupt mit solch einem Verbrechen in Verbindung zu bringen», schrieben Chrupalla und Co-Chef Jörg Meuthen schon am Sonntag an die Mitglieder. Das klingt nach Kritik in die Partei hinein – als wenn es in der AfD ein zu lösendes Problem gäbe. Die aufgeworfene Frage lässt sich aber auch als taktisches Statement werten.

Am Wahlabend in Hamburg sagte Chrupalla: «Es ist ein Grundsatz unserer Partei, sich nicht rassistisch zu äußern.» Auf Nachfrage konstatierte er: «In der AfD gibt es keinen Rechtsextremismus.» Dass sich Chrupalla damit auf dünnes Eis begibt, zeigen nicht nur zahlreiche rassistische – und damit rechtsradikale Äußerungen – aus der AfD, sondern auch ein zweiter Kernsatz des Mitgliederrundbriefes: «Wer sich rassistisch und verächtlich über Ausländer und fremde Kulturen äußert, handelt ehrlos und unanständig und damit gegen Deutschland und gegen die AfD», heißt es dort. Die Antwort auf die Frage, ob man Fraktionschefin Alice Weidel wegen ihrer «Messermänner»- und «Kopftuchmädchen und andere Taugenichtse»-Äußerung aus der Partei werfen müsse, bleibt Chrupalla allerdings schuldig. Nicht nur diese Passage aus einer Bundestagsrede Weidels lässt sich als pauschale Herabwürdigung von Migranten und Muslimen durch AfD-Spitzenvertreter werten. 

Auch wenn sich die politischen Trends einer prosperierenden Großstadt wie Hamburg nicht vollständig auf die Flächenländer beziehen lassen, stellt sich die Frage, wie die AfD sich künftig behaupten will: 2021 strebt sie den Wiedereinzug in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern an, im Westen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg, wo Chrupallas Co-Chef Jörg Meuthen gegen eine Reihe Widersacher kämpft. Meuthen prognostizierte nach den Landtagswahlen von 2019, die zu erwartende wirtschaftliche Rezession werde der AfD in Westdeutschland den nötigen Rückhalt verschaffen. Auch die Krise der Industrie in Nordrhein-Westfalen, wo 2022 der Landtag neu gewählt wird, werde der AfD Wähler zutreiben.

Von den Themen Islam und Zuwanderung, mit denen die ostdeutsche AfD seit 2016 ihre Stimmenrekorde einfuhr, rückt die Bundesspitze vorsichtig ab. Denn in Regionen, in denen Zuwanderer, darunter Muslime, seit Jahrzehnten zur Bevölkerung gehören, verfängt das weniger als in Ostdeutschland mit seinem geringen Zuwandereranteil. Die künftigen AfD-Spitzenkandidaten der westdeutschen Landesverbände setzen stattdessen in Bayern und Nordrhein-Westfalen auf den Kampf gegen Clan-Kriminalität, die dort laut Polizei besonders verbreitet ist. Die Menschen im Osten wollten verhindern, dass so etwas zu ihnen herüberschwappe, sagt eine AfD-Funktionärin aus Bayern. «Bei uns sind diese Verhältnisse Realität.» Von der Clan-Kriminalität zieht die AfD eine Verbindung zur arabischen Zuwanderung und dem Islam. Und hofft so, das Thema in den anstehenden Wahlkämpfen nutzen zu können.    

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